[banner] Michael Eisermann

C'est par la logique que l'on prouve
et par l'intuition que l'on découvre.

— Mit der Logik beweisen wir,
mit der Intuition entdecken wir.
Henri Poincaré (1854–1912)

Topologie

Die Topotastischen Vier Die Topotastischen Vier 2020 Calamity on the C@mpus

Vorlesung im SoSe 2020.
Dozent: Michael Eisermann.
Assistentin: Friederike Stoll.
Tutoren: Carlo Klapproth und Manuel Rosenbaum.

Aktuelle Informationen und die Terminplanung zur Topologie finden Sie in unserem Ilias-Kurs. Er wird regelmäßig aktualisiert... Bitte halten Sie sich auf dem Laufenden!

Rückmeldungen? Ich freue mich über Ihre Kommentare und Anregungen! Bitte lassen Sie mich wissen, wie Ihnen die Veranstaltung gefällt, wie Sie mit dem Stoff zurecht kommen, und was sich verbessern lässt. Es ist Ihr Studium! > Umfrage der Fachgruppe/Stuvus (pdf)

Als Herr K. hörte, daß er von früheren Schülern gelobt wurde,
sagte er: "Nachdem die Schüler schon längst die Fehler des Meisters
vergessen haben, erinnert er selbst sich noch immer daran."

Bertolt Brecht (1898–1956), Herr K. und das Lob

Aktuelles zur Topologie

Das Semester ist beendet, die Messe ist gelesen, gehet hin in Frieden. Möge die Mathematik mit Euch sein! Diese Seite wird nicht mehr regelmäßig aktualisiert; sie wird aber noch längere Zeit zugänglich bleiben, um als Archiv zu dienen. Zur Übersicht: aktuelle und vergangene Lehrveranstaltungen

Klausur vom Mittwoch, den 09.09.2020, von 8 bis 10 Uhr im Hörsaal V47.02: Klausurtext, Lösungen. Es waren keine Hilfsmittel zugelassen. Die Klausur ist bereits korrigiert und höchst erfreulich ausgefallen. Ihr Ergebnis finden Sie in C@mpus. Zur Klausureinsicht melden Sie sich bitte bei Frau Stoll.

We choose to study Topology this very semester,
not because it is easy, but because it is hard,
because that goal will serve to organize and
measure the best of our energies and skills.

frei nach John F. Kennedy (1917–1963)

Stundenplan

Zur Erinnerung an die gute alte Zeit vor Corona... und als Hoffnung auf bessere Zeiten:

Vorlesung Di 11:30-13:00 V 57.06
Do 15:45-17:15 V 57.06
Übung 1 Mi 14:00-15:30 V57-7.331
Übung 2 Mi 15:45-17:15 V57-7.530

Vorlesung Topologie im Sondersemester 2020

Auf dieser Seite finden Sie: Als Aperitif ein paar geometrische Anwendungen der Topologie mit einem kurzen Überblick zur Einleitung und Motivation. Ein paar Worte zur Zielsetzung und Literatur, zur Organisation der Vorlesung und der Übungen, sowie Themen und Termine. Schließlich meine Notizen zur Topologie als Angebot zum Nachlesen.

In den letzten Jahren hat diese Vorlesung dem Team und den meisten Teilnehmer:innen viel Freude bereitet, sie wurde sogar mehrfach mit Preisen ausgezeichnet:

Kleinsche Tasche weiß   Kleinsche Tasche schwarz
Diese weltweit einzigartige Kleinsche Tasche wurde von Friederike Stoll handgestrickt, vom globalen Plan bis zum liebevollen Detail, eine sensationelle Hand- und Kopfarbeit! Die Tasche ist innen weiß und außen schwarz. Zudem sind Innen und Außen dasselbe. Also ist Schwarz gleich Weiß. (Glauben Sie nicht alles, was Sie im Internet lesen, sondern prüfen Sie alles sorgfältig und achten Sie auf Zebrastreifen!)

Has he lost his mind? / Can he see or is he blind?
Can he walk at all, / Or if he moves will he fall?
Is he alive or dead? / Has he thoughts within his head?
We'll just pass him there. / Why should we even care?

Black Sabbath, Iron Man

Aperitif – ein Vorgeschmack auf die Topologie

Topology should not be viewed as an advanced subject
whose theorems and concepts should be avoided until graduate school.
Rather it is the study of continuity, and thus underlies the most basic geometric results.

Daniel Henry Gottlieb

Was ist Topologie? Ein bekannter Scherz lautet: In der Topologie unterscheidet man nicht zwischen einer Kaffeetasse und einem Doughnut. — Wenn Sie hierüber schmunzeln können, dann sind Sie hier richtig. Andernfalls lesen Sie besser hier weiter.

Topologie ist qualitative Geometrie, vollkommen konkret und zugleich wunderbar abstrakt. Sie untersucht grundlegende Konzepte wie Konvergenz und Stetigkeit, Kompaktheit und Zusammenhang, Simplizialkomplexe und Mannigfaltigkeiten, lokale und globale Eigenschaften, Homöomorphismen und Invarianten, Fundamentalgruppen und Überlagerungen, Fixpunktsätze und vieles mehr. Dank Allgemeinheit werden topologische Begriffe und Methoden nahezu überall angewendet, von Geometrie bis Physik, von Algebra bis Spieltheorie. Die Vorlesung vermittelt hierzu die notwendigen Grundlagen und erste Ein- und Ausblicke.

