Prof. Dr. Jens Wirth
Institut für Analysis, Dynamik und Modellierung
Universität Stuttgart

Funktionalanalysis

4. Auflage

©2005–2025 Jens Wirth

Inhaltsverzeichnis

Grundkonzepte: Räume und Algebren
1.1  Normierte Räume und Banachräume
1.2  Beschränkte Operatoren und Banachalgebren
1.3  Unterräume und Approximationsaufgaben
1.4  Der Bairesche Kategoriensatz und seine Folgerungen
1.5  Hilberträume
1.6  Ausblick: Lokalkonvexe Vektorräume
1.7  Die Topologie der starken Operatorkonvergenz
Dualitätstheorie
2.1  Dualräume
2.2  Darstellungssätze
2.3  Reflexivität
2.4  Schwache Konvergenz
2.5  Schwach-*-Konvergenz
2.6  Schwache Folgenkompaktheit
2.7  Appendix: Schwache Kompaktheitssätze
Operatorgleichungen mit kompakten Operatoren
3.1  Kompakte Operatoren
3.2  Endlichdimensionale Operatoren und die Approximationseigenschaft
3.3  Riesz-Theorie kompakter Operatoren
3.4  Fredholm-Theorie kompakter Operatoren
3.5  Fredholmoperatoren und Index
Spektraltheorie
4.1  Der Spektralsatz von Riesz–Schauder
4.2  Schmidt-Reihen, Spuren und Schattenklassen kompakter Operatoren
4.3  Das analytische Spektralkalkül

Vorrede

Die Funktionalanalysis liefert ein mächtiges Hilfsmittel sowohl zum abstrakten Beschreiben, als auch zum Lösen einer Vielzahl von Problemstellungen der angewandten Mathematik. Ziel der Vorlesung soll neben einer Einführung in die grundlegenden Konzepte wie Banach- und Hilberträume, Algebren beschränkter Operatoren und dualer Räume die Behandlung abstrakter Operatorgleichungen und die Anwendung der Resultate auf Integralgleichungen zweiter Art sein.

Abschluß der Vorlesung bildet eine Einführung in die Spektraltheorie beschränkter Operatoren auf Banach- und Hilberträumen, die Grundlage für weitere Betrachtungen sein kann und sollte.

Weitere Anwendungen und Bezüge zur Behandlung partieller Differentialgleichungen oder singulärer Integralgleichungen können nur am Rande erwähnt werden, für Aspekte nichtlinearer Funktionalanalysis sei auf weiterführende Vorlesungen verwiesen.

Der Autor bedankt sich bei allen die geholfen haben, das Skript korrekturzulesen und zu verbessern. Besonderer Dank gebührt dabei Jonas Hetz.

(Weiterführende) Literatur

[1]

D. Werner, Funktionalanalysis
Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002

[2]

H. Heuser, Funktionalanalysis
B.G.Teubner, Stuttgart 1992

[3]

M. Dobrowolski, Angewandte Funktionalanalysis
Springer-Verlag Berlin-Heidelberg 2006

[4]

F. Hirzebruch, W. Scharlau, Einführung in die Funktionalanalysis
Spektrum 1996

[5]

K. Yosida, Functional Analysis
Springer-Verlag New York 1980

[6]

W. Rudin, Real and Complex Analysis
McGraw-Hill 1970

[7]

Sh. Kantorovitz, Introduction to Modern Analysis
Oxford University Press 2006

[8]

F. Riesz, B. Sz.-Nagy, Functional Analysis
Frederick Ungar Publishing Co. New York 1955 (Reprint: Dover 1990)

[9]

M. Reed, B. Simon, Methods of Mathematical Physics I (Functional Analysis)
Academic Press 1981

[10]

R. Kress, Linear Integral Equations
Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1989

[11]

R.G. Douglas, Banach Algebra Techniques in Operator Theory
Springer-Verlag New York 1998

[12]

J. Lindenstrauss, L. Tzafriri, Classical Banach Spaces I and II
Springer-Verlag New York 1996

[13]

I. Gohberg, M. Krein, Introduction to the Theory of Linear Nonselfadjoint Operators in a Hilbert Space
American Mathematical Society, 1969

Notation

Im folgenden bezeichne

= {0, 1,...} die Menge der natürlichen Zahlen (mit Null);

, , , die Mengen der ganzen, rationalen, reellen und komplexen Zahlen;

0 die Kardinalität der natürlichen Zahlen; und 1 die Kardinalität von ;1

¯ = {±} die (ordnungserhaltende) Kompaktifizierung von ;

^ = {} die Kompaktifizierung von (Riemannsche Zahlenkugel);

i die imaginäre Einheit, e die eulersche Konstante, log den natürlichen Logarithmus;

𝕂 einen der Körper oder ;

𝕂m×n den Vektorraum der m × n-Matrizen über 𝕂;

span U bzw. span 𝕂U die lineare Hülle von U V für einen 𝕂-Vektorraum V ;

conv U die konvexe Hülle von U in V ;

span ¯U und conv ¯U die abgeschlossene lineare/konvexe Hülle einer Menge U V ;

|X| das Lebesguemaß einer lebesguemeßbaren Teilmenge X n
(oder X n 2n);

f(x)dx das Lebesgueintegral einer lebesguemeßbaren Funktion f : n ;

f(x)dx das uneigentliche Riemann(-Lebesgue-)integral von f : ;

x Norm eines Elements in einem normierten Raum;

(x,y) Skalarprodukt zweier Elemente eines Innenproduktraumes;

ϕ,x Anwendung der Linearform ϕ auf das Element x.

