Michael Eisermann
C'est par la logique que l'on prouve
et par l'intuition que l'on découvre.
— Mit der Logik beweisen wir,
mit der Intuition entdecken wir.
Henri Poincaré (1854–1912)
Topologie
Vorlesung im Wintersemester 2014/2015. (Veranstaltung 01382, Modul 11810)
- Dozent: Michael Eisermann
- Assistent: Alexander Thumm
-
Tutor: Carsten Dietzel
Vielen Dank an das gesamte Team!
Auf dieser Seite finden Sie:
- Als Aperitif ein paar geometrische Anwendungen der Topologie
- Einen kurzen Überblick zur Einleitung und Motivation
- Ein paar Worte zur Zielsetzung und Literatur
- Organisation der Vorlesung und der Übungen
- Themen der Vorlesung und Vorlesungstermine
Rückmeldungen? Ich freue mich über Ihre Kommentare und Anregungen! Bitte lassen Sie mich wissen, wie Ihnen die Veranstaltung gefällt, wie Sie mit dem Stoff zurecht kommen, und was sich verbessern lässt. > Vorlesungsumfrage (pdf)
Aktuelles
Diese Seite wird nicht mehr regelmäßig aktualisiert; sie wird aber noch längere Zeit zugänglich bleiben, um als Archiv zu dienen. Zur Übersicht: aktuelle und vergangene Lehrveranstaltungen
We will not back down / We are not afraid / Not a drop of doubt
Hand in hand across this land / Our voices shouting out: No Topology!
Bon Jovi, No Topology
Stundenplan
Vorlesung (Michael Eisermann) | Do 14:00-15:30 | V 57.06 |
Fr 11:30-13:00 | V 57.06 | |
Übung 1 (Carsten Dietzel) | Di 11:30-13:00 | Raum 7.331 |
Übung 2 (Carsten Dietzel) | Mi 9:45-11:15 | Raum 7.331 |
Übung 3 (Alexander Thumm) | Do 9:45-11:15 | Raum 2.535 |
Aperitif – ein Vorgeschmack auf die Topologie
Topology should not be viewed as an advanced subject
whose theorems and concepts should be avoided until graduate school.
Rather it is the study of continuity, and thus underlies the most basic geometric results.
Daniel Henry Gottlieb
Was ist Topologie? Ein bekannter Scherz lautet: In der Topologie unterscheidet man nicht zwischen einer Kaffeetasse und einem Doughnut. — Wenn Sie hierüber schmunzeln können, dann sind Sie hier richtig. Andernfalls lesen Sie besser hier weiter.
Warnhinweise und Nebenwirkungen
Abstraktion ist eine starke Droge, doch wohldosiert erlaubt sie phantastische Anwendungserfolge. Eine Unterdosierung verlängert das Leiden an undurchsichtigen Beispielen und kann Stumpfsinn verursachen. Eine Überdosierung hingegen kann zu Schwindelgefühl und Realitätsverlust führen. Bei Zweifeln sprechen Sie bitte mit Ihrem Dozenten oder Tutor oder einem Topologen ihres Vertrauens.
Dem Leser wird im Folgenden die Bereitschaft abverlangt, altgewohnte Denkmuster aufzugeben und sich unvoreingenommen mit topologischen Fragen zu befassen. Eine Traumatisierung zartbesaiteter Leser kann nicht ausgeschlossen werden!
Zur Erheiterung und als Vorgeschmack will ich hier kurz ein paar anschauliche Anwendungen der Topologie vorstellen. Es gibt, wie für jede erfolgreiche Theorie, unzählige weitere Anwendungen, aber ich wähle hier nur wenige aus, die eine besonders hübsche Einkleidung erlauben und darunter den technischen Apparat zu verstecken vermögen. Ihre Darstellung mag daher scherzhaft sein, doch der mathematische Kern ist durchaus ernsthaft. Für besonders Mutige gibt's auf Klick weitere Erläuterungen.
Wie Luitzen Brouwer seinen Kaffee umrührt
Können Sie eine Tasse Kaffee so gründlich umrühren, dass kein Punkt bleibt wo er war? Natürlich soll dabei der Kaffee in der Tasse bleiben und die Tasse am selben Ort... Also, geht das?
Wie Karol Borsuk und Stanislaw Ulam sich ein Stück Marmorkuchen teilen
Jedes Stück Kuchen kann man durch einen geraden senkrechten Schnitt in zwei gleich große Teile zerlegen.
Was aber, wenn es sich um einen Marmorkuchen handelt, und in beiden Teilen auch noch gleich viel Schokolade sein soll? Geht das auch mit einem geraden senkrechten Schnitt?
Was bedeutet die Dimension?
