Es wird oft behauptet, das Schlagwort von der
"Abschaffung des Gymnasiums" sei ein "Kampfbegriff"
konservativer Kreise, die um die Privilegien einer
"kleinen Elite" fürchten.
Das ist in zweierlei Hinsicht falsch:
1. Das Gymnasium wird heutzutage von ca. 50 % der Schülerinnen
und Schüler eines Jahrgangs besucht, Tendenz steigend.
In BW waren es zuletzt 45 %, in Hamburg sind es jetzt ca 55 %.
Das ist keine kleine Minderheit, eher schon eine Mehrheit.
2. Der sogenannte "Kampfbegriff" wird auch von denen benutzt,
die tatsächlich das Gymnasium als Schulform abschaffen wollen:
äußert sich ein Parteigenosse (und Gesamtschullehrer)
der Linkspartei. Wörtlich sagt er:
"Alleine die Tatsache, dass Gymnasien existieren, passt nicht in die
Idee des gemeinsamen Lernens. Ich bin für die Abschaffung von
Gymnasien, und dass es zukünftig nur noch Gesamtschulen als
weiterführende Schulen gibt.
Mein Beruf an einer Gesamtschule ist schon sozusagen ein Stück linkes Programm."
Besonders der letzte Satz ist bemerkenswert.
Damit ist die Katze aus dem Sack gelassen:
Reformen am Schulsystem werden der Parteipolitik unterworfen,
alle sonstigen Begründungen sind nur Ausreden.
Und etwaigen Dementis der Parteifunktionäre dazu
darf man nicht trauen. Im Wahlkampf 2015/16 in Baden-Württemberg
scheint man ganz ungeniert mit dem Slogan der
"einen Schule für alle" gegen die Gymnasien zu Felde zu
ziehen: Sie werden als "künftig überflüssig" bezeichnet,
das meldet jedenfalls die
Die Grünen verklausulieren ihr Ziel geschickt, scheinen aber ebenfalls
das Gymnasium als eigene Schulform abschaffen zu wollen.
Im Wahlprogramm zur Berliner Abgeordnetenhaus-Wahl 2016,
das an Info-Ständen verteilt wurde, heißt es wörtlich:
Alle Schulen müssen die Heterogenität ihrer Schüler/innen positiv
annehmen. Wir halten an unserem Ziel fest, eine Schule für alle
zu schaffen. Die erfolgreichen Gemeinschaftsschulen in Berlin zeigen,
wie man diesen Weg gemeinsam mit Schüler/innen, Lehrer/innen und
Eltern gehen kann. Wir wollen Schulen ermutigen, sich in
Gemeinschaftsschulen umzuwandeln. Damit ist auch klar, dass die Schule
der Zukunft eine inklusive Schule ist, in der alle Kinder und
Jugendlichen unabhängig von ihren physischen und psychischen
Voraussetzungen gemeinsam lernen."
Ob damit einfach nur ein Schultyp für alle neben anderen gemeint ist
oder ob es generell die eine Schule für alle sein soll
ohne weitere Alternativen, wird geschickt offen gelassen. Und die genannte
"Ermutigung" könnte auch bürokratisch mit Zuckerbrot und Peitsche
durchgeführt werden: Die "braven" Schulen werden belohnt, die
anderen bestraft. Manche nennen sowas "Change Management":
Änderungen werden "von oben nach unten" durchgedrückt, obwohl die
Leute "unten" das gar nicht haben wollen oder dagegen sind.
Das berühmte Zwei-Säulen-Modell mit nur einem Schultyp
neben dem Gymnasium wird erst propagiert und dann auch von denen, die es
propagieren, zur Abschaffung empfohlen. Im österreichischen Bundesland
ein "Wort zum Sonntag" zum Thema der Abschaffung der Gymnasien.
Andererseits hat man gerade in demjenigen Bundesland, dessen regierende
Parteigenossen die
Gesamtschulidee am entschiedensten umsetzen wollten (Bremen) zurückgerudert:
wird dafür die Begründung skizziert.
Es heißt plötzlich, der Übergang auf die "quotierten Gymnasien"
(mit nur 20 Prozent der Kinder) solle nicht nach dem Elternwillen, sondern
nach der Leistung in der Grundschule erfolgen.
Wörtlich heißt es:
In diesem "Schulfrieden"-Abkommen wurde auch geklärt,
dass der Zugang zu den Gymnasien in erster Linie von der Leistung
in der Grundschule abhängen sollte - die "freie Schulwahl"
nach dem Elternwillen wurde deutlich eingeschränkt.
Die genannten 20 Prozent entsprechen nebenbei auch ungefähr
der Quote, die sich in der Schweiz seit längerem eingependelt hat,
und das Prinzip des Übergangs ist genau das, was die Befürworter
(also diejenigen, die das Gymnasium als eigenständige Schulform nicht
abschaffen wollen) schon immer für richtig gehalten haben.
In der Schweiz gibt es dafür sogar Aufnahmeprüfungen (das ist
von Kanton zu Kanton aber verschieden).
Die bekannte Psychologin und Intelligenzforscherin
Elsbeth Stern (ETH Zürich) hält übrigens
einen Gymnasiastenanteil von 20 Prozent für angemessen und ausreichend:
Der in Bayern durch den Notendurchschnitt der Fächer Deutsch, Mathematik
und Sachkunde geregelte Übergang aufs Gymnasium ist Zielscheibe wütender
Angriffe. Zum Beispiel giftet die
dass die Trennlinie
von 2,33 gegenüber 2,34 doch ungerecht sei:
Mit 2,33 darf das Kind aufs Gymnasium, mit 2,34 aber nicht.
Die Wahrheit: Ein Durchschnitt von 2,34 kann überhaupt nie entstehen,
weil es der Durchschnitt dreier ganzer Zahlen ist,
die nächste Möglichkeit ist 2,66.
Und bei 2,66 darf das Kind aufs Gymnasium, wenn eine bestimmte
Zusatz-Klausur bestanden wird. Ist das wirklich grundsätzlich ungerecht?