Hat Topologie auch Anwendungen?

Physik-Nobelpreis 2016 für topologische Phasen und Phasenübergänge

Nachrichtenmeldung vom 04.10.2016: Der Nobelpreis 2016 für Physik ging an die Quantenphysiker Thouless, Haldane und Kosterlitz für die Erforschung exotischer Materiezustände, insbesondere topologischer Phasen und Phasenübergänge.

Die Topologie ist eine Entwicklung des 20. Jahrhunderts und damit ein recht junger Zweig der Mathematik; sie untersucht die abstrakte Form geometrischer Objekte, zum Beispiel Flächen oder allgemein Mannigfaltigkeiten. Abstrakt bedeutet wie immer nicht nur allgemein und theoretisch, sondern vor allem vielseitig anwendbar: erstaunlicherweise sogar in der Quantenphysik, dereinst vielleicht sogar in Quantencomputern. Nach jedem hochrangigen Preis wie dem Physik-Nobelpreis 2016 oder der Poincaré-Vermutung taugt die Topologie sogar als Partythema, je nach Party, zumindest für ein paar Wochen. Wer's genauer wissen will, dem bietet die folgende Vorlesung eine Einführung in die Topologie.

Die Skulptur Rubato von Eva Hild
Dieses Photo zeigt die Skulptur Rubato von Eva Hild. Welche Fläche ist das?
Die Klassifikation der kompakten Flächen gibt vollständige Auskunft:
Randkomponenten? Geschlecht? Orientierbarkeit?
Zur Hilfestellung hier ein Video.

Warnhinweise und Nebenwirkungen

Abstraktion ist eine starke Droge, doch wohldosiert erlaubt sie phantastische Anwendungserfolge. Eine Unterdosierung verlängert das Leiden an undurchsichtigen Beispielen und kann Stumpfsinn verursachen. Eine Überdosierung hingegen kann zu Schwindelgefühl und Realitätsverlust führen. Bei Zweifeln sprechen Sie bitte mit Ihren Dozenten, Assistenten oder Tutoren — oder einem Topologen ihres Vertrauens.

Den Lesern wird im Folgenden die Bereitschaft abverlangt, altgewohnte Denkmuster aufzugeben und sich unvoreingenommen mit topologischen Fragen zu befassen. Eine Traumatisierung zartbesaiteter Leser kann nicht ausgeschlossen werden!

Zur Erheiterung und als Vorgeschmack will ich hier kurz ein paar anschauliche Anwendungen der Topologie vorstellen. Es gibt, wie für jede erfolgreiche Theorie, unzählige weitere Anwendungen, aber ich wähle hier nur wenige aus, die eine besonders hübsche Einkleidung erlauben und darunter den technischen Apparat zu verstecken vermögen. Ihre Darstellung mag daher scherzhaft sein, doch der mathematische Kern ist durchaus ernsthaft. Für besonders Mutige gibt's auf Klick weitere Erläuterungen.

[Kaffee]

Wie Luitzen Brouwer seinen Kaffee umrührt

Können Sie eine Tasse Kaffee so gründlich umrühren, dass kein Punkt bleibt wo er war? Natürlich soll dabei der Kaffee in der Tasse bleiben und die Tasse am selben Ort... Also, geht das?

[Marmorkuchen]

Wie Karol Borsuk und Stanislaw Ulam sich ein Stück Marmorkuchen teilen

Jedes Stück Kuchen kann man durch einen geraden senkrechten Schnitt in zwei gleich große Teile zerlegen.

Was aber, wenn es sich um einen Marmorkuchen handelt, und in beiden Teilen auch noch gleich viel Schokolade sein soll? Geht das auch mit einem geraden senkrechten Schnitt?

Was bedeutet die Dimension?

Bei Kaffee und Kuchen philosophieren vier Mathematiker (ein Algebraiker, ein Differentialgeometer, ein Topologe und ein Mengentheoretiker) über den Begriff der Dimension: Unter welchen Bedingungen sind die Räume \(\R^m\) und \(\R^n\) isomorph?

  1. Linear vermöge eines \(\R\)-Vektorraumisomorphismus?
  2. Differenzierbar vermöge eines Diffeomorphismus?
  3. Topologisch vermöge eines Homöomorphismus?
  4. Als bloße Mengen vermöge einer Bijektion?

Wie lautet jeweils die Antwort? Und wie beweist man sie?

[Michelangelo]

[Igel] [Erde]

Der Satz vom gekämmten Igel

Kann man einen Igel wirbelfrei kämmen? (Klarstellung: In dieser Vorlesung kommen weder Personen noch Tiere zu Schaden!)

Herrscht jederzeit an mindestens einem Ort der Erde Windstille? (Inwiefern hängt die Antwort von der Form der Erde ab?)

[donut]

Klassifikation der kompakten Flächen

Die Kugeloberfläche hat Geschlecht 0 (kein Loch), hingegen hat die Oberfläche eines Doughnuts Geschlecht 1 (ein Loch). Sind sie deshalb verschieden? Was bedeutet das genau und wie beweist man es?

Ebenso wie der Doughnut hat auch die Oberfläche einer Kaffeetasse Geschlecht 1 (durch den Henkel). Sind beide Oberflächen allein deshalb schon topologisch gleich? Ober brauchen wir hierzu noch genauere Informationen?

