Rätselhafter Patient "Mathematikunterricht"
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wird "amtlich" erklärt, dass der Mathematikunterricht ein rätselhafter Patient ist.
Und im Folgenden wird versucht, die Ursachen ausfindig zu machen:
NEUES AUS DER ANSTALT
Wie es dem prominenten "Patienten Mathematikunterricht" wirklich geht
Ein Exklusivbericht von unserem Reporter-Team direkt aus der Anstalt
aus Anlass des KMK-Fachgesprächs am 4.12.2019
Man muss zunächst zugeben: Der Patient Mathematikunterricht war noch nie der
stärkste. Mit dem muskelstrotzenden Tarzan im Film konnte er nicht konkurrieren.
Er war eher blass und schmächtig, aber im Kopf jedenfalls war
er nicht nur normal, sondern eigentlich sogar sehr fähig,
wenn man ihn nur machen ließ.
In seinem Beruf hatte er es schwer, das hat ihm gewiss auch zugesetzt.
Aber noch 1970 galt der Patient als gesund, und noch vor 25-30 Jahren
hätte niemand gesagt, er sei ernstlich
krank und müsse in eine Anstalt eingeliefert werden.
Aber genau das ist jetzt geschehen, und zahlreiche Ärzte
bemühen sich, sein Ableben zu verhindern. Noch ist er nicht
auf der Intensivstation, aber auch davon wird manchmal schon gemunkelt.
Frage unseres Reporters Heinz Groß an den Chefarzt Dr. Knöll von der
psychiatrischen Abteilung: was genau fehlt dem Patienten denn?
Dr. Knöll: Das wissen wir leider nicht genau. Es handelt sich um ein
überaus komplexes Krankheitsbild mit zahlreichen widersprüchlichen Befunden.
Wir wissen nur, dass verschiedene sowohl
körperliche als auch psychische Symptome eine Rolle spielen.
Groß: Welche sind das?
Dr. Knöll: Der Patient ist immer mehr abgemagert. Das könnte mit der
zu geringen Zahl qualifizierter Mathematiklehrer im Lande zusammen hängen.
Er hat mal geklagt, es wird zu viel fachfremder Unterricht erteilt.
Und dann ist sein Herz in ganz schlechtem Zustand.
Es haben ja fachliche Autoritäten die Sätze geprägt:
"Beweise sind das Herz der Mathematik" (G.M.Ziegler) und
"la notion de preuve est au coeur de l'activité mathématique"
(Villani-Torossian). Er sagt aber, diese Beweise seien
Stück für Stück eliminiert worden. Sein Herz ist dadurch deutlich
geschwächt. Ein Ärzteteam von dem Pharmahersteller Bartelsfrau
hat schon vorgeschlagen, ein künstliches, digitales Herz einzupflanzen.
Wir sind grundsätzlich dazu auch bereit,
aber solche Herztransplantationen sind nicht ohne Risiko.
Groß: Und wie steht es um seine Psyche?
Dr Knöll: Leider besonders schlecht.
Sein Selbsbewusstsein ist massiv herabgesetzt. Das liegt auch an den
vielen Tests, die wir mit ihm machen mussten und die immer wieder
ergeben haben, dass die Arbeit des Patienten nicht erfolgreich war.
Sie müssen sich das so vorstellen: Immer wieder stand in der Zeitung
(nicht immer wahrheitsgemäß),
unser Patient sei unfähig und müsse eventuell ganz ersetzt werden
durch sogenannten projektorientierten Unterricht. So etwas hält
auch eine starke Psyche auf Dauer nicht aus. Ich muss selbstkritisch einräumen,
dass ich und mein Team diese Gefahr auch unterschätzt haben.
Aber auch wir wissen nichts über die wirklichen Zusammenhänge.
Wir stellen immer nur empirisch fest, was die Tests ergeben
Groß: Wer trägt denn die Verantwortung für die Probleme?
Dr. Knöll: Wir Ärzte ganz sicher nicht. Wir können ja nur konstatieren,
wie es dem Patienten geht. Alles andere sind Spekulationen.