1  Grundkonzepte: Räume und Algebren

Alles ist Raum.

1.1  Normierte Räume und Banachräume

Normen

Ein erster Schritt in die Funktionalanalysis besteht darin, Strukturen der linearen Algebra mit denen der Topologie, also mit Konvergenzbegriffen und Vorstellungen von Nähe und Umgebung, zu verbinden.

Wir beginnen damit, Vektorräume mit einer Norm zu versehen, die anschaulich gesprochen, den Abstand zum Nullvektor mißt. Sei im folgenden 𝕂 einer der Körper oder .

1.1.1 Definition. Ein normierter Raum über 𝕂 ist ein Paar (V,) bestehend aus einem 𝕂-Vektorraum V und einer Normfunktion : V , welche die folgenden Bedingungen erfüllt:

  1. Es gilt x 0 für alle x V .

  2. Es gilt x = 0 genau dann, wenn x = 0 gilt.

  3. Für alle λ 𝕂 und alle x V gilt λx = |λ|x.

  4. Für x,y V gilt die Dreiecksungleichung x + yx + y.

Es gibt viele Möglichkeiten einen gegebenen Vektorraum mit einer Norm zu versehen.

1.1.2 Beispiel. Auf dem Vektorraum n betrachten wir die p-Normen, die für Vektoren x = (x1,,xn) n durch

xp := ( i=1n|x i|p) 1p,p [1,)
(1.1)

und

x := max i=1, n|xi|
(1.2)

definiert sind. Es gilt für alle p [1,] und alle x n

x xp x1 nx.
(1.3)

1.1.3 Proposition. Jeder normierte Raum (V,) ist durch Einführen der zugeordneten Metrik

dist (x,y) = x y = dist (x y, 0)
(1.4)

ein metrischer Raum.

Insbesondere übertragen sich damit alle für metrische Räume eingeführten Begriffe und gezeigten Sätze unmittelbar auf normierte Räume. So heißt eine Teilmenge U eines normierten Raumes V

Abbildungen zwischen normierten Räumen heißen stetig, falls Urbilder offener Mengen offen sind. Wir wollen das hier nicht weiter im Detail ausführen, werden aber gelegentlich auf diese von der metrischen Struktur abgeleiteten Begriffe zurückkommen.

1.1.4 Definition. Zwei verschiedene Normen A und B auf V heißen äquivalent, falls es eine Konstante C > 0 gibt, so daß für alle x V

C1x A xB CxA.
(1.5)

1.1.5 Satz. Sei V endlichdimensional. Dann sind auf V alle Normen äquivalent.

Beweis. Sei dim V = n und {e1,,en} eine Basis von V . Wir zeigen, daß jede Norm zur 1-Norm oder Summennorm

k=1nα kek 1 = k=1n|α k|
(1.6)

äquivalent ist. Aus der Dreiecksungleichung folgt zunächst

x = k=1nα kek k=1n|α k|ek C2x1
(1.7)

mit C2 = max ek. Betrachtet man umgekehrt die Abbildung

N : V xx ,
(1.8)

so ist diese wegen |N(x) N(y)| = |xy|x y C2x y1 stetig auf (V,1). Die Einheitssphäre

S := {x V |x1 = 1}
(1.9)

ist als Urbild von {1} unter xx1 abgeschlossen und (wegen der kanonischen Identifikation von (V,1) mit (𝕂n, 1)) kompakt. Nach dem Satz von Weierstraß ist also N auf S nach (oben und) unten beschränkt. Da die Extremwerte angenommen werden, existiert ein C1 > 0 mit

x = x1 x x1 x1C1.
(1.10)

Damit ist die Äquivalenz gezeigt. □

Im folgenden sollen im wesentlichen nur noch unendlichdimensionale Vektorräume betrachtet werden, die endlichdimensionalen sind durch den vorhergehenden Satz auf die euklidischen Räume (n, 2) beziehungsweise die unitären Räume (n, 2) zurückgeführt und damit (im Sinne dieser Vorlesung) trivial.

1.1.6 Beispiele. Es sei 𝔠0 die Menge der komplexen Nullfolgen (zn). Bezeichnet man nun zur Nullfolge (zn) ihr Supremum mit (zn) := sup n|zn|, so wird damit 𝔠0 zu einem normierten Raum. Mit derselben Definition kann man auch die Menge 𝔠 der konvergenten Folgen und die Menge der beschränkten Folgen zu einem normierten Raum machen. Man weise die Normeigenschaften nach.

