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Die Taylorreihe.

Es sei % latex2html id marker 27333
$ f:\, ]-R,R[\, \to \mathbb{C} $, $ R>0 $, eine im Punkt $ x_{0}=0 $ beliebig oft reell differenzierbare Funktion. Die Taylorsche Formel bezüglich des Punktes $ x_{0}=0 $ sagt aus, daß

$\displaystyle f(x)=T_{n}(x)+r_{n}(0;x)$% latex2html id marker 27344
$\displaystyle \quad \mbox {mit}\quad T_{n}(x)=\sum _{k=0}^{n}\frac{f^{(k)}(0)}{k!}x^{k},\, r_{n}(0;x)\stackrel{x\to 0}{=}o(x^{n}).$ (2.11.6.1)

Dies erlaubt eine Approximation von $ f $ bis auf eine beliebig vorgegebene Ordnung $ o(x^{n}) $ durch ein Polynom $ T_{n}(x) $ für $ x\to 0 $. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber nicht, daß die Partialsummen $ T_{n}(x) $ auch nur für ein bestimmtes fixiertes $ x\neq 0 $ konvergieren muß.

Betrachten wir die sogenannte Taylorreihe

$\displaystyle t(x)=\lim _{n\to \infty }T_{n}(x)=\sum _{k=0}^{\infty }a_{k}x^{k},\quad a_{k}=\frac{f^{(k)}(0)}{k!},$

genauer. Besitzt diese Potenzreihe einen positiven Konvergenzradius $ R>0 $, so konvergiert diese Reihe $ t(z)=\sum _{k=0}^{\infty }a_{k}z^{k} $ für alle komplexen $ z $ mit $ \vert z\vert<R $. Dann ist die Funktion $ t(z) $ nach Satz 2.11.5.1 insbesondere beliebig oft im Punkt $ z_{0}=0 $ komplex differenzierbar. Formel (2.11.5.1) gibt dann

% latex2html id marker 27372
$\displaystyle \frac{t^{(n)}(0)}{n!}=a_{n}=\frac{f^{(n)}(0)}{n!},\quad n\in \mathbb{N}.$

Damit stimmen die Taylorkoeffizienten der Funktion $ t(z) $ im Punkt $ 0 $ mit denen der Funktion $ f(x) $ im Punkt $ 0 $ überein; beide Funktionen besitzen bezüglich des Punktes $ x_{0}=0 $ ein und dieselbe Taylorentwicklung.

Wir unterstreichen, das letzteres nicht notwendigerweise bedeutet, daß die Funktionen $ t $ und $ f $ auf ihrem gemeinsamen Definitionsbereich übereinstimmen. Als Beispiel betrachte man die Funktion

$\displaystyle f(x)=e^{-\frac{1}{x^{2}}}$% latex2html id marker 27389
$\displaystyle \quad \mbox {für}\quad x\in \mathbb{R}\setminus \{0\}\quad \mbox {und}\quad f(0)=0.$

Man verifiziert leicht, daß $ f $ im Punkt $ x=0 $ beliebig oft reell differenzierbar ist und dabei

% latex2html id marker 27395
$\displaystyle f^{(n)}(0)=0,\quad n\in \mathbb{N},$

gilt. Damit ergibt sich die entsprechende Taylorreihe $ t(z)=0 $ für alle % latex2html id marker 27399
$ z\in \mathbb{C} $, was für reelle Argumente offensichtlich nicht mit der Funktion $ f $ übereinstimmt.

Aus (2.11.6.1) sieht man hingegen, daß

$\displaystyle f(x)=\lim _{n\to \infty }T_{n}(x)=\sum _{k=0}^{\infty }\frac{f^{(k)}(0)}{k!}x^{k}$

genau dann gilt, wenn $ r_{n}(x)\to 0 $ für $ n\to \infty $. In diesem Fall sagt man, daß sich die Funktion $ f $ im Punkt $ x $ durch seine Taylorreihe (bezüglich $ x_{0}=0 $) darstellen läßt. Der nächste Satz liefert ein Kriterium für diese Eigenschaft:

Satz 2.11.6.1   Es sei $ R $ eine positive Zahl, so daß zum einen die Funktion % latex2html id marker 27423
$ f:[-R,R]\to \mathbb{C} $ beliebig oft differenzierbar ist und außerdem eine endliche Konstante $ C $ existiert, so daß

$\displaystyle \vert f(x)\vert+\vert f^{(k)}(x)\vert\leq C$% latex2html id marker 27428
$\displaystyle \quad \mbox {für\, alle}\quad k\in \mathbb{N},\quad x\in ]-R,R[\, .$

Dann ist $ f(x) $ für $ x\in ]-R,R[ $ durch seine Taylorreihe bezüglich $ x_{0}=0 $ darstellbar.