Die Klassifikation der Flächen ist einer der Höhepunkte der Vorlesung. Die anschauliche Bedeutung ist leicht zu verstehen, ihre präzise Formulierung fordert und fördert unser topologisches Vokabular, und die Ausführung des Beweises mobilisiert nahezu alle Techniken dieser Vorlesung.

[Kleinsche Flasche] [Kleinsche Flasche]

Darauf sollte man anstoßen – mit einem edlen Tropfen aus der Kleinschen Flasche!

Es handelt sich bei diesem wundersamen Wesen um eine geschlossene, nicht-orientierbare Fläche. Sie besitzt nur eine einzige Seite, so dass innen und außen gleich sind!

Flächen mit nur einer Seite? Diese verblüffende Eigenschaft kennen Sie sicherlich vom Möbius-Band, das aus Papier leicht herzustellen ist. Wenn Sie genau hinschauen, entdecken Sie das Möbius-Band als Teil der Kleinschen Flasche. Genauer: Die Kleinsche Flasche entsteht aus zwei Möbius-Bändern durch Verkleben längs der Ränder. Die Einbettung eines Möbius-Bandes in eine Fläche ist äquivalent zur Nicht-Orientierbarkeit.

Das Möbius-Band findet tatsächlich praktische Anwendung: Flachriemen kann man als Möbius-Band herstellen, damit sich „beide Seiten” des Bandes gleichmäßig abnutzen.

Möbius Band [Gebrauchsmuster Möbius-Band]

Slapenarski had knelt beside the limb body and was twisting the arms and legs into fantastic knots.
He was, in fact, folding the Wisconsin topologist as he had folded his piece of paper! Suddenly
there was a small explosion, like the backfire of a car, and under the Polish mathematician's
hands lay the collapsed clothing of Dr. Simpson. Simpson had become a nonlateral surface.

Martin Gardner, No-sided Professor

Freiheit für alle Gruppen –
Nieder mit den Relationen!

[Cayley-Graph]

Der Satz von Nielsen-Schreier besagt, dass in einer freien Gruppe jede Untergruppe frei ist. (Das ist keine politische Aussage, sondern eine mathematische.) Den Beweis kann man rein algebraisch führen, er mündet dann aber leicht in einer heillosen Rechnerei. Man kann den Beweis auch topologisch führen, indem man freie Gruppen als Fundamentalgruppen von Graphen darstellt – und alles löst sich in Wohlgefallen auf. In der Vorlesung wird dies eine schöne Anwendung der Überlagerungstheorie sein. Der Graph rechts zeigt einen unendlichen Baum: Dies ist der Cayley-Graph der freien Gruppe auf zwei Erzeugern \(a\) und \(b\), geschrieben \(F_2 = \langle a,b \mid - \rangle\). Er ist zudem ein einfaches Fraktal.

Einleitung und Motivation

Die Topologie (griechisch τόπος [tópos] ‚Ort’ und λόγος [lógos] ‚Lehre’) ist wörtlich übersetzt die „Lehre vom Ort” und handelt von der Form und gegenseitigen Lage geometrischer Objekte, wie etwa Kurven und Flächen im Raum. Die obigen Beispiele illustrieren einige geometrische Fragestellungen und erste erfolgreiche Anwendungen.

Dank ihrer vielseitig einsetzbaren Begriffe und Methoden ist die Topologie neben Analysis und Algebra eine der Grundstrukturen der modernen Mathematik und liefert Werkzeuge, um eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Phänomene zu behandeln. Sie untersucht grundlegende Konzepte wie Konvergenz und Stetigkeit, offene und abgeschlossene Mengen, Zusammenhang und Kompaktheit, lokale vs globale Eigenschaften, Fundamentalgruppen und Überlagerungen, usw. Hierdurch steht sie in enger Wechselwirkung mit der Analysis, der Geometrie und der Algebra. Die Vorlesung vermittelt hierzu die notwendigen Grundlagen.

In Einstein's general relativity
the structure of space can change but not its topology.
Topology is the property of something that doesn't change
when you bend it or stretch it as long as you don't break anything.

Edward Witten

Als mathematische Disziplin ist die Topologie eine Schöpfung des 20. Jahrhunderts – und damit relativ jung. Sie wurde schnell zum mathematischen Grundwissen, vor allem Dank ihrer spektakulären Erfolge in vielfältigen Anwendungen und Verzweigungen (analytische, geometrische, algebraische Topologie...).

Was ist analytische Topologie?

In der Analysis verwendet man eine Norm oder Metrik zum Messen von Abständen und gewinnt daraus die überaus wichtigen Begriffe der Konvergenz von Folgen und Stetigkeit von Abbildungen. Für viele Begriffsbildungen braucht man aber gar keine Metrik: Es genügt, die offenen Mengen zu kennen. So abstrahiert man von metrischen zu topologischen Räumen, die oft flexibler und bequemer zu handhaben sind. Der erste, „mengentheoretische” Teil der Vorlesung widmet sich grundlegenden Konstruktionen, wie Produkten und Quotienten, sowie Eigenschaften topologischer Räume, wie Kompaktheit und Zusammenhang.

Point set topology is a disease from which the human race will soon recover.
Henri Poincaré (1854–1912)

Was ist geometrische Topologie?