1.1.7 Beispiel. Sei X ein kompakter metrischer Raum und sei weiter C(X) der Vektorraum der stetigen komplexwertigen Funktionen auf X. Dann wird C(X) durch die Supremumsnorm f := sup xX|f(x)| zu einem normierten Raum.

1.1.8 Beispiel. Sei 𝔻 = {ζ : |ζ| < 1} die offene Einheitskreisscheibe in und bezeichne 𝔄(𝔻) den Vektorraum der auf 𝔻 analytischen Funktionen. Dieser wird für jedes γ (0, 1) durch die Norm f(γ) = sup |ζ|=γ|f(ζ)| zu einem normierten Raum. Man weise wiederum die Normeigenschaften nach und zeige, daß die so definierten Normen nicht äquivalent sind.

Konvergenz

Da jeder normierte Raum ein metrischer Raum ist, übertragen sich Begriffe wie Konvergenz und Stetigkeit. Sei also im Raum (V,) eine Folge xn V gegeben. Die Folge konvergiert gegen x V , falls die Folge der Normen xn x eine Nullfolge bildet. Wir schreiben dafür kurz xn x für n . Elementare Eigenschaften konvergenter Folgen übertragen sich unmittelbar von reellen Zahlenfolgen auf Folgen in normierten Räumen.

1.1.9 Proposition.

  1. xn x impliziert xnx und sup nxn < .

  2. xn x und yn y impliziert xn + yn x + y.

  3. xn x und αn α für αn,α 𝕂 impliziert αnxn αx.

Der Beweis verbleibt als Übungsaufgabe.

Vollständigkeit

Unmittelbar aus der Dreiecksungleichung für Normen ergibt sich, daß jede konvergente Folge in V eine Cauchyfolge1 ist, d.h.

𝜀 > 0 : N : m,n > N : xm xn 𝜀.
(1.11)

Die Umkehrung dieser Aussage gilt nur in vollständigen metrischen Räumen. Angewandt auf normierte Räume legt das folgende Definition nahe.

1.1.10 Definition. Ein normierter Raum heißt Banachraum2 , falls er (als metrischer Raum) vollständig ist.

Analog zur Konstruktion von aus , kann man jeden normierten Raum durch Hinzunehmen von Elementen vervollständigen. Dies soll als nächstes gezeigt werden.

1.1.11 Satz. Jeder normierte Raum läßt sich auf eindeutige Weise zu einem Banachraum vervollständigen.

Beweis. Der Beweis ergibt sich ähnlich dem für metrische Räume. Bezeichne V den normierten Raum und C(V ) die Menge der Cauchyfolgen aus Elementen von V . Zwei Cauchyfolgen (xn) und (yn) wollen wir als äquivalent bezeichnen, (xn) (yn), falls die Differenz (xn yn) eine Nullfolge bildet. Ist die Folge (xn) in V konvergent, so damit auch (yn) und wir können die Elemente von V mit den konvergenten Folgen aus C(V ) identifizieren. Dies liefert eine Einbettung

V C(V ).
(1.12)

Als nächsten Schritt wollen wir auf C(V ) eine Norm definieren, welche die aus V fortsetzt. Dazu setzen wir für (xn) C(V )

(xn) := lim nxn
(1.13)

die Existenz des Grenzwertes folgt aus der umgekehrten Dreiecksungleichung zusammen mit der Cauchyfolgeneigenschaft.

Diese Norm ist auf Äquivalenzklassen konstant und stimmt für konvergente Folgen mit der Norm in V überein (insbesondere ist V in C(V ) eingebettet). Als letzten Schritt zeigen wir, daß C(V ) versehen mit dieser Norm ein Banachraum ist. Sei dazu (xm)n = (xm,n) eine Cauchyfolge aus C(V ). Wir konstruieren eine mögliche Grenzfolge. Für jedes n sei mn so groß gewählt, daß

xm,n xmn,n n1,m > m n.
(1.14)

Betrachtet man jetzt die Diagonalfolge (xmn,n) so gilt

(xm)n xmn,n = lim mxm,n xmn,n n1 0
(1.15)

(wobei wir V mit seinem Bild in C(V ) identifiziert haben) und damit

xmn,n xmk,k xmn,n (xm)n + (xm)n (xm)k + (xm)k xmk,k n1 + (x m)n (xm)k + k1,
(1.16)
wobei der zweite Summand wegen der Cauchyfolgenbedingung in C(V ) beliebig klein wird. Also ist die Diagonalfolge (xmn,n) Cauchyfolge. Weiter gilt

(xmk,k) (xk)n (xmk,k) xmn,n + xmn,n (xk)n (xmk,k) xmn,n + n1 lim kxmk,k xmn,n + n1 lim k(xm)k (xm)n + 2n1
(1.17)
Und damit konvergiert (xm)n in C(V ) gegen (xmn,n). Damit haben wir eine Grenzfolge konstruiert und der Existenzbeweis ist beendet.

