Michael Eisermann

`Can you do Addition?' the White Queen asked.
`What's one and one and one and one and one
and one and one and one and one and one?'
`I don't know,' said Alice. `I lost count.'

Lewis Carroll (1832–1898), Through the Looking Glass

Aufbau des Zahlensystems

Proseminar im Sommersemester 2010.

Proseminar Mo 14:00 - 15:30 Raum V57-8.333

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Ich möchte auch auf die im selben Semester stattfindende Vorlesung über Algebra hinweisen, die das algebraische Grundthema aufgreift und fortführt.

Aktuelles

Diese Seite wird nicht mehr regelmäßig aktualisiert; sie wird aber noch längere Zeit zugänglich bleiben, um als Archiv zu dienen. Zur Übersicht: aktuelle und vergangene Lehrveranstaltungen

Einleitung und Motivation

`Can you do Subtraction? Take nine from eight.'
`Nine from eight I can't, you know,'
Alice replied very readily

Das traditionelle Zahlensystem ist die Grundlage aller Mathematik. Dieses Proseminar beschäftigt sich mit eben diesen Grundlagen, die jeder Mathematikstudent einmal gehört oder gelesen oder besser noch selbst erarbeitet haben sollte.

Wir vollziehen hierzu den üblichen Aufbau des Zahlensystems von den natürlichen Zahlen über ganze, rationale und reelle bis zu den komplexen Zahlen. Bei diesem stufenweisen Aufbau wird jeder Schritt durch Probleme motiviert, die sich auf der vorherigen Stufe formulieren aber nicht lösen lassen. Das Zahlensystem der nächsten Stufe wird mit Hilfe mengentheoretischer Operationen als Erweiterung des vorhandenen Systems so konstruiert, dass die Ausgangsprobleme lösbar werden.

[Zahlensystem]

Die komplexen Zahlen bilden in gewisser Weise den krönenden Abschluss dieser Erweiterungen. Für sie gilt der (von Gauss so genannte) Hauptsatz der Algebra: Jedes komplexe Polynom vom Grad n hat n komplexe Nullstellen. Seit Gauß' Dissertation 1799 wurden zahlreiche Beweise des Hauptsatzes der Algebra entwickelt, wahlweise mit Hilfsmitteln der Analysis, der Algebra oder der Topologie. Im zweiten Teil des Proseminars kann eine Auswahl dieser Beweise vorgestellt werden.

Über die komplexen Zahlen hinaus kann man noch hyperkomplexe Zahlen konstruieren, das heißt gewisse Algebren über den rellen Zahlen, für die man jedoch manche Körperaxiome aufgeben muss. Wir werden uns hier auf die Hamiltonschen Quaternionen beschränken. (Je nach Interesse der Teilnehmer sind Vertiefungen und Erweiterungen möglich, das schöne Buch von Ebbinghaus et al. gibt hierzu Anregungen.)

Zielsetzung und Vorkenntnisse

Ziel dieses Proseminars ist es, den Aufbau des Zahlensystem in angemessener Ausführlichkeit zu erarbeiten. Dies wird in den Grundvorlesungen oft nur skizziert; dieses Proseminar bietet die Gelegenheit dem nachzugehen.

Das Proseminar ist für Studierende im Lehramts- und im Bachelorstudiengang gleichermaßen geeignet. Die vorgeschlagenen Themen sind, der Zielsetzung eines Proseminars entsprechend, auf das zweite Studienjahr abgestimmt.

Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht,
alles andere ist Menschenwerk.

Leopold Kronecker (1823-1891)

Hinweise zur Vorbereitung

Generell gilt: Nehmen Sie die Vorbereitung ernst und den Vortrag locker!
(Umgekehrt funktioniert es aller Erfahrung nach schlecht.)

Zielsetzung

Ein Seminarvortrag hat zwei verschiedene, sich ergänzende Ziele:

  1. Zum einen sollen Sie als Vortragende etwas lernen, indem Sie sich Ihr Thema gründlich aneignen.
  2. Zum anderen sollen die anderen Seminarteilnehmer von Ihnen lernen, indem Sie Ihr erworbenes Wissen in gut verständlicher Form weitergeben.