Bei Kaffee und Kuchen philosophieren vier Mathematiker (ein Algebraiker, ein Differentialgeometer, ein Topologe und ein Mengentheoretiker) über den Begriff der Dimension: Unter welchen Bedingungen sind die Räume \(\R^m\) und \(\R^n\) isomorph?
- Linear vermöge eines \(\R\)-Vektorraumisomorphismus?
- Differenzierbar vermöge eines Diffeomorphismus?
- Topologisch vermöge eines Homöomorphismus?
- Als bloße Mengen vermöge einer Bijektion?
Wie lautet jeweils die Antwort? Und wie beweist man sie?
Der Satz vom gekämmten Igel
Kann man einen Igel wirbelfrei kämmen? (Klarstellung: In der Vorlesung kommen weder Personen noch Tiere zu Schaden!)
Herrscht jederzeit an mindestens einem Ort der Erde Windstille? (Inwiefern hängt die Antwort von der Form der Erde ab?)
Klassifikation der kompakten Flächen
Die Kugeloberfläche hat Geschlecht 0 (kein Loch), hingegen hat die Oberfläche eines Doughnuts Geschlecht 1 (ein Loch). Sind sie deshalb verschieden? Was bedeutet das genau und wie beweist man es?
Ebenso wie der Doughnut hat auch die Oberfläche einer Kaffeetasse Geschlecht 1 (durch den Henkel). Sind beide Oberflächen allein deshalb schon topologisch gleich? Ober brauchen wir noch genauere Informationen?
Die Klassifikation der Flächen ist einer der Höhepunkte der Vorlesung.
Darauf sollte man anstoßen – mit einem edlen Tropfen aus der Kleinschen Flasche!
Es handelt sich bei diesem wundersamen Wesen um eine geschlossene, nicht-orientierbare Fläche. Sie besitzt nur eine einzige Seite, sodass innen und außen gleich sind!
Flächen mit nur einer Seite? Diese verblüffende Eigenschaft kennen Sie sicherlich vom Möbius-Band, das aus Papier leicht herzustellen ist. Wenn Sie genau hinschauen, entdecken Sie das Möbius-Band als Teil der Kleinschen Flasche. Genauer: Die Kleinsche Flasche entsteht aus zwei Möbius-Bändern durch Verkleben längs der Ränder. Die Einbettung eines Möbius-Bandes in eine Fläche ist äquivalent zur Nicht-Orientierbarkeit.
Das Möbius-Band findet tatsächlich praktische Anwendung, so heißt es: Zum Beispiel werden Flachriemen in Riemengetrieben als Möbiusband hergestellt, damit sich „beide Seiten” des Bandes gleichmäßig abnutzen.
Slapenarski had knelt beside the limb body and was twisting the arms and legs into fantastic knots.
He was, in fact, folding the Wisconsin topologist as he had folded his piece of paper! Suddenly there was a small explosion,
like the backfire of a car, and under the Polish mathematician's hands lay the collapsed clothing of Dr. Simpson.
Simpson had become a nonlateral surface.
Martin Gardner, No-sided Professor
Freiheit für alle Gruppen – Nieder mit den Relationen!
Der Satz von Nielsen-Schreier besagt, dass in einer freien Gruppe jede Untergruppe frei ist. (Das ist keine politische sondern eine mathematische Aussage.) Den Beweis kann man rein algebraisch führen, er mündet dann aber leicht in einer heillosen Rechnerei. Man kann den Beweis auch topologisch führen, indem man freie Gruppen als Fundamentalgruppen von Graphen darstellt – und alles löst sich in Wohlgefallen auf. In der Vorlesung wird dies eine schöne Anwendung der Überlagerungstheorie sein.
Einleitung und Motivation
Die Topologie (griechisch τόπος [tópos] ‚Ort’ und λόγος [lógos] ‚Lehre’) ist wörtlich übersetzt die „Lehre vom Ort” und handelt von der Form und gegenseitigen Lage geometrischer Objekte, wie etwa Kurven und Flächen im Raum. Die obigen Beispiele illustrieren einige geometrische Fragestellungen und erfolgreiche Anwendungen.
Dank ihrer vielseitig einsetzbaren Begriffe und Methoden ist die Topologie neben Analysis und Algebra eine der Grundstrukturen der modernen Mathematik und liefert Werkzeuge, um eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Phänomene zu behandeln. Sie untersucht fundamentale Konzepte wie Konvergenz und Stetigkeit, offene und abgeschlossene Mengen, Zusammenhang und Kompaktheit, usw. Hierdurch steht sie in enger Wechselwirkung mit der Analysis, der Geometrie und auch der Algebra. Die Vorlesung will hierzu die notwendigen Grundlagen vermitteln.
In Einstein's general relativity
the structure of space can change but not its topology.