Je nach Anwendung interessiert man sich für spezielle, besonders schöne topologische Räume, wie zum Beispiel Mannigfaltigkeiten oder Simplizialkomplexe. Dies sind topologische Räume mit zusätzlichen „geometrischen” Strukturen, die maßgeschneiderte Techniken erlauben und erfordern. In dieser Vorlesung werden wir uns der Einfachheit halber zumeist auf simpliziale Komplexe konzentrieren. Als wichtige Anwendung werde ich den Klassifikationssatz für (triangulierte) Flächen beweisen. Des weiteren möchte ich den Abbildungsgrad von Sphären behandeln, der eine erstaunliche Vielfalt von Anwendungen eröffnet. Dies klärt insbesondere die Topologie der euklidischen Räume \(\R^n\), die besonders übersichtlich sind und daher als Modell universell eingesetzt werden und uns besonders am Herzen liegen.

A child's first geometrical discoveries are topological. —
If you ask him to copy a square or a triangle, he draws a closed circle.

Jean Piaget (1896–1980)

Was ist algebraische Topologie?

Die algebraische Topologie untersucht topologische Räume und stetige Abbildungen mit algebraischen Hilfsmitteln. Den Räumen werden Gruppen zugeordnet (oder andere algebraische Strukturen) und den Abbildungen werden Homomorphismen zugeordnet. So entsteht ein algebraisches Abbild des ursprünglich topologischen Sachverhalts. Oft ist das algebraische Abbild leichter zu verstehen und erlaubt so eine Lösung des topologischen Problems. In günstigen Fällen funktioniert die Übersetzung auch umgekehrt, und die Topologie erleuchtet die Algebra. Mit dem allgegenwärtigen Begriff der Fundamentalgruppe und dem dualen Konzept der Überlagerung beschäftigt sich der dritte Teil der Vorlesung.

In these days the angel of topology and the devil of abstract algebra
fight for the soul of every individual discipline of mathematics.

Hermann Weyl (1885–1955)

Zielsetzung der Vorlesung

Die Vorlesung soll die Grundlagen der Topologie vermitteln. Ziel sind dabei – wie immer – zwei komplementäre Kompetenzen: das Verständnis sowohl konkreter Anwendungen als auch der allgemeinen Theorie. Das eine ist ohne das andere kaum denkbar.

Es gibt nichts Praktischeres
als eine gute Theorie.

Immanuel Kant (1724–1804)

Topologische Begriffe, Methoden und Ergebnisse werden in vielen Gebieten der Mathematik verwendet, zum Beispiel der Analysis, insbesondere der Funktionalanalysis, der Geometrie, insbesondere der Differentialgeometrie, und der Algebra. Diese Vorlesung erarbeitet hierzu die nötigen Grundlagen und Werkzeuge und führt zu Vertiefungen hin, insbesondere der algebraischen Topologie, der Differentialtopologie und Differentialgeometrie, der geometrischen Topologie und Knotentheorie.

People cry, people moan
Look for a dry place to call their home
Try to find some place to rest their bones
While the angels and the devils try to make them their own

Nirvana, Lake of Fire

Einführende Literatur

Es gibt viele gute Lehrbücher zur Topologie, viele davon sind auch online verfügbar. Je nach Ausrichtung behandeln sie mehr analytische oder mehr algebraische Topologie. Die folgenden Lehrbücher unterscheiden sich in Ausrichtung und Stil, sind aber allesamt empfehlenswert:

Spezialisiertere Lehrwerke zur analytischen Topologie:

Weiterführende Lehrwerke zur algebraischen Topologie und ihren geometrischen Anwendungen:

Es gibt auch hervorragende Bücher und gute Skripte, die online frei erhältlich sind:

Why waste time learning,
when ignorance is instantaneous?

Hobbes (1985–1995)

Organisation der Vorlesung

Voraussetzungen

Inhaltliche Voraussetzung sind die Grundvorlesungen Analysis und lineare Algebra: Hieraus stammen viele Beispiele, Begriffe und Fragen der Topologie, und wir werden vielfach ihre omnipräsenten Methoden verwenden. Notwendig ist insbesondere eine genaue Kenntnis der topologischen Grundbegriffe der Analysis (Metrik, Konvergenz, Stetigkeit, offene und abgeschlossene Mengen, etc.), denn diese werden in der Topologie verallgemeinert und allerorten verwendet. Abstrahieren heißt nicht ignorieren!

Allgemeine Voraussetzung: Jede ernsthafte Beschäftigung mit Wissenschaft erfordert zunächst einmal Interesse, Neugier und Offenheit für Probleme und sodann Kreativität, Sorgfalt und Hartnäckigkeit bei deren Lösung. Wie in allen fortgeschrittenen Veranstaltungen der Mathematik ist die Beherrschung grundlegender Arbeitsweisen (mathematische Sprache, Logik, Beweistechniken, ...) und Begriffsbildungen (Mengen, Abbildungen, ...) unabdingbare Voraussetzung.

Half the money I spend on advertising is wasted;
the trouble is I don't know which half.

John Wanamaker (1838–1922)

Arbeitsaufwand

Dieses Semester verläuft anders als gewünscht und gewohnt, und wir erweitern unsere Erfahrungen der letzten Jahre um neue Herausforderungen und Lösungen. Ich rechne vorläufig noch in Präsenzstunden, auch wenn diese virtuell stattfinden. Die Grundgesetze des aktiven Lernens bleiben bestehen. Ich erörtere daher nochmals eine Selbstverständlichkeit, die immer wieder Erstaunen auslöst.

