Wir beschäftigen uns nun mit der Frage, wann zwei Mengen “gleich groß” sind, d.h. gleich viele Punkte enthalten. Schon das folgende Beispiel zeigt, dass diese anscheinend triviale Fragestellung eine eher subtiles Problem aufwirft:
Example 1.10.1. Es sei ein Dreieck mit dem rechten Winkel bei . Jedem Punkt der Hypotenuse kann durch rechtwinklige Projektion eindeutig einem Punkt auf der Kathete zugeordnet werden: Für jeden Punkt in gibt es genau einen entsprechenden Punkt in . Also enthalten Kathete und Hypotenuse in diesem Sinne gleichviel Punkte, die Mengen sind “gleich groß”. Andererseits ist (bei nichttrivialem ) die Hypotenuse stets länger als die Kathete.
Um den Begriff “gleich groß” zu konkretisieren, so diskutieren wir zunächst, was es bedeutet zu zählen. Wenn wir Objekte abzählen, so ordnen wir diesen (zumindest zeitweilig) eineindeutig die natürlichen Zahlen zu. Wenn der Zählprozess bei abbricht, so sprechen wir von Objekten. Genauer gesagt: Eine Menge umfasst Elemente, wenn man die Menge bijektiv auf die Teilmenge der natürlichen Zahlen abbilden kann.
Problem 1.10.2. Falls eine Menge bijektiv auf die Teilmenge
mit abgebildet werden kann, so ist eindeutig bestimmt. Zeigen Sie dazu zunächst, dass es genau dann eine Bijektion zwischen den Mengen und mit gibt, wenn ist. Benutzen Sie dabei die Beweismethode der vollständigen Induktion.
Dieser Sachverhalt motiviert die folgende Definition:
Definition 1.10.3. Zwei Mengen und heißen gleichmächtig (auch ), falls es eine bijektive Abbildung gibt.
In unserem obigen Beispiel sind die Strecken und gleichmächtig, aber nicht gleich lang.