Topology is the property of something that doesn't change
when you bend it or stretch it as long as you don't break anything.
Edward Witten
Als mathematische Disziplin ist die Topologie eine Schöpfung des 20. Jahrhunderts – und damit relativ jung. Sie wurde schnell zum mathematischen Grundwissen, vor allem Dank ihrer spektakulären Erfolge in vielfältigen Anwendungen und Verzweigungen (analytische, geometrische, algebraische Topologie...).
Was ist analytische Topologie?
In der Analysis verwendet man eine Metrik zum Messen von Abständen und gewinnt daraus die überaus wichtigen Begriffe der Konvergenz von Folgen und Stetigkeit von Abbildungen. Für viele Begriffsbildungen braucht man aber gar keine Metrik: Es genügt, die offenen Mengen zu kennen. So abstrahiert man von metrischen zu topologischen Räumen, die oft flexibler zu handhaben sind. Der erste, „mengentheoretische” Teil der Vorlesung widmet sich grundlegenden Konstruktionen, wie Produkten und Quotienten, sowie Eigenschaften topologischer Räume, wie Kompaktheit und Zusammenhang.
Point set topology is a disease
from which the human race will soon recover.
Henri Poincaré (1854–1912)
Was ist geometrische Topologie?
Je nach Anwendung interessiert man sich für spezielle, besonders schöne topologische Räume, wie zum Beispiel Mannigfaltigkeiten oder simpliziale Komplexe. Dies sind topologische Räume mit zusätzlichen „geometrischen” Strukturen, die maßgeschneiderte Techniken erlauben und erfordern. In dieser Vorlesung werden wir uns der Einfachheit halber zumeist auf simpliziale Komplexe konzentrieren. Als wichtige Anwendung werde ich den Klassifikationssatz für (triangulierte) Flächen beweisen. Des weiteren möchte ich den Abbildungsgrad von Sphären behandeln, der eine erstaunliche Vielfalt von Anwendungen eröffnet. Dies klärt insbesondere die Topologie der euklidischen Räume \(\R^n\), die besonders übersichtlich sind und daher als Modell universell eingesetzt werden und uns besonders am Herzen liegen.
A child’s first geometrical discoveries are topological. —
If you ask him to copy a square or a triangle, he draws a closed circle.
Jean Piaget (1896–1980)
Was ist algebraische Topologie?
Die algebraische Topologie untersucht topologische Räume und stetige Abbildungen mit algebraischen Hilfsmitteln. Den Räumen werden Gruppen zugeordnet (oder andere algebraische Strukturen) und den Abbildungen werden Homomorphismen zugeordnet. So entsteht ein algebraisches Abbild des ursprünglich topologischen Sachverhalts. Oft ist das algebraische Abbild leichter zu verstehen und erlaubt so eine Lösung des topologischen Problems. In günstigen Fällen funktioniert die Übersetzung auch umgekehrt, und die Topologie erleuchtet die Algebra. Mit dem allgegenwärtigen Begriff der Fundamentalgruppe und dem dualen Konzept der Überlagerung beschäftigt sich der dritte Teil der Vorlesung.
In these days the angel of topology and the devil of abstract algebra
fight for the soul of every individual discipline of mathematics.
Hermann Weyl (1885–1955)
Zielsetzung der Vorlesung
Die Vorlesung soll die Grundlagen der Topologie vermitteln. Ziel sind dabei – wie immer – zwei komplementäre Kompetenzen: das Verständnis sowohl konkreter Anwendungen als auch der allgemeinen Theorie. Das eine ist ohne das andere kaum denkbar.
Es gibt nichts Praktischeres
als eine gute Theorie.
Immanuel Kant (1724–1804)
Topologische Begriffe, Methoden und Ergebnisse werden in vielen Gebieten der Mathematik verwendet, zum Beispiel der Analysis, insbesondere der Funktionalanalysis, der Geometrie und der Algebra. Diese Vorlesung erarbeitet hierzu die nötigen Grundlagen und Werkzeuge und führt zu Vertiefungen hin, insbesondere der algebraischen Topologie, der Differentialtopologie und Differentialgeometrie, der geometrischen Topologie und Knotentheorie.
People cry, people moan
Look for a dry place to call their home
Try to find some place to rest their bones
While the angels and the devils try to make them their own
Nirvana, Lake of Fire
Einführende Literatur
Es gibt viele gute Lehrbücher zur Topologie. Je nach Ausrichtung behandeln sie mehr analytische oder mehr algebraische Topologie. Die folgenden Lehrbücher unterscheiden sich in Ausrichtung und Stil, sind aber allesamt empfehlenswert:
- J. Munkres: Topology, Prentice Hall 2000.