Dieser Kurs wird mit 9 Leistungspunkten (also 270 Arbeitsstunden) veranschlagt:

Die Bemessung der nötigen eigenen Arbeitszeit beruht auf jahrzehntelanger Erfahrung. Individuelle Werte können und werden davon abweichen, nichtsdestotrotz sollen beide Seiten – Lehrende und Lernende – sich ehrlicherweise an dieser Bemessung orientieren. Sie spiegelt eine Grunderfahrung wieder, die sich alle zu Herzen nehmen müssen:

Mathematik lernt man nicht nur durch Zuschauen,
sondern durch eigene Arbeit und regelmäßige Übung!

Die Themen bauen während des Semesters aufeinander auf und sind gut aufeinander abgestimmt. Daher müssen Sie kontinuierlich mitarbeiten, Woche für Woche. Hauruck-Lernen kurz vor der Prüfung ist vollkommen aussichtslos, oft versucht, nie geglückt.

Das Verhältnis 1:2 ist dabei durchaus realistisch: Jede Präsenzstunde erfordert zusätzlich zwei Stunden eigene Arbeit. Das ist keine Übertreibung sondern regelmäßige Erfahrung. Wenn Sie glauben, dass dies auf Sie nicht zutrifft, dann sind Sie entweder ein Genie (erfreulich aber leider selten), oder ein Opfer des Dunning-Kruger-Effekts (unbelehrbar aber leider häufig). Gehen Sie sicher und finden Sie es selbst heraus: Investieren Sie für diese Vorlesung die nötigen 8 Stunden ernsthafte eigene Arbeit pro Woche!

Man kann ein Pferd zum Wasser führen, aber trinken muss es selbst.
Anonyme Weisheit, insbesondere in der universitären Lehre

Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss.
Anonyme Dummheit, insbesondere in der universitären Lehre

Hier wirkt Eisermanns Gesetz des quadratischen Lernens.

Wer nur einen Teil der nötigen Zeit investiert, wird auch nur einen Teil des Inhalts verstehen. So weit, so klar. Der Effekt ist jedoch nicht-linear und deshalb dramatisch spürbar. Lernen und Verstehen beruhen nicht nur auf der Ansammlung einzelner Wissensschnipsel (linear), sondern auf deren Verbindung, auf Analogien, auf Vernetzung (mindestens quadratisch).

In guter Näherung gilt Eisermanns Gesetz des quadratischen Lernens: Wenn Sie nur die Hälfte der Zeit investieren, werden Sie nur ein Viertel verstehen, da Ihnen viele Querverbindungen entgehen. Wenn Sie nur 10% der Zeit investieren, werden Sie nur 1% verstehen, also so gut wie nichts, da alles flüchtig und oberflächlich bleibt. Positiv gesehen: Wenn Sie nur 40% mehr investieren, werden Sie doppelt so viel verstehen. Einige Studierende nutzen das mit Erfolg und Begeisterung. Es wirkt!

Bei einer Vorlesung wie dieser über 14 Wochen und 26 Terminen kommt ein weiterer, ähnlicher Effekt hinzu: Die Themen sind nicht zusammenhangslos und unabhängig, sondern bauen aufeinander auf! Wir benötigen in Woche n die Vorarbeiten der Wochen 1 bis n-1. Es ist bewiesenermaßen ineffizient, das Lernen auf später aufzuschieben. Sehr effizient hingegen ist, dem Flow der Veranstaltung und der Lerngruppe zu folgen und das gemeinsame Arbeiten zu nutzen.

Überall gilt das Gesetz des exponentiellen Vergessens.

Was man nicht richtig lernt und versteht, bleibt nicht hängen und wird schnell vergessen. Auf Dauer helfen nur eigenständige Aneignung und gründliches Verständnis. Das gelingt nur mit intrinsischer Motivation, Fleiß und Disziplin. Die kann Ihnen leider niemand schenken, die müssen Sie selbst entwickeln. Zur Unterstützung bieten wir Ihnen diese Veranstaltung: Vorlesung und Übungen bieten Theorie und Praxis, Erklärung und Training, Verstehen und Können.

Gehen Sie also den ganzen Weg und planen Sie die volle wöchentliche Arbeitszeit fest ein, bereits während des Semesters parallel zur Vorlesung, um kontinuierlich mitzuarbeiten. Nur bei intensiver Vor- und Nachbereitung und regelmäßiger aktiver Mitarbeit werden Ihnen Vorlesung und Übung wirklich etwas nützen. Anders wird es nicht gehen.

Übungen

Die Mathematik ist so schön, so reich, so großzügig!
Es heißt, die Mathematik sei eine eifersüchtige Geliebte.
Das ist sie auch, doch vor allem schön, reich und großzügig.

Bitte tragen Sie sich frühzeitig in C@mpus als Teilnehmer:in ein, damit wir Sie per Email erreichen können! Zur Topologie nutzen wir einen Ilias-Kurs und die digitalen Kommunikationswerkzeuge der Universität Stuttgart. Für Ihre Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Stoll oder mich. Auch Ihre Anregungen nehmen wir gerne entgegen.

Zur Vorlesung werden Übungsgruppen angeboten. Nehmen Sie bitte das Angebot der Übungen gewissenhaft wahr: Bearbeiten Sie Woche für Woche die Vorlesung und die Übungsaufgaben! Diese Selbstverständlichkeit mag Ihnen als lästige Pflicht erscheinen, aber nur dies strukturiert das Semester effizient. Anders wird es nicht gehen.