Die letzte Verantwortung liegt bei den Politikern, die aber noch weniger
von der Sache verstehen. Sie kennen ja den üblichen Aktionismus
in der Politik.
Groß: Herr Dr. Knöll, wir danken Ihnen für diese Auskünfte.
Auch eine Krankenschwester war mit dem Patienten befasst und
war bereit, einige Fragen zu beantworten, aber lieber ohne Namensnennung.
Frage unserer Reporterin Martina Baum an die Krankenschwester:
Wie haben Sie den Patienten in letzter Zeit erlebt?
Schwester: Nun, er hat schon ein regelrechtes Martyrium diverser
Therapien durchmachen müssen, und leider hat nichts erkennbar geholfen.
Es ist wie verhext: Nach jeder Einnahme von Medikamenten ging es
ihm schlechter als vorher.
Baum: Und Sie haben dem einfach so zugesehen?
Schwester: Was sollte ich denn anderes machen? Ich kann doch den Ärzten
bei solchen Dingen nicht widersprechen.
Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte
ich ihm eine Ruhepause gegönnt und ihn in ein Sanatorium in
frischer Luft und mit gesunder Ernährung geschickt.
Die Medikamente hätte ich erstmal abgesetzt. Aber ich hatte das nicht
zu entscheiden.
Baum: Hatte sich denn jemand von außerhalb der Anstalt um ihn gekümmert?
Schwester: Wenig. Der eine oder andere von der Verwandtschaft kam mal
vorbei, hat sich aber aus allem rausgehalten. Insbesondere scheint niemand
angesichts des schlechten Zustands ein Gutachten in Auftrag gegeben haben,
wobei die Gutachter von dem Team der Anstalt unabhängig waren.
Das wäre vielleicht sinvoll gewesen, aber es
ging aus politischen Gründen offenbar nicht, so hat einer
mir gegenüber mal hinter vorgehaltener Hand angedeutet.
Baum: Vielen Dank für Ihre Erklärungen.
Frage unseres Reporters Wolfram Kühn an einen Arzt der Anstalt,
der unbedingt anonym bleiben will, weil er Repressalien befürchtet:
Von welchen Ärzten wurde der Patient anfangs behandelt,
und wer hat die beauftragt?
Antwort: Das ist ein gewichtiges Problem. Er wurde auf Befehl der
Regierung von einigen Ärzten behandelt, die später in unserer Anstalt
tätig waren, u.a. von dem Vorgänger des jetzigen Chefarztes,
damals noch an einer anderen Anstalt.
Ziel war es natürlich (und das wurde in unzähligen Pressemitteilungen
gesagt), den Patienten gesunden zu lassen,
aber offenbar hat die Therapie nicht richtig angeschlagen.
Im Gegenteil: Man hat ihm offenbar zweifelhafte Medikamente
verabreicht, erst die sogenannte Mengenlehre und dann --gegenläufig dazu --
die sogenante mathematische Modellierung in Verbindung mit
einer als besonders wichtig erklärten Kompetenzorientierung.
Das war gut gemeint, aber man hat die Nebenwirkungen offenbar unterschätzt.
Kühn: Und das hat keiner gemerkt?
Antwort: Naja, es haben sich einfach zu viele Ärzte unabhängig voneinander
an dem Patienten versucht, weil sie Karriere machen wollten.
Auch haben einige Politiker sich eingemischt und die Ärzte genötigt,
auf ihre jeweilige Parteidoktrin Rücksicht zu nehmen.
In der Zwischenzeit hat man daher positive Pressemeldungen
herausgegeben, um diese Erfolglosigkeit zu verschleiern.
Man hat immer betont, wie wichtig eine Gesundung unseres Patienten ist.
Aber es blieb weitgehend bei Postulaten.
Es ging ja auch um die Arzthonorare und die Fortführung der Behandlung
sowie eine gewisse Monopolstellung unseres Anstalt.