- H. Schubert: Topologie, Teubner 1971.
- M.A. Armstrong: Basic Topology, Springer 1983.
- G. Laures, M. Szymik: Grundkurs Topologie, Springer 2009. [ebook]
- K. Jänich: Topologie, Springer 2005. [ebook]
In der Bibliothek wird ein Präsenzregal mit diesen und weiteren Titeln eingerichtet.
- J. Dugundji: Topology, Allyn and Bacon, 1966.
- B. von Querenburg: Mengentheoretische Topologie, Springer 2001.
- L.A. Steen, J.A. Seebach: Counterexamples in Topology, Dover 1995.
- R. Stöcker, H. Zieschang: Algebraische Topologie, Teubner 1994.
- J.J. Rotman: An Introduction to Algebraic Topology, Springer 1998.
- G.E. Bredon: Topology and Geometry, Springer 1993.
- L. Führer: Topologie mit Anwendungen, Vieweg 1977.
- E. Ossa: Topologie, Vieweg 1992.
Es gibt auch hervorragende Bücher und gute Skripte, die online frei erhältlich sind:
- Mengentheoretische Topologie von Prof. Tammo tom Dieck (Göttingen)
- Einführung in die Topologie von Prof. Friedhelm Waldhausen (Bielefeld)
- Algebraic Topology von Prof. Allen Hatcher (Cornell)
- A concise course in algebraic topology von Prof. Peter May (Chicago)
Why waste time learning,
when ignorance is instantaneous?
Hobbes (1985–1995)
Organisation der Vorlesung
Voraussetzungen
Inhaltliche Voraussetzung sind die Grundvorlesungen Analysis und lineare Algebra: Hieraus stammen viele Beispiele, Begriffe und Fragen der Topologie, und wir werden vielfach ihre omnipräsenten Methoden verwenden. Notwendig ist insbesondere eine genaue Kenntnis der topologischen Grundbegriffe der Analysis (Metrik, Konvergenz, Stetigkeit, offene und abgeschlossene Mengen, etc.), denn diese werden in der Topologie verallgemeinert und allerorten verwendet.
Allgemeine Voraussetzung: Jede ernsthafte Beschäftigung mit Wissenschaft erfordert zunächst einmal Interesse, Neugier und Offenheit für Probleme und sodann Kreativität, Sorgfalt und Hartnäckigkeit bei deren Lösung. Wie in allen fortgeschrittenen Veranstaltungen der Mathematik ist die Beherrschung grundlegender Arbeitsweisen (mathematische Sprache, Logik, Beweistechniken, ...) und Begriffsbildungen (Mengen, Abbildungen, ...) unabdingbare Voraussetzung.
Half the money I spend on advertising is wasted;
the trouble is I don't know which half.
John Wanamaker (1838–1922)
Arbeitsaufwand
Ich erörtere hier eine Selbstverständlichkeit, die immer wieder Erstaunen auslöst.
Dieser Kurs wird mit ca 270 Arbeitsstunden (9 Leistungspunkten) veranschlagt:
- ca 90 Stunden Präsenz (Vorlesung und Übung in der Vorlesungszeit)
- ca 180 Stunden eigene Arbeit (Nachbereitung, Hausaufgaben, Prüfungen)
Die individuelle Arbeitszeit und Prüfungsvorbereitung sind natürlich nur Schätzungen und werden im Allgemeinen stark variieren. Nichtsdestotrotz sollen beide Seiten – Lehrende und Lernende – sich ehrlicherweise an diesen Richtwerten orientieren.
Konkret: Bei 18 Wochen bedeutet das 15 Stunden pro Woche. (Ich rechne vereinfacht mit 16 Wochen Vorlesungszeit plus 2 Wochen Prüfungsvorbereitung in der vorlesungsfreien Zeit.) Von den 15 Stunden pro Woche verbringen Sie circa 5 in Vorlesung und Übung, es bleiben Ihnen also wöchentlich circa 10 Stunden für Ihre individuelle Arbeit: Nachbereitung der Vorlesung, Bearbeitung der Hausaufgaben, Lehrbücher zu Rate ziehen je nach Möglichkeit und Notwendigkeit, Klärung eventueller Fragen mit Ihrer Arbeitsgruppe, Tutor, Assistent oder Dozent. Es lohnt sich!
Diese Bemessung der nötigen Arbeitszeit spiegelt eine Grunderfahrung wieder, die Sie sich zu Herzen nehmen müssen:
Mathematik lernt man nicht nur durch Zuschauen sondern durch eigene Arbeit!
