Vektorräume.

Begriff.

Sei $ \mbox{$K$}$ ein Körper. Unter einem Vektorraum über $ \mbox{$K$}$ versteht man eine Menge $ \mbox{$V$}$ von Vektoren zusammen mit einer Vektoraddition

$ \mbox{$\displaystyle
V\times V\longrightarrow V,\; (x,y)\mapsto x+y
$}$
und einer Skalarmultiplikation
$ \mbox{$\displaystyle
K\times V\longrightarrow V,\; (\lambda,x)\mapsto \lambda x
$}$
so, daß die folgenden Axiome erfüllt sind.

Sei $ \mbox{$n\geq 1$}$ . Das Standardbeispiel eines Vektorraums ist die Menge $ \mbox{$K^n$}$ aller Spaltenvektoren mit $ \mbox{$n$}$ Einträgen aus $ \mbox{$K$}$ , zusammen mit der eintragsweisen Vektoraddition

$ \mbox{$\displaystyle
\left(\begin{array}{c}x_1\\  \vdots\\  x_n\end{array}\ri...
... \;:=\; \left(\begin{array}{c}x_1+y_1\\  \vdots\\  x_n+y_n\end{array}\right)
$}$
und der eintragsweisen Skalarmutliplikation
$ \mbox{$\displaystyle
\lambda \left(\begin{array}{c}x_1\\  \vdots\\  x_n\end{a...
...ft(\begin{array}{c}\lambda x_1\\  \vdots\\  \lambda x_n\end{array}\right)\;.
$}$

Ein weiteres Beispiel ist die Menge $ \mbox{$K[X]$}$ aller Polynome $ \mbox{$f(X)=\sum_k a_k X^k = \sum_{k\geq 0} a_k X^k$}$ mit Koeffizienten $ \mbox{$a_k\in K$}$ , wobei nur endlich viele $ \mbox{$a_k\ne 0$}$ sind, um eine endliche Summe zu erhalten. Die Menge $ \mbox{$K[X]$}$ wird zu einem Vektorraum über $ \mbox{$K$}$ mit der Vektoraddition

$ \mbox{$\displaystyle
\sum_k a_k X^k + \sum_k b_k X^k \;:=\; \sum_k (a_k+b_k) X^k
$}$
und der Skalarmultiplikation
$ \mbox{$\displaystyle
\lambda \left(\sum_k a_k X^k\right) \;:=\; \sum_k (\lambda a_k) X^k\;.
$}$

Unterräume.

Sei $ \mbox{$V$}$ ein Vektorraum über dem Körper $ \mbox{$K$}$ . Unter einem Unterraum von $ \mbox{$V$}$ versteht man eine Teilmege $ \mbox{$U\subseteq V$}$ von $ \mbox{$V$}$ mit den folgenden Eigenschaften.

Diese Bedingungen sind gleichbedeutend damit, daß $ \mbox{$U$}$ mit der in $ \mbox{$V$}$ definierten Vektoraddition und Skalarmultiplikation selbst ein Vektorraum ist.

Die Teilmengen $ \mbox{$\{0\}$}$ und $ \mbox{$V$}$ sind stets Unterräume eines Vektorraums $ \mbox{$V$}$ .

Der Durchschnitt von Unterräumen von $ \mbox{$V$}$ ist wieder ein Unterraum von $ \mbox{$V$}$ .

Basen.

Sei $ \mbox{$V$}$ ein fester Vektorraum über dem Körper $ \mbox{$K$}$ . Sei $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ ein Tupel von Vektoren $ \mbox{$x_1,\,\ldots,\, x_n\,\in\, V$}$ .

Unter einer Linearkombination von $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ über $ \mbox{$K$}$ versteht man einen Vektor der Form

$ \mbox{$\displaystyle
\sum_{k=1}^n \lambda_k x_k
$}$
mit $ \mbox{$\lambda_1,\ldots,\lambda_n\in K$}$ . Diese Linearkombination heißt trival, falls alle $ \mbox{$\lambda_k=0$}$ sind.

Die Menge

$ \mbox{$\displaystyle
\langle x_1,\ldots,x_n\rangle \;:=\; \left\{\sum_{k=1}^n\lambda_k x_k\vert\; \lambda_1,\ldots,\lambda_n\in K\right\}
$}$
der Linearkombinationen von $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ wird als das Erzeugnis von $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ bezeichnet. Es handelt sich dabei um einen Unterraum von $ \mbox{$V$}$ .

Das Tupel $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ heißt linear abhängig, falls es eine nicht-triviale Linearkombination

$ \mbox{$\displaystyle
\sum_{k=1}^n \lambda_k x_k \; =\; 0
$}$
gibt. Anderenfalls heißt das Tupel $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ linear unabhängig.

Das Tupel $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ ist also linear unabhängig genau dann, wenn $ \mbox{$0$}$ sich nur als triviale Linearkombination von $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ schreiben läßt.