Kühn: Welche Ursachen könnte die heutige massive Verschlechterung
des Gesundheitszustands unseres prominenten Patienten haben,
wie kam es überhaupt dazu?
Antwort: Ja, wissen Sie, es gab vor knapp 20 Jahren diese VERONA-Studie
(übrigens auch unter Mitwirkung einiger Chefärzte),
die unserem Patienten mächtig zugesetzt hat. Er wurde plötzlich
von allen Seiten beschimpft, er würde nichts leisten, ja er sei
sogar in jeder Hinsicht impotent.
So etwas kann Depressionen auslösen und auch körperliche Beschwerden.
Kühn: Stimmten die Vorwürfe denn?
Antwort: Nein, es stimmte nicht annähernd so harsch wie es behauptet wurde.
Gewiss hat unser Patient nicht immer richtig gehandelt, aber es wurden
Kleinigkeiten in der Presse aufgebauscht. Sie wissen ja:
Wir haben in der großen Politik ein Meinungskartell,
und da gehen besonnene Stimmen schon mal unter.
Kühn: Was geschah dann?
Antwort: Es brach leider eine allgemeine Hysterie aus, die auch uns
in der Anstalt überrollte, zumal schon drei
Jahre später die nächste VERONA-Studie drohte. Unserem Patienten
wurde von seinen Ärzten mit Unterstützung von Politikern
hastig eine regelrechte Pferdekur verordnet,
die seine gesamte Ernährung und Lebensweise von Grund auf ändern wollte.
Man sprach von einem Paradigmenwechsel, was so viel bedeutet,
dass all das, wovon man vorher überzeugt war, nun plötzlich
als ganz schlecht bezeichnet wurde, und das, was man vorher
für nicht so wichtig hielt, jetzt an zentraler Stelle stand.
Man nannte das "mathematical literacy", was kaum adäquat in Deutsche
übersetzbar ist. Man versuchte, sich an Gepflogenheiten angelsächsischer
Länder zu orientieren.
Kühn: Hatte der Patient keine Verwandten, die ihm hätten helfen können?
Antwort: Das ist auch so ein Problem. Er hatte nahe Verwandte,
nämlich den Mathematikunterricht an den Universitäten. Da gab es aber
immer einen gewissen Standesunterschied, und das Verhältnis war
nicht besonders herzlich, sondern eher schwierig.
Vor allem hat diese Verwandtschaft der Behandlung durch die
vielen Ärzte eben eher passiv zugesehen.
Man wollte manche Probleme auch einfach nicht wahrhaben
oder kannte sie gar nicht, weil die Ärzte das lieber nicht offenlegen wollten.
Zudem kannten die Verwandten eben auch keine anderen Ärzte, die
dem Patienten besser hätten helfen können.
Die Erfahrungen aus dem Ausland waren zu widersprüchlich, als dass
man hier eine eindeutige Handlungsanweisung hätte ablesen können.
Natürlich gab es warnende Stimmen, wie immer in solchen Fällen.
Aber die konnten sich eben nicht durchsetzen.
Und nicht alle behandelnden Ärzte haben bekanntgegeben,
was sie konkret gemacht hatten oder vorhatten.
Es entwickelte sich eher eine Art von Ärztekartell mit
politischen Eigeninteressen, dem der
Patient mehr oder weniger hilflos ausgeliefert war.
Kühn: Vielen Dank für das Interview.
Abschließende Einschätzung unseres Reporter-Teams:
Angesicht der offensichtlichen Erfolglosigkeit der Therapien
(um nicht zu sagen: des Herumdokterns) an unserem Patienten
wäre vielleicht dem Patienten eine Erholungspause zu gönnen.
Seine eigene Schuld an der Misere dürfte gering sein, verantwortlich
sind vielmehr die mit der Politik verbundenen externen Mächte
mit teils unverträglichen Medikamenten.
Vielleicht hilft ja eine gesunde und natürliche Ernährung, die
uns allen heute von Kindergarten bis ins hohe Alter empfohlen wird.