$ \blacktriangleright $ Als erstes stellen wir fest, das die Potenzreihe

$\displaystyle t(x)=\sum _{k=0}^{\infty }a_{k}x^{k}$$\displaystyle \quad \mbox {mit}\quad a_{k}=\frac{f^{(k)}(0)}{k!}$

wegen $ \vert a_{k}\vert\leq C/k! $ den Konvergenzradius $ R=+\infty $ besitzt. Insbesondere konvergiert diese Reihe für alle % latex2html id marker 27450
$ x\in \mathbb{R} $. Zur Abschätzung des Restgliedes verwenden wir die Formel

% latex2html id marker 27452
$\displaystyle r_{n}(x_{0};h)=\frac{h^{n+1}}{n!}\int _{0}^{1}f^{(n+1)}(x+th)(1-t)^{n}dt,\quad h=x-x_{0}.$

Für $ x_{0}=0 $ und $ h=x $ folgt

$\displaystyle \vert r_{n}(0;x)\vert\leq \frac{C\vert x\vert^{n+1}}{n!}\int _{0}^{1}(1-t)^{n}dt\leq \frac{CR^{n+1}}{(n+1)!}$

und damit

$\displaystyle \vert r_{n}(0;x)\vert\to 0$$\displaystyle \quad \mbox {für}\quad n\to \infty .$

$ \blacktriangleleft $

Ist eine Funktion in einer gewissen Umgebung von $ x_{0}=0 $ durch ihre Taylorreihe darstellbar, so konvergiert nach der allgemeinen Theorie der Potenzreihen die Taylorreihe im Inneren des Konvergenzkreises mit dem Konvergenzradius $ R $ absolut, in jedem $ \overline{U_{R_{1}}} $ mit $ R_{1}<R $ gleichmäßig und die Reihe ist in $ U_{R} $ beliebig oft gliedweise komplex differenzierbar.

Man kann die oben gegebenen Betrachtungen sofort auf Taylorreihen

$\displaystyle t(z)=\sum _{k=0}^{\infty }a_{k}(z-z_{0})^{k}\, ,\quad a_{k}=\frac{f^{(k)}(z_{0})}{k!},$

bezüglich eines Punktes % latex2html id marker 27477
$ z_{0}\in \mathbb{C} $ verallgemeinern. Gilt $ f(z)=t(z) $ für $ z\in U_{\varepsilon }(z_{0}) $, $ \varepsilon >0 $, so sagt man, daß die Funktion $ f $ in der Umgebung $ U_{\varepsilon }(z_{0}) $ von $ z_{0} $ durch ihre Taylorreihe darstellbar ist.

Zum Abschluß geben wir noch folgende Definitionen:

Definition 2.11.6.2   Es sei $ V $ eine offene Teilmenge in % latex2html id marker 27499
$ \mathbb{C} $. Wir nennen $ V $ zusammenhängend, wenn zu beliebigen $ z_{1},z_{2}\in V $ eine Jordansche Kurve endlicher Länge $ \Gamma \subset V $ existiert, welche $ z_{1} $ und $ z_{2} $ verbindet.

 

Definition 2.11.6.3   Es sei $ V $ eine offene, zusammenhängende Teilmenge von % latex2html id marker 27521
$ \mathbb{C} $. Ist eine Funktion % latex2html id marker 27523
$ f:V\to \mathbb{C} $ in einer gewissen Umgebung $ U_{\varepsilon }(z_{0}) $, $ \varepsilon =\varepsilon (z_{0})>0 $, jedes beliebigen Punktes $ z_{0}\in V $ durch ihre Taylorreihe darstellbar, so nennt man $ f $ eine analytische Funktion in $ V $.


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2003-09-05