Der Erwerb eines Scheins gehört dagegen nicht zu den Zielen eines Vortrages sondern ist allenfalls ein Nebeneffekt. Nehmen Sie sich das bitte zu Herzen, besonders dann, wenn der Scheinerwerb tatsächlich Ihre wesentliche Motivation sein sollte.

Gemäß den obigen Zielen findet die Vorbereitung auf zwei Ebenen statt:

  1. Inhaltliche Vorbereitung: Einen guten Vortrag kann man nur halten, wenn man verstanden hat, wovon man spricht. Daher ist eine gründliche inhaltliche Vorbereitung eine unabdingbare Voraussetzung für jeden Vortrag. Diese geht weit über das strikte Minimum des eigentlichen Vortrag hinaus.
  2. Vortragsvorbereitung: Wenn Sie mit Ihrem Thema vertraut sind, geht die inhaltliche Vorbereitung allmählich über in die Gestaltung des Vortrags. Dazu müssen Sie aus Ihrem inzwischen reichhaltigen Wissen sorgfältig einen kleinen, relevanten Teil auswählen und zu einem Vortrag verdichten.

Es ist wichtig, diese Ebenen zu verstehen und zu unterscheiden. Nur einen kleinen Teil von dem, was Sie in der inhaltlichen Vorbereitung erlernt haben, werden Sie an der Tafel erklären können. Dennoch ist Ihr Hintergrundwissen wesentlich, schon im Vorfeld um den Vortrag mit Überblick gestalten zu können, dann um im Falle von Rückfragen Details erläutern zu können, oder um passende Beispiele zur Hand zu haben, etc.

Zeitplanung

Bereiten Sie Ihren Vortrag rechtzeitig vor. Wenn Sie erst zwei Wochen vor Ihrem Vortragstermin beginnen, dann ist das nicht rechtzeitig.

Zwei Wochen vor dem Termin soll Ihr Vortrag inhaltlich fertig sein und ein Konzept vorliegen. Kommen Sie dann (spätestens) in meine Sprechstunde oder machen Sie ein Treffen mit mir aus, damit Sie Ihr Konzept diskutieren und Fragen stellen können.

Jetzt ist auch der richtige Zeitpunkt für einen Probevortrag vor Freunden.

Sie können eine Woche vor Ihrem Vortrag gerne noch einmal vorbeikommen, um letzte Fragen zu klären. Wenn Sie allerdings in der letzten Woche zum ersten Mal auftauchen, dann ist es erfahrungsgemäß zu spät für eventuell notwendige Änderungen.

Nehmen Sie sich zuvor etwa vier Wochen für die inhaltliche Einarbeitung – Es dauert oft doch länger als man denkt, zudem sind Sie auch anderweitig gefordert. Fangen Sie also insgesamt spätestens sechs Wochen vor Ihrem Vortragstermin mit der Arbeit an.

Ratschläge

Wie halte ich einen guten Seminarvortrag? von Prof. Dr. Manfred Lehn.

Zur Erheiterung: Ratschläge für einen schlechten Redner von Kurt Tucholsky.

Literatur

Die Themen des Proseminars folgen dem schönen Buch von Ebbinghaus et al:

[Z]
H.-D. Ebbinghaus et al: Zahlen, Springer 1992.

Ergänzende Literatur zur Mengenlehre:

[Ha]
P. Halmos: Naive Mengenlehre, Vandenhoeck & Ruprecht 1968.
[Eb]
H.-D. Ebbinghaus: Einführung in die Mengenlehre, BI Verlag 1994.
[De]
K. Devlin: The Joy of Sets, Springer 1993.

Ergänzende Literatur zum Hauptsatz der Algebra:

[Wa]
B. van der Waerden: A History of Algebra, Springer 1985.
[R1]
W. Rudin: Principles of mathematical analysis, McGraw-Hill 1976.
[R2]
W. Rudin: Real and complex analysis, McGraw-Hill 1986 (insb. Prologue).
[Jä]
K. Jänich: Funktionentheorie, Springer 2009.
[Mu]
J. Munkres: Topology, Prentice Hall 2000.
[FR]
B. Fine, G. Rosenberger: The Fundamental Theorem of Algebra, Springer 1997.
[Ei]
M. Eisermann: The fundamental theorem of algebra made effective, Preprint 2010.