Das Tupel $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ heißt erzeugend in $ \mbox{$V$}$ oder ein Erzeugendensystem von $ \mbox{$V$}$ , falls sich jeder Vektor in $ \mbox{$V$}$ als Linearkombination von $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ schreiben läßt, d.h. falls

$ \mbox{$\displaystyle
\langle x_1,\ldots,x_n\rangle\; =\; V \; .
$}$
Das Tupel $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ heißt eine Basis von $ \mbox{$V$}$ , falls es linear unabhängig und erzeugend in $ \mbox{$V$}$ ist. Dies ist gleichbedeutend damit, daß sich jeder Vektor in $ \mbox{$V$}$ in eindeutiger Weise als Linearkombination von $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ darstellen läßt.

Eine Basis des Vektorraums $ \mbox{$K^n$}$ ist zum Beispiel die Standardbasis, bestehend aus den $ \mbox{$n$}$ Einheitsvektoren

$ \mbox{$\displaystyle
e_1^{(n)}=e_1=\left(\begin{array}{c}1\\  0\\  \vdots\\  ...
...}=e_n=\left(\begin{array}{c}0\\  0\\  \vdots\\  0\\  1\end{array}\right)\; .
$}$

Ist $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_n)$}$ eine Basis von $ \mbox{$V$}$ , so ist die Anzahl der Vektoren in jeder Basis von $ \mbox{$V$}$ gleich $ \mbox{$n$}$ und wird als die Dimension von $ \mbox{$V$}$ bezeichnet, in Zeichen $ \mbox{$\dim V = n$}$ . In diesem Falle heißt der Vektorraum $ \mbox{$V$}$ endlichdimensional.

Der Vektorraum $ \mbox{$\{0\}$}$ besitzt die Basis $ \mbox{$()$}$ , das leere Tupel. Seine Dimension ist $ \mbox{$\dim\{0\}=0$}$ .

Besitzt der Vektorraum $ \mbox{$V$}$ keine (endliche) Basis, so schreiben wir $ \mbox{$\dim V=\infty$}$ .

Ist $ \mbox{$U$}$ ein Unterraum von $ \mbox{$V$}$ , so gilt stets $ \mbox{$\dim U\leq \dim V$}$ . Es gilt $ \mbox{$\dim U=\dim V$}$ genau dann, wenn $ \mbox{$U=V$}$ .

Basisauswahlsatz.

Besitzt $ \mbox{$V$}$ ein Erzeugendensystem $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_m)$}$ , so läßt sich aus dem Tupel $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_m)$}$ durch eventuelles Weglassen von Vektoren eine Basis von $ \mbox{$V$}$ auswählen. Insbesondere ist $ \mbox{$\dim V\leq m$}$ .

Ein erzeugendes Tupel in $ \mbox{$V$}$ der Länge $ \mbox{$\dim V$}$ ist stets eine Basis.

Praktisches Verfahren zur Auswahl einer Basis.

Sei $ \mbox{$U$}$ ein Unterraum von $ \mbox{$K^n$}$ mit Erzeugendensystem $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_m)$}$ . Um aus diesem Tupel eine Basis von $ \mbox{$U$}$ auszuwählen, schreibt man die Vektoren $ \mbox{$x_1,\dots,x_m$}$ als Spalten in eine Matrix und bringt diese auf Zeilenstufenform. Seien $ \mbox{$k_1,\dots,k_r$}$ die Nummern der ausgewählten Spalten. Dann ist $ \mbox{$(x_{k_1},\dots,x_{k_r})$}$ eine Basis von $ \mbox{$U$}$ .

Basisergänzungssatz.

Ist $ \mbox{$(x_1,\ldots,x_l)$}$ ein linear unabhängiges Tupel in einem Unterraum $ \mbox{$U$}$ von $ \mbox{$V$}$ , so läßt es sich durch eventuelles Hinzufügen von Vektoren zu einer Basis von $ \mbox{$V$}$ ergänzen. Insbesondere ist $ \mbox{$\dim U\geq l$}$ .

Ein linear unabhängiges Tupel in $ \mbox{$V$}$ der Länge $ \mbox{$\dim V < \infty$}$ ist stets eine Basis.

Praktisches Verfahren zur Basisergänzung.

Sei $ \mbox{$(x_1,\dots,x_l)$}$ ein linear unabhängiges Tupel von Vektoren in $ \mbox{$U = \langle x_{l+1},\dots,x_{l+m}\rangle$}$ . Schreibe $ \mbox{$(x_1,\dots,x_l,x_{l+1},\dots,x_{l+m})$}$ in die Spalten einer Matrix und bringe diese in Zeilenstufenform. Sind $ \mbox{$k_1$}$ , ..., $ \mbox{$k_{l+s}$}$ ihre ausgewählten Spalten, so ist $ \mbox{$k_i = i$}$ für $ \mbox{$1\leq i\leq l$}$ und $ \mbox{$(x_{k_1},\dots,x_{k_{l+s}})$}$ eine Ergänzung von $ \mbox{$(x_1,\dots,x_l)$}$ zu einer Basis von $ \mbox{$U$}$ .