Das Verhältnis 1:2 ist dabei durchaus realistisch: Bei fünf Präsenzstunden pro Woche müssen sie zehn Stunden eigene Arbeit investieren. Das ist keine Übertreibung sondern regelmäßige Erfahrung. Wer nur einen Teil der nötigen Zeit investiert, wird auch nur einen Teil des Inhalts verstehen. Gehen Sie also den ganzen Weg und planen Sie diese Zeit bereits während des Semesters parallel zur Vorlesung fest ein, um kontinuierlich mitzuarbeiten. Nur bei intensiver Vor- und Nachbereitung werden Ihnen Vorlesung und Übung wirklich etwas nützen. Anders wird es nicht gehen.
Prüfungen
Dieser Kurs wird mit einer schriftlichen Prüfung abschließen. Um zur Abschlussklausur zugelassen zu werden, müssen Sie erfolgreich an den Übungen teilnehmen, das heißt:
- mindestens 50% der schriftlichen Aufgaben sinnvoll bearbeitet,
- mindestens 50% der Votieraufgaben und zweimaliger Vortrag in der Übung,
- mindestens 50% der Punkte im Durchschnitt der beiden Scheinklausuren zum ersten und zweiten Drittel der Vorlesung.
Übungen
Zur Vorlesung werden Übungsgruppen angeboten. Nehmen Sie bitte das Angebot der Übungen gewissenhaft wahr: Bearbeiten Sie Woche für Woche die Vorlesung und die Übungsaufgaben! Diese Selbstverständlichkeit mag Ihnen als lästige Pflicht erscheinen, aber nur sie strukturiert das Semester effizient. Anders wird es nicht gehen.
Übungsblätter
Die Übungsblätter werden hier wöchentlich zur Verfügung gestellt.
Wenn Sie eine Herausforderung suchen, versuchen Sie sich an der Klassifikation ein- und zweidimensionaler Mannigfaltigkeiten. Man kann dabei viel lernen!
- David Gale: The classification of 1-Manifolds: a take-home exam, American Mathematical Monthly 94 (1987), 170–175.
- George Francis, Jeffrey Weeks: Conway's ZIP proof. American Mathematical Monthly 106 (1999), 393–399.
Arbeitsgruppen
Übungsaufgaben können und sollen Sie in Kleingruppen gemeinsamen erarbeiten. Schriftliche Aufgaben reichen Sie bitte alleine oder in Zweiergruppen ein.
Übungsschein
Dieser Kurs wird mit einer schriftlichen Prüfung abschließen. Um zur Abschlussklausur zugelassen zu werden, müssen Sie erfolgreich an den Übungen teilnehmen, das heißt:
- mindestens 50% der schriftlichen Aufgaben sinnvoll bearbeitet,
- mindestens 50% der Votieraufgaben und zweimaliger Vortrag in der Übung,
- mindestens 50% der Punkte im Durchschnitt der beiden Scheinklausuren zum ersten und zweiten Drittel der Vorlesung.
Falls es Ihnen außerhalb dieser Vorlesung nützlich sein sollte, kann für die erfolgreiche Teilnahme an den Übungen ein unbenoteter Übungsschein ausgestellt werden. Für die meisten Teilnehmer wird dies jedoch überflüssig sein, da sie den Kurs mit der Klausur abschließen.
Scheinklausuren
Die Scheinklausuren dienen als Zwischenbilanz zur Wiederholung der grundlegenden Begriffe und sollten vor allem als Diagnose genutzt werden, wo noch Unsicherheiten bestehen. Vielen Dank an alle Teilnehmer für ihr Engagement und Mithilfe!
Die erste Scheinklausur fand statt am Samstag, den 29.11.2014, von 10 bis 12 Uhr im Hörsaal V7.03: Klausurtext. Es waren keine Hilfsmittel zugelassen.
Die zweite Scheinklausur fand statt am Samstag, den 10.01.2015, von 10 bis 12 Uhr im Hörsaal V47.02: Klausurtext. Es waren keine Hilfsmittel zugelassen.
Erreichbar waren 75 Punkte. Da die Klausur lang war, wurde auf 60 Punkte benotet, somit braucht man 30 Punkte zum Bestehen. Die angegebene Notenskala ist ansonsten für die Scheinklausur unerheblich und dient nur zur Information und zur eigenen Einschätzung.
Abschlussklausur
Die Modulprüfung (Abschlussklausur) nach dem Wintersemester 2014/15 fand statt am Donnerstag, den 19. März 2015, von 11 bis 13 Uhr im Hörsaal V57.01: Klausurtext, Lösungen. Es waren keine Hilfsmittel zugelassen (wie in der Vorlesung vereinbart insbesondere keine vorbereiteten Notizen).
Themen der Vorlesung
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.
Goethe (1749–1832), Faust
- Einleitung und Überblick: Was ist und was soll die Topologie? Das klassische Paradebeispiel: Eulers Polyederformel und die Klassifikation der Flächen.