Übung und Vorlesung sind eng aufeinander abgestimmt. Die Vorlesung erklärt Ihnen die nötigen Begriffe und Techniken. In Übung und Hausaufgaben können / sollen / müssen Sie diese anwenden, verstehen und vertiefen. Anders wird es nicht gehen.

Übungsblätter

Die Übungsblätter werden Ihnen wöchentlich auf Ilias online zur Verfügung gestellt. Die Aufgaben sind schriftlich abzugeben, ebenfalls auf Ilias, und werden von den Tutoren korrigiert.

Abschlussklausur

Die Termine der Modulprüfung werden zentral vom Prüfungsamt organisiert, sie liegen üblicherweise im September/Oktober und Februar/März.

Themen der Vorlesung

Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.
Goethe (1749–1832), Faust

  1. Einleitung und Überblick: Was ist und was soll die Topologie? Das klassische Paradebeispiel: Eulers Polyederformel und die Klassifikation der Flächen.
  2. Analytische Topologie: ca. 14 Vorlesungen
  3. Grundlagen: Aufbau des Zahlensystems \(\N \into \Z \into \Q \into \R \into \C\), algebraische Grundstrukturen, reelle und komplexe Zahlen.
  4. Metrische Räume und Vollständigkeit: Euklidische/normierte/metrische Räume, offene und abgeschlossene Mengen, Umgebungen, Konvergenz von Folgen, Stetigkeit von Abbildungen, topologische Äquivalenz von Metriken, Beispiele.
  5. Topologische Räume: Topologische Räume und stetige Abbildungen, topologische Grundbegriffe, Basen und Erzeugung von Topologien, Beispiele.
  6. Topologische Konstruktionen: Teilräume, Quotientenräume, Summen, Produkträume, Beispiele, Tietze-Urysohn, Metrisierung.
  7. Kompaktheit: Kompaktheit, Teilräume, Produkte, Satz von Tychonoff, lokale Kompaktheit, Kompaktifizierungen, Beispiele.
  8. Zusammenhang: Zusammenhang und Komponenten, Wegzusammenhang und Wegkomponenten, Funktorialität, Homotopie stetiger Abbildungen, Homotopie-Äquivalenz von Räumen, Homotopie-Kategorie.
  9. Die Sprache der Kategorien: Kategorien, Funktoren, natürliche Transformationen.
  10. Geometrische Topologie: ca. 9 Vorlesungen
  11. Komplexe: Simpliziale Komplexe, Triangulierung topologischer Räume, Euler-Charakteristik, simpliziale Approximation, Anwendungen.
  12. Abbildungsgrad und Topologie des \(\R^n\): Umlaufzahl, Abbildungsgrad, Brouwerscher Fixpunktsatz, Satz vom Igel, Satz von Borsuk-Ulam, Satz von Jordan-Schoenflies, topologische Invarianz der Dimension, des Randes, der Orientierung, des Gebietes.
  13. Klassifikation der Flächen: Mannigfaltigkeiten, projektive Räume, simpliziale Flächen, Polygonmodell, (simpliziale) Klassifikation der kompakten Flächen.
  14. Algebraische Topologie: ca. 9 Vorlesungen
  15. Fundamentalgruppe: Wege und Homotopie, der Funktor \(\pi_1\), Darstellung für offene Mengen \(U \subset \R^n\) und für Simplizialkomplexe, Beispiele, Flächengruppen.
  16. Überlagerungen: Überlagerungen, freie diskontinuierliche Gruppenoperationen, Hochhebungssatz, Galois-Korrespondenz, Satz von Nielsen-Schreier.

The axiomatic method of postulating what we want has many advantages;
they are the same as the advantages of theft over honest toil.

Bertrand Russel (1872–1970), Introduction to Mathematical Philosophy

Vorlesungstermine

Die folgende Terminplanung ist noch vorläufig und wird schrittweise aktualisiert.

Diesmal stehen uns nur 23 Vorlesungstermine zur Verfügung (statt zuvor 29, ehemals 32).
Die Zeit ist knapp, wir müssen sechs Vorlesungen sparen (immerhin ein Fünftel). Das ist schwierig in Anbetracht der ambitionierten Themensetzung, aber auch eine Chance, den Rhythmus der drei Themen weiter auszugleichen. Ich will daher versuchen, die analytische Topologie stark zu straffen. (Geklappt hat das noch nie.) Auch aus Wenig werden wir Schönes und Lehrreiches gestalten. Wir navigieren auf Sicht und lernen Schritt für Schritt.

Ich denke zurück an all meine Jahre. / Nicht an meine Leistung denke ich. Sie ist gering.
Nicht an das Gute, das ich tat. / Es wiegt leicht gegen die Last des Versäumten.