Direkte Summe.

Seien $ \mbox{$U_1,\ldots, U_m$}$ Unterräume des Vektorraums $ \mbox{$V$}$ .

Die Summe der Unterräume $ \mbox{$U_1,\ldots, U_m$}$ ist definiert als

$ \mbox{$\displaystyle
U_1+\cdots+U_m \;:=\; \{x_1+\cdots+ x_m\vert\; x_1\in U_1,\ldots,x_m\in U_m\}\;.
$}$

Die Summe von Unterräumen von $ \mbox{$V$}$ ist wieder ein Unterraum von $ \mbox{$V$}$ .

Diese Summe heißt direkt, in Zeichen

$ \mbox{$\displaystyle
U_1\oplus\cdots\oplus U_m\; ,
$}$
falls aus $ \mbox{$x_1+\cdots+x_m=0$}$ mit $ \mbox{$x_1\in U_1,\,\ldots,\,x_m\,\in\, U_m$}$ stets $ \mbox{$x_1 = \ldots = x_m = 0$}$ folgt. Diese Bedingung ist gleichbedeutend damit, daß für jeden Vektor $ \mbox{$x_1+\ldots+x_m$}$ aus $ \mbox{$U_1+\cdots+U_m$}$ die Summanden $ \mbox{$x_1\in U_1,\,\ldots,\,x_m\,\in\, U_m$}$ eindeutig bestimmt sind.

Im Falle zweier Unterräume $ \mbox{$U_1$}$ , $ \mbox{$U_2$}$ von $ \mbox{$V$}$ ist die Summe $ \mbox{$U_1+U_2$}$ direkt genau dann, wenn $ \mbox{$U_1\cap U_2=\{0\}$}$ .

Sind Basen $ \mbox{$(x_1^{(k)},\ldots,x_{n_k}^{(k)})$}$ von $ \mbox{$U_k$}$ gegeben für $ \mbox{$1\leq k\leq m$}$ , so ist die Summe $ \mbox{$U_1+\cdots+U_m$}$ genau dann direkt, wenn das zusammengesetzte Tupel

$ \mbox{$\displaystyle
(x_1^{(1)},\ldots,x_{n_1}^{(1)},x_1^{(2)},\ldots,x_{n_2}^{(2)},\dots,x_1^{(m)},\ldots,x_{n_m}^{(m)})
$}$
linear unabhängig ist. In diesem Falle ist dieses Tupel eine Basis von $ \mbox{$U_1\oplus\cdots\oplus U_m$}$ .

Dimensionsformel.

Seien $ \mbox{$U_1,U_2$}$ Unterräume des Vektorraums $ \mbox{$V$}$ . Dann gilt die Dimensionsformel

$ \mbox{$\displaystyle
\dim(U_1+U_2) \;=\; \dim U_1+\dim U_2-\dim (U_1\cap U_2)\;.
$}$

Zassenhaus-Algorithmus.

Der Zassenhaus-Algorithmus ist ein praktisches Verfahren zur Bestimmung von Basen von $ \mbox{$U_1+U_2$}$ und $ \mbox{$U_1\cap U_2$}$ , wenn $ \mbox{$U_1,U_2$}$ Unterräume von $ \mbox{$K^n$}$ sind und Erzeugendensysteme jeweils gegeben sind.

Sei etwa $ \mbox{$U_1=\langle x_1,\dots,x_k\rangle$}$ und $ \mbox{$U_2=\langle y_1,\dots,y_l\rangle$}$ . Seien $ \mbox{$x_1^\text{t},\dots,x_k^\text{t}$}$ und $ \mbox{$y_1^\text{t},\dots,y_l^\text{t}$}$ die entsprechenden Zeilenvektoren. Man betrachte nun die folgende Matrix und bringe sie auf Zeilenstufenform:

$ \mbox{$\displaystyle
\left(\begin{array}{c\vert c}
x_1^\text{t} & x_1^\text{...
...\\
\vdots & \vdots \\
0\cdots 0 & 0\cdots 0 \\
\end{array}\right)\;.
$}$
Dabei seien die Zeilen $ \mbox{$b_1^\text{t},\dots,b_r^\text{t}$}$ und $ \mbox{$c_1^\text{t},\dots,c_s^\text{t}$}$ jeweils ungleich $ \mbox{$0$}$ .

Dann ist $ \mbox{$(b_1,\dots,b_r)$}$ eine Basis von von $ \mbox{$U_1+U_2$}$ , und $ \mbox{$(c_1,\dots,c_s)$}$ ist eine Basis von $ \mbox{$U_1\cap U_2$}$ .