Für die Eindeutigkeit betrachten wir die Einbettung eines normierten Raumes V in eine seiner Vervollständigungen W. Insbesondere ist V dicht in W. Wendet man nun auf V den obigen Prozeß an und konstruiert C(V ), so kann man C(V ) in C(W) = W einbetten. Da C(V ) vollständig ist, ist er in C(W) = W abgeschlossen. Dichtheit liefert Gleichheit beider Räume. □

1.1.12 Beispiele. Beispiele zu Banach-Räumen zu formulieren bedeutet in der Regel schwerwiegende mathematische Sätze zu zitieren. Einfachste Beispiele sind alle endlichdimensionalen Räume. Daneben haben wir bereits die Folgenräume

  1. 𝔠0 versehen mit der Maximumnorm,

  2. 𝔠 versehen mit der Supremumsnorm,

  3. versehen mit der Supremumsnorm,

kennengelernt, deren Vollständigkeit als Übungsaufgabe gezeigt werden kann. Weitere Folgenräume ergeben sich als Beispiele der lebesgueschen Integrationstheorie

  1. p := {(z n)| n|zn|p < } versehen mit der p-Norm, welcher als Lp(, #), versehen mit dem Zählmaß #, verstanden werden kann.

1.1.13 Beispiel. Der oben erwähnte Raum der stetigen Funktionen C(X) auf einem kompakten metrischen Raum X ist vollständig. Konvergenz in der Supremumsnorm entspricht gleichmäßiger Konvergenz.

1.1.14 Beispiel. Das oben ebenso erwähnte Beispiel eines Raumes analytischer Funktionen auf der Einheitskreisscheibe 𝔻 ist nicht vollständig. Jede Potenzreihe mit Konvergenzradius > 12 konvergiert in der Norm (12), die Grenzfunktion liegt also nicht unbedingt in 𝔄(𝔻).

1.1.15 Beispiel. Eine wichtige Klasse von Banachräumen sind die Lebesgueräume3 Lp(n) versehen mit der Lp-Norm

fp := (|f(x)|pdx)1p,f = esssup x|f(x)|.
(1.18)

Sie sind ein Spezialfall der allgemeinen Lebesgueräume Lp(X,Ω,μ), Ω eine σ-Algebra auf X und μ : Ω ein Maß.

1.1.16 Beispiel. Ein letztes Beispiel soll die Konstruktion eines neuen Raumes aus zwei normierten Räumen sein, der Produktraum. Seien dazu (V 1,1) und (V 2,2) normierte Räume. Dann definiert

(x,y)1×2 := x1 + y2
(1.19)

auf dem Vektorraum der geordneten Paare, V 1 × V 2, eine Norm. Der Produktraum ist ein Banachraum, wenn beide Faktoren welche sind. Neben der oben angegebenen Norm kann man auf dem Produktraum auch die (dazu äquivalenten) Normen

(x1p + y 2p) 1p,oder max (x 1,y2) (1.20)

verwenden. Das Beispiel überträgt sich unmittelbar auf alle endlichen Produkte.

In Banachräumen gelten alle Sätze, die man als Folgerung des Cauchykriteriums für Folgen erhält. Insbesondere ergeben sich wichtige Konvergenzkriterien für Reihen.

1.1.17 Satz (Majorantenkriterium). Sei (xn)n eine Folge in einem Banachraum V mit xn αn. Gilt dann nαn < , so konvergiert die Reihe

n=0x n
(1.21)

unbedingt in V , das heißt es existiert ein x V und die Reihe sowie jede ihrer Umordnungen sind konvergent und streben gegen den Grenzwert x.

Beweis. Wir zeigen zuerst die Konvergenz. Sei sn = k=0nx k die n-te Partialsumme der Reihe. Dann gilt für alle n m

sm sn = k=n+1mx k k=n+1mx k k=n+1mα k.
(1.22)

Da kαk konvergiert, existiert also zu jedem 𝜀 > 0 ein N𝜀, so daß für alle m,n > N𝜀 der letzte Ausdruck kleiner 𝜀 ist. Damit ist aber die Folge (sn)n Cauchy-Folge und somit im Banachraum V konvergent. Also konvergiert die Reihe.

Sei nun π : eine beliebige Permutation der natürlichen Zahlen. Sei weiter s~n die n-te Partialsumme der umgeordneten Reihe s~n = k=0nx π(k). Betrachtet man nun die Differenz sn s~n, so gilt

sn s~n k{0..n}π({0..n})xk + kπ({0..n}){0..n}xk k>nαπ(k) + k>nαk
(1.23)

und da sowohl die Reihe αk als auch die Reihe απ(k) konvergieren existiert zu jedem 𝜀 > 0 ein N𝜀, so daß für n > N𝜀 beide Reihenreste kleiner 𝜀2 sind. Also haben Reihe und Umordnung denselben Grenzwert in V und der Satz ist bewiesen. □

Es gilt auch eine Umkehrung der gerade gezeigten Aussage. Diese liefert ein einfaches (aber nützliches) Kriterium zur Vollständigkeit eines normierten Raumes. Es gilt

1.1.18 Proposition. Sei V normierter Raum. Angenommen für jede Folge (xn)n mit n=0x n < existiert ein x V mit x = n=0x n. Dann ist V Banachraum.