Jörg Zink (1922–2016), Ich werde gerne alt

ursprünglicher Vorlesungsbeginn am 6. April 2020
V-- Di 07 Aprabgesagt
Ü-- Miabgesagt
V-- Do 09 Aprabgesagt
V-- Di 14 Aprabgesagt
Ü-- Miabgesagt
V-- Do 16 Aprabgesagt
verschobener Vorlesungsbeginn am 20. April 2020
V01 Di 21 Apr §A0 Flächen im Raum, explizite Parametrisierungen. §A1 Homöomorphismen, Wegzusammenhang, stereographische Projektion. §A2 Polytope und Isometrien.
Ü01 MiQuiz 1. Blatt 1: Willkommen in der Topologie!
V02 Do 23 Apr§A3 Eulers Polyederformel, polytopale Komplexe, Konstrukion und Eigenschaften des Euler-Maßes. §A4 Flächenmodelle \(F_{g,r}^\pm\), Klassifikationssatz. §A5 Gauß–Bonnet.
V03 Di 28 Apr§B Grundlagen: Aufbau des Zahlensystems. §C1 Skalarprodukte und Normen auf Vektorräumen: \(\K^n\), \(\ell^p\), \(L^p\). §C2 Metrische Räume und ihre Topologie.
Ü02 MiQuiz 2. Blatt 2: Ich glaub’s geht los...
V04 Do 30 Apr§C3 Konvergenz und Stetigkeit, topologisch äquivalente Metriken, stauchen und stutzen. §C4 Vollständigkeit metrischer Räume, Fixpunktsatz von Banach.
V05 Di 05 Mai§D1 Topologische Räume. §D2 Stetige Abbildungen, (lokale) Homöomorphismen. §D3 Umgebungen und Umgebungsbasen, Re/Konstruktion einer Topologie.
Ü03 MiQuiz 3. Blatt 3: Metrische Räume — mit Abstand die beste Distanzlehre!
V06 Do 07 Mai§D4 Anwendung auf Funktionenräume, punktweise / gleichmäßige / kompakte Konvergenz. §D5 Inneres, Abschluss, Rand. Polynome und Matrizen.
V07 Di 12 Mai§D6 Basen und Erzeugendensysteme. Zweitabzählbare und separable Räume. §E1 Initiale und finale Topologie. Teilräume und Einbettungen. Das Verklebelemma.
Ü04 MiQuiz 4. Blatt 4: Jetzt wird's abstrakt, endlich!
V08 Do 14 Mai§E2 Quotientenräume und Identifizierungen. Die kanonische Faktorisierung. Universelle Überlagerung von \(\S^1\), Zusammenschlagen, Bouquet, Blätterungen.
V09 Di 19 Mai§E3 Summen topologischer Räume. §E4 Produkte topologischer Räume. §E5 Trennungsaxiome, Fortsetzungssatz von Tietze, Metrisierungssatz von Urysohn.
Ü05 MiQuiz 5. Blatt 5: Topologische Grunzbegriffe
V-- Do 20 MaiHimmelfahrt
V10 Di 26 Mai§F Kompaktheit. §F1 Kompakte Intervalle, stetige Bilder, Kompakt-Hausdorff-Kriterium, endliche Produkte, Heine-Borel, Tychonoff für beliebige Produkte.
Ü06 MiQuiz 6. Blatt 6: Topologische Seifenoper: Verbindung, Trennung, Fortsetzung
V11 Do 28 Mai§F2 Anwendungen. \(\D^n /\!/ \S^{n-1} \cong \S^n\), konvex & kompakt \(\cong \D^k\), offen & sternförmig \(\cong \R^n\), Normen auf \(\R^n\) und \(\Q^2\). §F3 Kompakte metrische Räume.
V-- Di 02 JunBergfest! Die parallelen Klausurwochen haben viel Zeit und Kraft gekostet.
Auf Anregung der Studierenden: Zeit zum Aufholen und zum Wiederholen!
Ü07 MiQuiz 7. Blatt 7:
V-- Do 04 JunBergfest! Die parallelen Klausurwochen haben viel Zeit und Kraft gekostet.
Auf Anregung der Studierenden: Zeit zum Aufholen und zum Wiederholen!
V12 Di 09 Jun §F4 Lokale Kompaktheit. §F5 Kompaktifizierung, Alexandroff, Beispiele. §F6 Eigentliche Abbildungen, Beispiele. §G1 Zusammenhang, Eigenschaften.
Ü08 MiQuiz 8. Blatt 8:
V13 Do 11 Jun§G2 Wegzusammenhang, \(\R\not\cong\R^2\), Wegkomponenten \(\pi_0(X)\), Funktorialität, \(\pi_0\GL_n\R\) und \(\pi_0\GL_n\C\). §G3 Lokaler (Weg)Zusammenhang, Beispiele.
V14 Di 16 Jun§G4 Homotopie \(f \simeq g\), Homotopie-Kategorie \([X,Y]\), Homotopie-Äquivalenz \(X \simeq Y\), Beispiele. §G5 Deformationsretrakte, starke, Gram-Schmidt.
Ü09 MiQuiz 9. Blatt 9
V15 Do 18 Jun§H1 Kategorien. §H2 Kommutative Diagramme. §H3 Universelle Objekte: initial, terminal, Produkt, Summe. §H4 Funktoren. §H5 Natürliche Transformationen.
V16 Di 23 Jun§I1 Affine Simplizialkomplexe, Topologie. §I2 Kombinatorische und abstrakte SKomplexe, Metrik.
Ü10 MiQuiz 10. Blatt 10:
V17 Do 25 Jun§I3 Triangulierung, Sphäre \(\S^2\) und \(\R\P^2\), Ebene und Torus, Unterteilung. §I4 Simpliziale Approximation, Anwendung \([\S^m,\S^n] = \{*\}\) für \(0 \le m < n\)
V18 Di 30 Jun§J1 Polygonale Wege und Homotopien, Umlaufzahl als Winkelsumme, Achsübergänge, Homotopie-Klassifikation. Fundamentalsatz der Algebra.
Ü11 MiQuiz 11. Blatt 11:
V19 Do 02 Jul§J2 Sätze von Jordan und Schoenflies (polygonal). §J3 Abbildungsgrad: Axiome, Folgerungen. §J4 Der Brouwersche Fixpunktsatz. §J5 Satz vom Igel.
V20 Di 07 Jul §J6 Satz von Borsuk-Ulam, Anwendungen, Schinken-Käse-Brot etc. §J7 Invarianz der Dimension, des Randes, des Gebietes, Definition der Orientierung.
Ü12 MiQuiz 12. Blatt 12:
V21 Do 09 Jul§K1 Mannigfaltigkeiten, Karten, Atlas und Kartenwechsel, Dimension, Rand, Orientierung: topologisch, glatt, trianguliert. Klassifikation der Kurven.
V22 Di 14 Jul§K2 Projektive Räume, Konstruktion, Eigenschaften, kanonischer Atlas, kleinste Beispiele \(\R\P^1 \cong \S^1\), \(\C\P^1 \cong \S^2\), \(\SO_3\R \cong \R\P^3\).
Ü13 MiQuiz 13. Blatt 13:
V23 Do 16 Jul§K3 Simpliziale Flächen, Eigenschaften, Heawood-Ungleichung, Flächenwörter, Flächenkalkül durch Schneiden und Kleben, Klassifikationssatz.
Vorlesungsende am 17. Juli 2020
???Abschlussklausur

