8- und 9-jähriges Gymnasium
Was vielleicht nicht alle wissen und was
auch nicht laut gesagt wird:
In Deutschland gab es bis in die 1920er Jahre ein Abitur nach 12 Jahren,
man hatte nämlich 3 Jahre Grundschule ("Vorschule" genannt)
und ein 9-jähriges Gymnasium.
Siehe dazu auch
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diesen Beitrag. |
Dann wurde zur Zeit der Weimarer Republik die 4-jährige Grundschule
eingeführt, das 9-jährige Gymnasium wurde aber beibehalten.
Dadurch ergab sich eine 13-jährige Schulzeit.
Um schneller mehr Offiziersanwärter mit Abitur rekrutieren zu können,
hat die nationalsozialistische Regierung verfügt, dass ab 1937
die 13. Klasse (Oberprima) abgeschafft wird und somit
das Gymnasium auf 8 Jahre verkürzt wird.
Offizielle Begründung:
"Die Durchführung des Vierjahresplanes sowie der Nachwuchsbedarf
der Wehrmacht und akademischer Berufe erfordern es ... die
... angekündigte
zwölfjährige Schulzeit schon von Ostern 1937 ab einzuführen."
(zitiert nach: Rolf-Dieter Müller und Hans Erich Volkmann (Hrsg.),
Die Wehrmacht,
Oldenbourg-Verlag 1999, S. 447)
Nach 1945 kehrte man in der Bundesrepublik zu 13 Schuljahren zurück,
während die DDR die 12-jährige Schulzeit beibehielt.
Nach der Wiedervereinigung 1990 haben einige der neuen Bundesländer
dann das 13. Schuljahr eingeführt, später haben die meisten
Bundesländer (in Ost und West) das 13. Schuljahr wieder abgeschafft
(Ausnahme: Rheinland-Pfalz) unter Beibehaltung
der Gesamtstundenzahl am Gymnasium (265 Wochen-Stunden).
Das sog. "Turbo-Abitur" wird somit nach 12 Schuljahren abgelegt.
Eine der Begründungen:
"Die Wirtschaft soll auf im Durchschnitt ein Jahr jüngere
Berufseinsteiger mit Abitur bzw. abgeschlossener Hochschulreife
zurückgreifen können."
(Formulierung von Wikipedia übernommen)
In NRW und in BW haben die neuen Landesregierungen (rot-grün
bzw. grün-rot) 2010 bzw. 2011
angekündigt, die Abschaffung des 13. Schuljahres partiell
wieder rückgängig zu machen.
In NRW durfte in einem gewissen Zeitfenster
jedes Gymnasium selbst entscheiden, ob das Abitur nach 8 oder 9
Schuljahren erworben werden soll (Antragsverfahren).
Jetzt formiert sich gegen G8 eine
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Bürgerinitiative. |
Ähnlich ist die Lage in Hamburg und Bayern. Auch hier entwickeln
sich Bürgerinitiativen gegen G8. Niedersachen hat G9 wieder eingeführt.
Sogar der langjährige Schulpolitiker Jürgen Zöllner (SPD)
hat in einem
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unumwunden zugegeben (leider erst am Ende seiner Amtszeit als Berliner
Schulsenator):
"Die Schulzeitverkürzung am Gymnasium war ein Fehler. Wir können
nicht einerseits wollen, dass mehr junge Menschen Abitur machen, und
gleichzeitig die Schuljahre verringern. Das konnte nicht ohne extreme
Probleme funktionieren."
In demselben Interview gibt er auch zu, dass man mit der Schulzeitverkürzung
Geld sparen wollte, etwas, das sonst immer nur abgestritten wird.
Nebenbei: Hartnäckigen Gerüchten zufolge wollte man auch durch die
Einführung der Inklusion Geld sparen.
Nach einem Schulversuch in Rheinland-Pfalz zu G8 ab 1985,
deklariert als "Begabtenförderung", schrieb derselbe Jürgen Zöllner in
den Abschlussbericht:
"Zusammenfassend kann man sagen, dass offensichtlich etwa 20 bis 25 Prozent
der Schülerinnen und Schüler eines Gymnasialjahrgangs in der Lage sind,
das Angebot 'Begabtenförderung mit Schulverkürzung' [also G8]
erfolgreich wahrzunehmen".
(zitiert nach Josef Kraus: Wie man eine Bildungsnation an die
Wand fährt, Herbig 2017, Seite 124)
Tatsächlich hat man wesentlich mehr als 25 % eines Jahrgangs an die
G8-Gymnasien geschickt und dann Studien über Stress, Wohlfühlen,
Freizeitverhalten usw. finanziert. Auch stieg die Zahl der Sitzenbleiber an.
Auch in BW gibt es seit 2012 einen Modellversuch mit G9.
Eine generelle Rückkehr zu G9 ist
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sehr umstritten, |
siehe auch diesen Artikel in der
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FAZ. |
Dagegen überlegt man
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in Hessen noch. |
Ferner wurde eine Art von Ersatz für das 13. Schuljahr für
bestimmte Studienfächer durch ein (freiwilliges) extra Studienjahr beim
MINT-Kolleg geschaffen.
Dadurch wird allerdings die o.g. Begründung ad absurdum geführt,
denn die tatsächliche Gesamtdauer ändert sich dann gerade nicht.
Weitere Details finden sich bei
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Wikipedia. |