Wir betrachten im weiteren Grenzwerte vom Typ wobei .
Theorem 3.12.1. Die Funktionen und mit seien in einem Punkt differenzierbar und es gelte
Dann ist der Quotient in einer -Umgebung des Punktes wohldefiniert und es existiert der Grenzwert
(3.48) |
Beweis. Aus der Differenzierbarkeit von im Punkt folgt
damit gilt für für ein geeignetes . Folglich ist in definiert. Desweiteren gilt
Jede Funktion lässt sich als Produkt mit darstellen, woraus nach Kürzen mit
folgt. Da , so erhält man daraus
Letzteres impliziert (3.48). □
Theorem 3.12.3. Die Funktionen und mit seien in einem Punkt -fach differenzierbar und es gelte
Dann ist der Quotient in einer -Umgebung des Punktes wohldefiniert und es existiert der Grenzwert
(3.49) |
Problem 3.12.4. Beweisen Sie diese Aussage nach dem Muster des Beweises von Satz 3.12.1.
Example 3.12.5. Wir berechnen den Grenzwert . Für gilt , und und damit
Für erhält man , , und entsprechend
Damit ergibt sich
Wir formulieren nun die bekannte Regel von Bernoulli und l’Hospital.
Theorem 3.12.6. Die Funktionen und seien in differenzierbar. Es gelte
Desweiteren existiere der Grenzwert
Dann existiert ebenfalls der Grenzwert
Beweis. Wir betrachten zunächst den Fall . Die Funktionen und können durch die Definition und stetig auf für fortgesetzt werden. Nach der Formel von Cauchy gilt dabei
für geeignetes . Strebt gegen , so konvergiert auch gegen . Nach Voraussetzung existiert dann der Grenzwert
Für vektorwertige Funktionen wendet man dieses Argument individuell auf jede einzelne Komponente dieser Funktion an. □
Problem 3.12.7. Warum muss man den obigen Beweis für die einzelnen Komponenten einer Vektorfunktion individuell führen?
Die Regel von Bernoulli und l’Hospital lässt sich nicht auf Brüche mit komplexwertigen Funktionen im Nenner verallgemeinern. Formal scheitert der Beweis daran, dass die Formel von Cauchy nicht für komplexwertige Funktionen gilt. Folgendes Gegenbeispiel soll dies zusätzlich illustrieren:
Example 3.12.8. Es sei und mit . Man berechnet die Ableitungen von und als und . Nach der Dreiecksungleichung gilt
Daraus folgt und , während auf der anderen Seite offensichtlich
gilt.
Problem 3.12.9. Kann man die Regel von Bernoulli und l’Hospital auf komplexe Vektorfunktionen bei einer reellen Nennerfunktion verallgemeinern?
Man kann die Regel von Bernoulli und l’Hospital auch für Grenzwerte anwenden. Dazu betrachten wir die differenzierbaren Funktionen , , welche durch die Substitution in die ebenfalls differenzierbaren Funktionen mit , übergehen. Die Ableitungen dieser Funktionen stehen in folgendem Zusammenhang
Gilt also für , so folgt für . Es gelte
Dann können wir Satz 3.12.6 anwenden und erhalten