- Analytische Topologie
- Metrische Räume: Euklidische/normierte/metrische Räume, offene und abgeschlossene Mengen, Umgebungen, Konvergenz von Folgen, Stetigkeit von Abbildungen, topologische Äquivalenz von Metriken, Beispiele.
- Topologische Räume: Topologische Räume und stetige Abbildungen, topologische Grundbegriffe, Basen und Erzeugung von Topologien, Beispiele.
- Topologische Konstruktionen: Teilräume, Quotientenräume, Summen, Produkträume, Beispiele, Tietze-Urysohn, Metrisierung.
- Kompaktheit: Kompaktheit, Teilräume, Produkte, Satz von Tychonoff, lokale Kompaktheit, Kompaktifizierungen, Beispiele.
- Zusammenhang: Zusammenhang und Komponenten, Wegzusammenhang und Wegkomponenten, Funktorialität, Homotopie stetiger Abbildungen, Homotopie-Äquivalenz von Räumen, Homotopie-Kategorie.
- Die Sprache der Kategorien: Kategorien, Funktoren, natürliche Transformationen.
- Geometrische Topologie
- Komplexe: Simpliziale Komplexe, Triangulierung topologischer Räume, Euler-Charakteristik, simpliziale Approximation, Anwendungen.
- Abbildungsgrad und Topologie des \(\R^n\): Umlaufzahl, Abbildungsgrad, Brouwerscher Fixpunktsatz, Satz vom Igel, Satz von Borsuk-Ulam, Satz von Jordan-Schoenflies, topologische Invarianz der Dimension, des Randes, der Orientierung, des Gebietes.
- Klassifikation der Flächen: Mannigfaltigkeiten, projektive Räume, simpliziale Flächen, Polygonmodell, (simpliziale) Klassifikation der kompakten Flächen.
- Algebraische Topologie
- Fundamentalgruppe: Wege und Homotopie, der Funktor \(\pi_1\), Darstellung für offene Mengen \(U \subset \R^n\) und für Simplizialkomplexe, Beispiele, Flächengruppen.
- Überlagerungen: Überlagerungen, freie diskontinuierliche Gruppenoperationen, Hochhebungssatz, Galois-Korrespondenz, Satz von Nielsen-Schreier.
The axiomatic method of postulating what we want has many advantages;
they are the same as the advantages of theft over honest toil.
Bertrand Russel (1872–1970), Introduction to Mathematical Philosophy
Vorlesungstermine
Vorlesungsbeginn am 13. Oktober 2014 | |
Ü01 Di/Mi/Do | Eingangstest und Blatt 0: Präsenzaufgaben |
V01 Do 16.Okt | Organisatorisches. §A1 Von Geometrie zu Topologie: platonische Körper, Regularität, Klassifikation, Beispiele von Polytopen, Eulers Polyederformel. |
V02 Fr 17.Okt | Polytopale Komplexe, Euler-Charakteristik, topologische Invarianz, Euler-Charakteristik topologischer Räume. §A2 Flächen, Modelle, Klassifikation. |
Ü02 Di/Mi/Do | Abschluss von Blatt 0, Blatt ½ |
V03 Do 23.Okt | Gutgemeinte aber wirkungslose Standpauke. §B1 Aufbau des Zahlensystems. §B2 Skalarprodukte und Normen. §B3 Metrische Räume und ihre Topologie. |
V04 Fr 24.Okt | Stetigkeit ist topologisch. §C1 Topologische Räume, stetige / offene / abgeschlossene Abbildungen, Homöomorphismen, Mannigfaltigkeiten. |
Ü03 Di/Mi/Do | Blatt 1 |
V05 Do 30.Okt | §C2 Umgebungen, Umgebungsbasen, erstes Abzählbarkeitsaxiom, lokale Stetigkeit / Offenheit / Homöomorphismen, Konvergenz, Hausdorff-Axiom. |
V06 Fr 31.Okt | Topologie aus Umgebungsbasen, Anwendung auf punktweise / gleichmäßige / kompakte Konvergenz, Metrisierung. §C3 Inneres, Abschluss, Rand. |
Ü04 Di/Mi/Do | Blatt 2 |
V07 Do 06.Nov | Dichte Mengen, diskrete Mengen, Abschluss und Vereinigung, lokal-endliche Familien. Vollständige Räume sind Baire-Räume. Magere und fette Mengen. |
