Die besten Köpfe sollen Lehrer werden?

Tatsächlich wird oft postuliert, dass die besten Köpfe des Landes Lehrer werden sollen, aber meist von Leuten, die selber nicht Lehrer geworden sind, obwohl sie vielleicht durchaus zu den besten Köpfen zählen.
Darunter ist auch Herr Schleicher in seiner Eigenschaft als OECD-PISA-Koordinator.
Auch Frau Schavan hat - stellvertretend für die Bundesregierung - gefordert, die besten sollten Lehrer werden. Ihre Begründung bleibt allerdings merkwürdig vage.
Die Robert Bosch Stiftung ist auch dieser Ansicht: Die Lehrer sollen das "Unternehmen Schule" in die Zukunft führen. Es ginge auch darum, "die Lehramtsstudierenden mit Führungspotential zu identifizieren und zu fördern". Schließlich haben echte Führungskräfte in anderen Bereichen bessere Berufschancen und bessere Verdienstmöglichkeiten.

Weil aber nur ausnahmsweise Lehrer ohne das übliche Lehramtsstudium und das zweite Staatsexamen an deutschen Schulen geduldet werden,
heißt das zwangsläufig:

Die besten Köpfe unter den Abiturienten sollen ein Lehramtsstudium aufnehmen.

Offenbar tun sie das bislang noch nicht. Zu diesem Zweck wird das Lehramtsstudium ständig reformiert, und eine Prüfungsordnung jagt die andere. Nachdem in Baden-Württemberg gerade 2010 eine neue Prüfungsordnung in Kraft getreten war, gibt es ab 2016 schon wieder eine grundlegende Veränderung, nämlich zweistufig mit einem Bachelor und einem Master. Dadurch gelten dann eine Zeitlang immer drei oder gar vier Prüfungsordnungen nebeneinander, denn die "Altstudenten" sollen nach ihrer alten Prüfungsordnung abschließen dürfen. Offenbar meint man, diese ständigen Änderungen wirken besonders anziehend auf die besten Köpfe.

Frau Schavan bezieht sich auch auf eine Studie der Vodafone Stiftung, wobei
"nach den Ergebnissen der Studie fast die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer sagt, dass der Unterricht und der Umgang mit Schülerinnen und Schülern in den letzten Jahren anstrengender geworden sei, auch weil die Schule Aufgaben des Elternhauses mit übernehmen müsse."
Also meint Frau Schavan implizit, die anstrengende Übernahme von Aufgaben des Elternhauses wirke besonders anziehend auf die besten Köpfe des Landes.

Zusätzlich gibt es mittlerweile in allen Bundesländern interne und externe Evaluationen von Schulen mit großem Aufwand und einem
Wust von Bürokratie, die den Schulen das Leben schwer machen. Dafür sind die Schulleitungen verantwortlich, und die Lehrer sollen selbstverständlich bereitwillig mitmachen bei der Evaluation. In Bayern droht man schon mal, das dürfe aber keine Pflichtübung werden,
sondern man müsse eine positive Grundeinstellung dazu haben. Konkret ist es so, dass man z.B. in Hessen sogar schon in Grundschulen solche Evaluationen betreibt, indem bereits Zweitklässler mit ihrer offenbar natürlichen und angeborenen "Diagnosekompetenz" in Fragebögen diagnostizieren, ob die Lehrer auch genügend "Vermittlungskompetenz" besitzen: Hier steht es, es ist offenbar keine Satire.
[nebenbei: Andere sagen, die Lehrer sollen ja gar nicht vermitteln, sondern nur Lernbegleiter sein.]
Für solche Dinge gibt es eigens eine Lehrkräfteakademie mit mehreren Dezernaten. Ob die besten Köpfe mit einer positiven Grundeinstellung zu solchen Evaluationen nicht eher die Leitung eines solchen Dezernats oder einen Job im Landesinstitut für Schulentwicklung anstreben werden?

Ebenso wird ja erwartet, dass Lehrer eine positive Grundeinstellung zur Kompetenzorientierung, zur Heterogenität, zur Inklusion, zum jahrgangs-übergreifenden Lernen, zum Schreiben nach Anlauttabelle und einfach zu allem haben, was den Schulpolitikern der Landesregierungen in den nächsten Jahrzehnten noch so einfallen mag und was dann per "Change Management" durchgesetzt wird. Jetzige Abiturienten werden bis zu ihrer Pensionierung mindestens 10 Landesregierungen erleben, die jeweils - ihrer politischen Couleur entsprechend - Schulreformen durchführen werden.

Offenbar ist man der Meinung, die Unterwerfung unter Evaluationen nach der Vorgabe von Qualitätssicherungsagenturen sowie unter parteipolitisch motivierte Schulreformen wirke besonders anziehend auf die besten Köpfe. Ob das wohl stimmt?
Vielleicht ist es für die besten Köpfe noch attraktiver, sich gleich wissenschaftlich damit zu beschäftigen, z.B. in einem Projekt zu evidenzbasierten Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung. mit dem letztendlichen Ziel, einen Job ohne die anstrengende Übernahme von Aufgaben des Elternhauses zu bekommen, der dann auch noch höher bezahlt wird als der eines normalen Lehrers. Wenn man in diesem Zusammenhang danach fragt, ob die allerbesten Köpfe unter den Lehrern denn wenigstens die Chance hätten, später Schulleiter zu werden, dann muss man auch das mit einem großen Fragezeichen versehen. Die "Qualitätsagentur" QUA-LiS in Soest jedenfalls schreibt stolz in ihrer Homepage:
"Die Entwicklung von Unterstützungs-, Fortbildungs-, Überprüfungs- und Begleitkonzepten für Personengruppen, die sich auf ein Amt als Schulleiterin oder Schulleiter vorbereiten bzw. dieses Amt ausüben, gehört ebenfalls zu den Aufgaben der QUA-LiS NRW. Hierbei werden vier zentrale Bereiche bedient: die Leitungsqualifizierung, die Schulleitungsqualifizierung,
das Eignungsfeststellungsverfahren und das Schulleitungscoaching."
Das klingt wohl eher so, als ob man "Ja-Sager" als Schulleiter haben will, die sich bereitwillig der Schulbürokratie unterordnen. Auch das dürfte die besten Köpfe kaum anziehen. Wer das will, kann gleich Jurist und Verwaltungsbeamter werden. Da gibt es bessere Beförderungschancen und einen weniger anstrengenden Job. Was die besten Köpfe künftig wirklich studieren und welche Berufe sie anstreben werden, bleibt abzuwarten.