In der Bibliothek wird ein Präsenzregal zu diesem Proseminar eingerichtet.

... aber ein anderer hat sich meine,
zum Teil langweilige Mühe nicht gemacht.

Edmund Landau (1877–1838), Grundlagen der Analysis (1930)

Mögliche Vortragsthemen und Vertiefungen

Der erste Teil des Proseminars widmet sich dem Aufbau des Zahlensystems. Im zweiten Teil kann dann der Hauptsatz der Algebra in verschiedenen Varianten bewiesen werden.

  1. Mengenlehre 1: Zermelo-Fraenkel Axiome, Relationen, Abbildungen [Ha,Eb,De]
  2. Mengenlehre 2: Auswahlaxiom, Wohlordnungssatz, Zornsches Lemma [Ha,Eb,De]
  3. Natürliche Zahlen: Axiomatik und Konstruktion [Z]
  4. Ganze und rationale Zahlen: Axiomatik und Konstruktion [Z]
  5. Reelle Zahlen 1: Axiomatik, Dedekindsche Schnitte, Fundamentalfolgen [Z]
  6. Reelle Zahlen 2: Intervallschachtelungen, Kompaktheit, Zusammenhang [Z]
  7. Komplexe Zahlen 1: Konstruktion, Geometrie, quadratische Gleichungen [Z]
  8. Komplexe Zahlen 2: Exponentialfunktion, Polarkoordinaten, n-te Wurzeln [Z,R2]
  9. Polynome, Division mit Rest, Anzahl der Nullstellen, Satz von Sturm [Ei]
  10. Hauptsatz: Analytischer Beweis nach Argand-Cauchy [Z,R1]
  11. Hauptsatz: Komplex-analytischer Beweis nach Liouville [Jä]
  12. Hauptsatz: Algebraischer Beweis nach Laplace [Z]
  13. Hauptsatz: Topologischer Beweis mittels Umlaufzahl [Mu,FR]
  14. Hauptsatz: Satz von Cauchy über komplexe Nullstellen [Ei]

Nature does not count nor do integers occur in nature.
Man made them all, integers and all the rest,
Kronecker to the contrary notwithstanding.

Percy William Bridgman (1882-1961)

Termine im SoSe 2010 – vorläufige Planung

Jeder Vortrag dauert 60 Minuten (+ε), anschließend findet eine Besprechung statt.

Die folgende Terminplanung ist noch vorläufig und wird schrittweise aktualisiert.

Vorlesungsbeginn am 19. April 2010
S01Katrin Gall: Axiomatische Mengenlehre 1
S02Nico Stein: Axiomatische Mengenlehre 2
S03Dorothea Leenen: Natürliche Zahlen
S04Barbara Böhm: Ganze und rationale Zahlen
S05Alexander Götz: Reelle Zahlen 1
Vorlesungsfreie Zeit vom 24. Mai bis 28. Mai 2010 (Pfingstwoche)
S06Marco Knierriem: Reelle Zahlen 2
S07Tilman Tempel: Komplexe Zahlen 1
S08Tobias Großmann: Komplexe Zahlen 2
S09Michael Eisermann: Polynomarithmetik und der Satz von Sturm
S10Jan Szameitat: Hauptsatz der Algebra, analytischer Beweis nach Argand-Cauchy
S11Holger Kramer: Hauptsatz der Algebra, topologischer Beweis mittels Umlaufzahl
S12Vortrag entfällt, dafür vorgezogene Diskussionsrunde zur Auswertung
S13Stephan Bernhardt: Hauptsatz der Algebra, algebraischer Beweis nach Laplace
Vorlesungsende am 24. Juli 2010

`I only took the regular course.'
– `What was that?' inquired Alice.
`Reeling and Writhing, of course,
to begin with,' the Mock Turtle replied;
`and then the different branches of Arithmetic —
Ambition, Distraction, Uglification, and Derision.'

Lewis Carroll (1832–1898), Alice's Adventures in Wonderland