Zu guter Letzt

Auch wenn die Topologie eine sehr junge Wissenschaft ist, so spielen topologische Beobachtungen und Anwendungen schon seit der Antike eine gewisse Rolle. Das Labyrinth von Minos zum Beispiel erinnert jeden topologisch geschulten Leser an die Fundamentalgruppe und die universelle Überlagerung:

Ariadne gab Theseus ein Knäuel Faden, dessen Ende er am Eingange des Labyrinthes festknüpfte und den er während des Hinschreitens durch die verwirrenden Irrgänge in der Hand ablaufen lassen sollte, bis er an die Stelle gelangt wäre, wo der Minotauros seine Wache hielt. Theseus ward mit seinen Gefährten in das Labyrinth geschickt, erlegte den Minotauros und wand sich mit Hilfe des abgespulten Zwirns aus den Höhlengängen des Labyrinthes glücklich heraus.
Aus dem Theseus-Mythos

Die folgende Abbildung zeigt eine polygonale Kurve \(C \subset \R^2\). Sie ist einfach geschlossen, somit homöomorph zur Kreislinie \(\S^1\); wir nennen dies eine Jordan-Kurve. Sie prüfen dies leicht nach, indem Sie die gesamte Kurve geduldig mit einem Stift abfahren. Können Sie \(a\) mit \(b\) durch einen Weg im Komplement \(\R^2 \setminus C\) verbinden? und \(a\) mit \(c\)? und \(b\) mit \(c\)? Wie können Sie das effizient feststellen bzw. Ihre Antwort leicht nachprüfbar zertifizieren? Können Sie \(a,b,c\) verbinden, nachdem Sie irgendein kleines Wandstück entfernen?

[Labyrinth]

Der Satz von Jordan besagt: Jede Jordan-Kurve \(C \subset \R^2\) zerlegt die Ebene in genau zwei Gebiete: \(\R^2 \setminus C = A \sqcup B\) mit \(A,B\) offen und zusammenhängend, \(A\) unbeschränkt und \(B\) beschränkt. Zudem ist jeder Punkt von \(C\) zugleich Randpunkt von \(A\) und Randpunkt von \(B\). Dies wird augenfällig, wenn wir beide Gebiete einfärben: Fahren Sie mit dem Mauszeiger über die Abbildung! Genauer: Nach Wahl einer beliebigen Parametrisierung \(f \colon \S^1 \isoto C\) erhalten wir die Bijektion \(\pi_0(\R^2 \setminus C) = \{A,B\} \isoto \{0,1\}\) durch die Umlaufzahl \(x \mapsto \deg(f - x) \bmod 2\). Jeder innere Punkt \(b \in B\) (gelb) wird von \(f\) genau einmal umlaufen, jeder äußere Punkt \(a \in A\) wird nicht umlaufen. Dieser Algorithmus löst die obigen Fragen! Es ist ein erstes schönes Beispiel zur Poincaré-Dualität.

Wem die Topologie allzu abstrakt erscheint, den möge John von Neumann trösten:

If people do not believe that mathematics is simple,
it is only because they do not realize how complicated life is.

John von Neumann (1903–1957)

Zur Illustration zitiere ich eine seltene topologische Zwangshandlung:

Heinz (29 Jahre alt): Ich ziehe so eine Art unsichtbare Linie hinter mir her, und ich habe den Zwang, diese Linie gerade hinter mir herlaufen zu lassen. Die darf nicht verwurstelt sein. Zum Beispiel kann ich kein Karussell fahren, weil ich mich nicht zurückdrehen kann. (...) Und dann habe ich einmal probiert, um eine Litfaßsäule herumzugehen – und schon hatte ich den Salat. Die Linie war verwickelt. Also musste ich zurückgehen. (...) Wenn ich zum Beispiel zur Arbeit fahre, morgens, dann versuche ich abends exakt denselben Weg zurückzufahren, um die Linie wieder aufzusammeln.
Aus Jürgen Domian, Extreme Leben (1996)

Ob diese Zwangsvorstellung durch den Besuch einer Topologie-Vorlesung oder das Selbststudium der Fundamentalgruppe ausgelöst wurde, ist nicht bekannt.