V08 Fr 07.Nov | §C4 Basen und Erzeugendensysteme, zweites Abzählbarkeitsaxiom, Anzahl offener Mengen von \(\R^n\), Gegenbeispiel \(C_b(\R,\R)\), Separabilität, Beispiele. |
Ü05 Di/Mi/Do | Blatt 3 |
V09 Do 13.Nov | §D1 Finale und terminale Topologie, Teilräume, Verkleben stetiger Abbildungen. §D2 Quotientenräume, kanonische Faktorisierung. |
V10 Fr 14.Nov | Die universelle Überlagerung \(\R \to \S^1\), auch \([0,1] \to \S^1\). §D3 Summen und ihre UAE. §D4 Produkte und ihre UAE, Metrisierbarkeit von Produkträumen. |
Ü06 Di/Mi/Do | Blatt 4 |
V11 Do 20.Nov | §D5 Trennungsaxiome, Satz von Tychonoff: \(T_3 \Rightarrow T_4\) für Lindelöf-Räume, Satz von Urysohn: \(T_4 \Rightarrow T_{4.5}\), Fortsetzungssatz von Tietze. |
V12 Fr 21.Nov | Metrisierung nach Urysohn. §E1 Kompakte topologische Räume, Intervalle, \(T_2 \Rightarrow T_3 \Rightarrow T_4\), Teilräume, stetige Bilder, abgeschlossene Abbildungen. |
Ü07 Di/Mi/Do | Blatt 5 |
V13 Do 27.Nov | Endliche Produkte, Heine-Borel, Satz von Tychonoff für beliebige Produkte. §E2 Geometrische Anwendungen. Alle Normen auf \(\R^n\) sind äquivalent. |
V14 Fr 28.Nov | \(\R^n\) erlaubt nur eine Vektorraumtopologie. Konvexe Körper. §E3 Kompakte metrische Räume, Lebesgue-Zahl, äquivalente Kompaktheitsbegriffe. |
Sa 29.Nov | Scheinklausur |
Ü08 Di/Mi/Do | Blatt 6 |
V15 Do 04.Dez | §E4 Lokale Kompaktheit. §E5 Kompaktifizierungen, Beispiele, Alexandroff-Kompaktifizierung. §F1 Zusammenhang, Beispiele, Abschluss, Produkte. |
V16 Fr 05.Dez | Komponenten, Funktorialität. §F2 Wegzusammenhang, Wegkomponenten, Funktorialität. §F3 Lokaler (Weg-)Zusammenhang. §F4 Homotopie. |
Ü09 Di/Mi/Do | Blatt 7 |
V17 Do 11.Dez | Homotopieklassen, Homotopie-Äquivalenz. §G1 Kategorien, prominente Beispiele. §G2 Funktoren, prominente Beispiele. |
V18 Fr 12.Dez | §H1 Polytope und polytopale Komplexe, Euler-Charakteristik, Satz von Euler-Poincaré, Beweis durch iterierte Integration nach Hadwiger, Anwendungen. |
Ü10 Di/Mi/Do | Blatt 8 |
V19 Do 18.Dez | §H2 Simplizialkomplexe, affin vs kombinatorisch, kanonische Darstellung, simpliziale Topologie und Metrik, Teilkomplexe, Skelette. |
V20 Fr 19.Dez | §H3 Triangulierung topologischer Räume, zentrische Unterteilung, Produkte. §H4 Eckensterne, simpliziale Approximation, Anwendung auf \(\S^m \to \S^n\). |
Weihnachtsferien vom 22. Dezember 2014 bis zum 6. Januar 2015 | |
Ü11 Mi/Do | Blatt 9 |
V21 Do 08.Jan | §I1 Umlaufzahl von Wegen in \(\C^*\), polygonale Wege und Homotopien, Homotopieklassifikation, Winkelsumme = Integral = Achsübergänge. |
V22 Fr 09.Jan | §I2 Abbildungsgrad \([\S^n,\S^n] \cong \Z\) axiomatisch, Berechnung. §I3 \(\S^{n-1} \subset \D^n\) ist kein Retrakt, Brouwerscher Fixpunktsatz. §I4 Satz vom Igel. |
Sa 10.Jan | Scheinklausur |
Ü12 Di/Mi/Do | Blatt 10 |
V23 Do 15.Jan | §I5 Satz von Borsuk-Ulam, Anwendungen, Schinkenbrot. §I6 Der Satz von Jordan-Schoenflies, Beweis im polygonalen Fall. |
V24 Fr 16.Jan | §I7 Topologische Invarianz der Dimension, des Randes, der Orientierung, des Gebietes. §J1 Topologische Mannigfaltigkeiten. |
Ü13 Di/Mi/Do | Blatt 11 |
V25 Do 22.Jan | Atlas, Orientierung, Differenzierbarkeit. §J2 Projektive Räume, \(\P^2(\F_2)\), \(\R\P^n\), \(\C\P^n\), Eigenschaften. §J3 Triangulierte Modellflächen \(F_g^\pm\), Beispiel \(F_0^-\), \(F_1^-\). |
V26 Fr 23.Jan | Polygonmodell \(\D^2/w\), Beispiele, Überführung in Normalform durch Schneiden & Kleben, Klassifikationssatz für geschlossene triangulierte Flächen. |