Der Beweis verbleibt als Übungsaufgabe.

1.2  Beschränkte Operatoren und Banachalgebren

Lineare Abbildungen und Stetigkeit

Seien (V 1,1) und (V 2,2) normierte Räume. Um (uninteressante) Sonderfälle auszuschließen sei auch V 1{0}. Wir wollen zuerst der Frage nachgehen, wann eine lineare Abbildung A : V 1 V 2 bezüglich der durch die Normen induzierten Topologie stetig ist.

1.2.1 Satz. Für eine lineare Abbildung A : V 1 V 2 sind äquivalent:

  1. A ist stetig.

  2. A ist an der Stelle 0 V 1 stetig.

  3. Für A ist der Quotient Ax2x1 auf V 1 {0} beschränkt.

  4. A ist beschränkt, das heißt A bildet beschränkte Teilmengen auf beschränkte Teilmengen ab.

Beweis. (1) (2) ist klar. (2) (3) Angenommen (3) gilt nicht. Dann existiert eine Folge xn, so daß Axn2 n2x n1 gilt. Betrachtet man nun die Nullfolge yn = xnnxn1, so folgt Ayn2 n, A ist also in 0 nicht stetig. (3) (4) Sei C = sup x0Ax2x1 und M V 1 eine beschränkte Menge. Dann gibt es ein R > 0, so daß

M BR := {x V 1|x1 R}.

Weiter folgt, daß A(BR) BCR gilt, also A(M) BCR beschränkt ist. (4) (3) Anwendung auf die Einheitskugel in V 1. (3) (1) Sei xn x eine konvergente Folge in V 1. Dann gilt mit C = sup x0Ax2x1

Axn Ax2 = A(xn x)2 Cxn x1.
(1.1)

1.2.2 Definition. Sei A : V 1 V 2 beschränkt. Dann bezeichnet

A := sup x0Ax2 x1 = sup x1=1Ax2
(1.2)

die Operatornorm von A. Die Menge der beschränkten linearen Abbildungen L(V 1,V 2) wird damit zu einem normierten Raum, dem Raum der beschränkten Operatoren.

1.2.3 Proposition.

  1. A = 0 impliziert A = 0.

  2. αA = |α|A

  3. A + BA + B

1.2.4 Satz. Sei V 2 ein Banachraum. Dann ist auch L(V 1,V 2) ein Banachraum.

Beweis. Sei Ak eine Cauchyfolge aus L(V 1,V 2). Dann ist wegen

Akx AlxAk Alx
(1.3)

(Akx) für jedes x V 1 eine Cauchyfolge aus V 2. Sei ihr Grenzwert mit Ax bezeichnet. Dann ist A offenbar linear und wegen

Ax = lim kAkxx lim kAk <
(1.4)

beschränkt. Insbesondere gilt Akx Ax = lim lAkx Alx 𝜀x, k > N(𝜀) und damit auch A Ak 0. □

Beispiele

1.2.5 Beispiel. Sind V 1 und V 2 beide endlichdimensional, so kann man den Raum der beschränkten Operatoren mit dem Vektorraum der Matrizen identifizieren, insbesondere gilt L(𝕂n, 𝕂m) = 𝕂m×n.

1.2.6 Beispiel. Beschränkte Operatoren zwischen Folgenräumen lassen sich als unendliche Matrizen verstehen. Wir betrachten einen einfachen Fall. Sei dazu A : 1 1 beschränkt. Sei weiter em die Folge (0, 0,, 1, 0,), die nur an der m-ten Stelle den Eintrag 1 besitzt. Bezeichnet man Aem = (αn)m = (αn,m). Dann kann man die Anwendung des Operators A als Matrix-Vektor-Multiplikation verstehen

(yn) = A(xm) = A mxmem = mxm(αn)m,alsoyn = mαn,mxm.
(1.5)

Die auftretenden Reihen konvergieren. Es stellt sich die Frage nach Bedingungen an die Koeffizienten αm,n, so daß der entstehende Operator beschränkt ist. Hinreichende Bedingungen sind einfach zu formulieren, da sie nur auf die Anwendung der Dreiecksungleichung hinauslaufen. So ist wegen

(yn)1 = n|yn| = n | mαn,mxm| ( n max m|αn,m|) m|xm| = C(xm)1
(1.6)

der Operator A beschränkt, falls

C = n max m|αn,m| <
(1.7)

gilt. An dieser Stelle müssen wir offenlassen, ob die Umkehrung dieser Aussage richtig ist.