Ü14 Di/Mi/Do | Blatt 12 |
V27 Do 29.Jan | Klassifikation kompakter Flächen mit und ohne Rand. §K1 Wege, Verknüpfung, Homotopie, Fundamentalgruppoid. §K2 Fu'Gruppe \(\pi_1(X,x_0)\). |
V28 Fr 30.Jan | Fußpunkt verschieben, Funktorialität, Homotopie-Invarianz, einfacher Zusammenhang. §K3 Polygonale Fu'Gruppe, gelochte Ebene, freie Gruppe. |
Ü15 Di/Mi/Do | Blatt 13 |
V29 Do 05.Feb | §K4 Simpliziale Fu'Gruppe, Bäume, Graphen, berandete Flächen, Komplexe, Erzeuger und Relationen, Ankleben von Zellen, geschlossene Flächen. |
V30 Fr 06.Feb | Abelschmachung, Flächenklassifikation, Fu'Gruppe von \(\R\P^n\), \(\SO_n\R\). Wir tanzen \(\pi_1\SO_3\) und spekulieren über das Universum. §L1 Überlagerungen. |
Ü16 Di/Mi/Do | Blatt 14 |
V31 Do 12.Feb | §L2 Gruppenoperationen, frei diskontinuierlich, Galois-Überlagerungen, Beispiele. §L3 Hochhebung von Wegen und Homotopien, Fasertransport. |
V32 Fr 13.Feb | Kurze exakte Sequenz einer Galois-Überlagerung, zahlreiche Beispiel. §L5 Galois-Korrespondenz (ohne Beweis), Satz von Nielsen-Schreier. |
Vorlesungsende am 14. Februar 2015 | |
Do 19.Mrz | Abschlussklausur |
Zu guter Letzt
Auch wenn die Topologie eine sehr junge Wissenschaft ist, so spielen topologische Beobachtungen und Anwendungen schon seit der Antike eine gewisse Rolle. Das Labyrinth von Minos zum Beispiel erinnert jeden topologisch geschulten Leser an die Fundamentalgruppe und die universelle Überlagerung:
Ariadne gab
Theseus ein Knäuel Faden,
dessen Ende er am Eingange des Labyrinthes festknüpfte und den er während des Hinschreitens
durch die verwirrenden Irrgänge in der Hand ablaufen lassen sollte, bis er an die Stelle gelangt wäre,
wo der Minotauros seine Wache hielt.
Theseus ward mit seinen Gefährten in das Labyrinth geschickt, erlegte den Minotauros und wand sich
mit Hilfe des abgespulten Zwirns aus den Höhlengängen des Labyrinthes glücklich heraus.
Aus dem Theseus-Mythos
Zum Thema Labyrinth empfahl eine Kindersendung (Wissen macht Aua?) folgende „unfehlbare” Methode, um sich aus einem Labyrinth zu befreien: Man gehe immer mit der rechten Hand an der Wand entlang. Das klingt so schön einfach – und ist im Allgemeinen doch falsch. Sehen Sie ein Gegenbeispiel? Hingegen ist es für ein „zykelfreies” Labyrinth richtig. Wir werden im Zusammenhang mit dem Satz von Jordan darauf zurückkommen.
Wem die Topologie allzu abstrakt erscheint, den möge John von Neumann trösten:
If people do not believe that mathematics is simple,
it is only because they do not realize how complicated life is.
John von Neumann (1903–1957)
Zur Illustration zitiere ich eine seltene topologische Zwangshandlung:
Heinz (29 Jahre alt): Ich ziehe so eine Art unsichtbare Linie hinter mir her, und ich habe den Zwang, diese Linie gerade hinter mir herlaufen zu lassen.
Die darf nicht verwurstelt sein. Zum Beispiel kann ich kein Karussell fahren, weil ich mich nicht zurückdrehen kann.
(...)
Und dann habe ich einmal probiert, um eine Litfaßsäule herumzugehen – und schon hatte ich den Salat. Die Linie war verwickelt. Also musste ich zurückgehen. (...)
Wenn ich zum Beispiel zur Arbeit fahre, morgens, dann versuche ich abends exakt denselben Weg zurückzufahren, um die Linie wieder aufzusammeln.
Aus Jürgen Domian, Extreme Leben (1996)
Ob diese Zwangsvorstellung durch den Besuch einer Topologie-Vorlesung oder das Selbststudium der Fundamentalgruppe ausgelöst wurde, ist nicht bekannt.