1.2.7 Beispiel. Seien X,Y n der Abschluß beschränkter Gebiete und k C(X × Y ) eine auf dem Produkt definierte stetige Funktion. Dann kann man vermittels k durch das Integral

Kf(y) =Xk(x,y)f(x)dx
(1.8)

einen Operator K : C(X) C(Y ) definieren. Dieser ist beschränkt, da

Kf = sup yY |Xk(x,y)f(x)dx| |X|kf
(1.9)

gilt. Insbesondere ist auch die Zuordnung

C(X × Y ) kK L(C(X),C(Y ))
(1.10)

selbst ein beschränkter Operator. Man bezeichnet K als den Integraloperator mit stetiger Kernfunktion k(x,y).

1.2.8 Beispiel. Sei für 1 p < der Hardyraum4

Hp(𝔻) = {f 𝔄(𝔻)| sup 0<r<102π|f(rei𝜃)|pd𝜃 < }
(1.11)

definiert. Dieser ist ein Banachraum (Übung!) mit der Eigenschaft, daß die für jedes z 𝔻 und jedes k die Auswertung

Hp(𝔻) ff(k)(z) = k! 2πi f(ζ) (ζ z)k+1dζ
(1.12)

der k-ten Ableitung an der Stelle ζ stetig ist. Dies folgt direkt aus der Hölderungleichung angewandt auf die Cauchysche Integralformel.

Produktstruktur. Ist A L(V 1,V 2) und B L(V 2,V 3), so kann man die Verkettung BA betrachten. Für die Operatornorm von BA erhält man wegen

BAxBAxBAx

die Abschätzung der Submultiplikativität der Operatornorm

BABA.
(1.13)

1.2.9 Definition. Eine lineare Abbildung A L(V 1,V 2) heißt ein Isomorphismus der normierten Räume V 1 und V 2, falls A (stetig) invertierbar ist, das heißt falls ein B L(V 2,V 1) mit AB = I und BA = I existiert. Ein Isomorphismus A heißt isometrisch, falls er die Norm erhält,

Ax2 = x1,x V 1.
(1.14)

Von spezieller Bedeutung sind die beschränkten Operatoren eines normierten Raumes in sich, das heißt die Menge L(V ) := L(V,V ). Neben der Vektorraumstruktur ist auf dieser Menge auch die Verkettung von Operatoren definiert, die man als Multiplikation in einer Algebra auffassen kann. Die invertierbaren Elemente in dieser Algebra werden als Automorphismen bezeichnet.

Banachalgebren

1.2.10 Definition. Eine normierte Algebra ist ein Paar (A,) bestehend aus einer 𝕂-Algebra (A, +,) und einer Norm , die neben den Eigenschaften (V0) – (V3) noch die Eigenschaft

  1. Für x,y A gilt xyxy.

erfüllt. Ist eine normierte Algebra vollständig, so heißt sie Banachalgebra.

1.2.11 Beispiel. Standardbeispiel einer Banachalgebra ist die Algebra L(V ) der beschränkten Endomorphismen eines Banachraumes. Vollständigkeit folgt aus Satz 1.2.4.

1.2.12 Beispiel. Sei X kompakter metrischer Raum. Dann ist C(X) versehen mit der (punktweisen) Multiplikation von Funktionen wegen

|f(x)g(x)||f(x)||g(x)|fg

eine normierte Algebra, wegen der Vollständigkeit also eine Banachalgebra. Invertierbare Elemente sind alle Funktionen, die keine Nullstellen besitzen.

1.2.13 Beispiel. Auf dem Raum L1(n) kann vermittels der Faltung

f g(x) :=f(x y)g(y)dy
(1.15)

die Struktur einer Banachalgebra definiert werden. Man beweise dazu die Youngsche Ungleichung5

f g1 f1g1.
(1.16)

Während die Algebren C(X) und L1(n) kommutativ sind, ist die Algebra der beschränkten Operatoren L(V ) (falls dim V > 1) nicht kommutativ. Die Algebra L1(n) enthält kein Einselement.

Zum Schluß eine erste Anwendung. Ein Operator A L(V ) heißt kontrahierend oder eine Kontraktion, falls A < 1 gilt. Betrachtet man nun Operatorgleichungen der Form

x Ax = y
(1.17)

zu gegebenem y V , V ein Banachraum, so kann man deren Lösung explizit hinschreiben. Es gilt

x = (I + k=1Ak) y = (I A)1y.
(1.18)

Um das zu zeigen, muß die Konvergenz der Reihe nachgewiesen werden. Da V Banachraum ist, ist L(V ) eine Banachalgebra. Da AkAk gilt, ist die geometrische Reihe kAk eine konvergente Majorante, die Ausgangsreihe also in L(V ) unbedingt konvergent. Einsetzen liefert

(I A) (I + k=1Ak) = I + k=1Ak A k=1Ak+1 = I.
(1.19)

Insbesondere ist für kontrahierendes A der Operator I A invertierbar. Die Aussage ist ein Spezialfall des Banachschen Fixpunktsatzes, die Reihendarstellung heißt Neumannreihe6 .

1.2.14 Beispiel. Sei 1() die Menge aller Folgen (xn)n komplexer Zahlen mit n|xn| < . Dann wird 1() durch die Faltung

(xn) (yn) = (zn),mitzn = kxnkyk
(1.20)

zu einer Banachalgebra. Diese hängt eng mit Fourierreihen zusammen. Wir bezeichnen zu x = (xn) 1() mit

Fx(𝜃) = kxke2πik𝜃
(1.21)

die zugeordnete (komplexe) Fourierreihe. Diese definiert eine stetige 1-periodische Funktion. Bezeichne Cper[0, 1] die Menge aller solchen Funktionen, dann ist F : 1() C per[0, 1] ein Algebrenhomomorphismus, F[x y] = F[x]F[y]. Dieser ist stetig, injektiv aber nicht surjektiv.

Satz (Wiener7 -Lemma). Ein Element x 1() ist invertierbar in der Banachalgebra 1() genau dann, wenn Fx(𝜃)0 für alle 𝜃 [0, 1] gilt.

Beweis. Es bezeichne A Cper[0, 1] das Bild von F versehen mit der induzierten Norm,

fA = (xn)1,f = Fx.
(1.22)

Damit wird A zu einer Banachalgebra unter Multiplikation und f fA. Jedes invertierbare Element in A muß in Cper[0, 1] invertierbar sein und damit ist f(𝜃)0 für alle 0 𝜃 1 notwendig für Invertierbarkeit. Es bleibt zu zeigen, daß das auch hinreichend ist.

Sei dazu f A. Dann ist auch f¯ A (man ersetze die Folge (xn) durch (xn)) und damit |f|2 = ff¯ A. Da

1 f(𝜃) = f(𝜃)¯ |f(𝜃)|2

gilt, genügt es die Invertierbarkeit der positiven Funktion |f|2 in A zu zeigen. Durch Skalieren kann man weiter annehmen, daß nur Werte zwischen 0 und 1 angenommen werden. Sei also im weiteren f A und gelte 0 < f(𝜃) < 1 für alle 0 𝜃 1. Die multiplikative Inverse kann nun durch die geometrische Reihe

1 f(𝜃) = k=0g(𝜃)k,g(𝜃) = 1 f(𝜃)
(1.23)

ausgedrückt werden. Jeder Summand gehört zu A und die Aussage ist gezeigt, wenn wir Konvergenz der Reihe in A zeigen können. Dazu schätzen wir gk A ab. Da g A ist, existiert eine Folge y = (yn) 1() mit g = Fy und somit zu jedem 𝜀 > 0 ein N, so daß k>N|yn| < 𝜀, also

g(𝜃) n=NNy nein𝜃 A < 𝜀.
(1.24)

Wir bezeichnen das so definierte trigonometrische Polynom als p(𝜃) = n=NNy nein𝜃. Dann gilt mit der Dreiecksungleichung in A und dem binomischen Satz

gk A l=0kk l pl A𝜀kl.
(1.25)

Für das trigonometrische Polynom p vom Grad N gilt mit der Parseval-Identität

pA = n=NN|y n|(yn)22N + 1 = p22N + 1 2N + 1p,
(1.26)

und damit entsprechend für seine Potenzen als trigonometrische Polynome vom Grad kN

pk A 2kN + 1pk.
(1.27)

Es bleibt die Wahl von 𝜀. Sei dazu δ = min 𝜃f(𝜃). Dann gilt

p = g (g p) g + g p 1 δ + g pA 1 δ + 𝜀
(1.28)

und

gk A 2kN + 1 l=0kk l pl𝜀kl 2kN + 1(p + 𝜀)k 2kN + 1(1 δ + 2𝜀)k.
(1.29)
Wir wählen 𝜀 so klein, daß 1 δ + 2𝜀 < 1. Dann folgt

k=0gk A k=02kN + 1(1 δ + 2𝜀)k <
(1.30)

und mit Majorantenkriterium die Behauptung 1f A. □

1.3  Unterräume und Approximationsaufgaben

Definition und Beispiele

Sei (V,) ein normierter Raum. Dann ist auch jeder (algebraische) Teilraum U V ein normierter Raum. Ist (V,) Banachraum, so sind alle abgeschlossenen Unterräume selbst wieder Banachräume.

1.3.1 Beispiele. Um Beispiele zu konstruieren, betrachten wir wieder einen linearen Operator A L(V 1,V 2) zwischen zwei normierten Räumen (V 1,1) und (V 2,2). Dann ist das Bild (engl. range) des Operators

ran (A) := {Ax|x V 1} V 2
(1.1)

ein Teilraum von V 2. Ebenso ist der Nullraum oder Kern des Operators

ker (A) := {x V 1|Ax = 0}
(1.2)

ein Teilraum. Wie man leicht sieht, ist der Nullraum stets abgeschlossen. Man beweise dies! Ebenso gebe man ein Beispiel eines beschränkten Operators an, dessen Bild nicht abgeschlossen ist.

1.3.2 Beispiel. Sei A L(V 1,V 2). Dann ist der Graph

graphA := {(x,Ax)|x V 1}
(1.3)

ein abgeschlossener Teilraum von V 1 × V 2.

Seien nun U1 und U2 zwei Unterräume von V . Dann bezeichnen wir mit

U1 + U2 = span (U1 U2)
(1.4)

die Summe der Unterräume U1 und U2. Oft ist es hilfreich, einen (Unter-) Raum in eine Summe kleinerer Teilräume zu zerlegen. Optimal ist es dabei, wenn deren Durchschnitt trivial ist, also U1 U2 = {0} gilt. In diesem Falle spricht man von einer direkten Summe der Unterräume und bezeichnet sie als

U1 U2 = span (U1 U2),falls U1 U2 = {0}.
(1.5)

Die direkte Summe abgeschlossener Unterräume muß selbst nicht abgeschlossen sein.

1.3.3 Beispiel. Um ein Beispiel anzugeben, betrachten wir den Raum L1() und darin die Unterräume

Lg1() = {f L1()|f(x) = f(x)} (1.6) Lu1() = {f L1()|f(x) = f(x)} (1.7)

der geraden bzw. ungeraden Funktionen. Beide sind offenbar abgeschlossen und man kann jede Funktion f L1() vermittels fg(x) = (f(x) + f(x))2 und fu(x) = (f(x) f(x))2 in ihren geraden und ungeraden Anteil zerlegen. Weiterhin muß jede Funktion, die zugleich gerade und ungerade ist, die (fast-überall-) Nullfunktion sein.

Es gilt also L1() = L g1() L u1().

Quotientenräume. Ist U V ein abgeschlossener Unterraum des normierten Raumes V , so kann man auf dem Quotientenraum VU = {[x] = x + U : x V } durch

[x] = inf yUx + y
(1.8)

eine Norm definieren. Diese besitzt alle Normeigenschaften. Aus [x] = 0 folgt, daß eine Folge yn U mit x yn 0 existiert. Damit gilt yn x, also x U und [x] = x + U = 0 + U = [0]. Die Normeigenschaften (V2) und (V3) sind einfach zu zeigen. Ist V Banachraum, so ist der Quotientenraum ebenso ein Banachraum. Sei dazu [xk] VU Cauchyfolge (und nach Übergang zu einer Teilfolge) [xk+1] [xk] < 2k1. Wir wählen x~0 [x0] beliebig. Da

inf x~1[x1]x~0 x~1 = inf yUx~0 x1 + y = [x0 x1] 21
(1.9)

gilt, finden wir insbesondere ein x~1 [x1] mit x~0 x~1 < 20. Auf diese Weise erhält man rekursiv eine Folge x~k [xk] mit x~k1 x~k < 21k. Damit konvergiert aber

x~n = x~0 + k=1nx~ k x~k1 x~0 + k=1x~ k x~k1 = x
(1.10)

nach dem Majorantenkriterium absolut und nach Konstruktion gilt [xk] [x].

Approximation

Oft stellt sich die Frage, inwieweit es möglich ist, Elemente von V durch Elemente von U zu approximieren. Zum einen kann dazu U ein dichter Teilraum sein, das heißt zu jedem x V und jedem 𝜀 > 0 existiert ein y U, so daß x y < 𝜀 gilt.

1.3.4 Beispiel. Der Vektorraum der Stufenfunktionen, das heißt die Menge der meßbaren Funktionen im n, die nur auf einer beschränkten Menge von Null verschiedene Werte annehmen und auch nur einen endlichen Wertebereich haben, ist dicht in Lp(n) für alle p [1,).

1.3.5 Beispiel. Im Raum C[a,b] der stetigen Funktionen auf einem kompakten Intervall ist die Menge aller Polynome ein dichter Teilraum. (Approximationssatz von Weierstraß8 )

Beweis. Wir betrachten nur das Intervall [0, 1] und darauf die Familie der Bernsteinpolynome9

βn,k(t) = n ktk(1 t)nk,k {0,...,n},n 0.
(1.11)

Dann gilt 0 βn,k(t) 1 für t [0, 1] und k=0nβ n,k(t) = 1. Ebenso leicht zeigt man, daß

k=0nβ n,k(t)(t kn)2 = t(1 t) n
(1.12)

gilt. Sei nun f C[0, 1] und bezeichne

Bn(t) = k=0nf(kn)β n,k(t),
(1.13)

so gilt

Bn(t) f(t) = k=0nβ n,k(t)(f(kn) f(t))
(1.14)

und da f auf [0, 1] gleichmäßig stetig ist, existiert zu jedem 𝜀 ein δ, so daß |f(kn) f(t)| 𝜀 für alle t mit |t kn| δ gilt. Damit folgt die Behauptung, indem man die Summe entsprechend in zwei Teile aufspaltet

|Bn(t) f(t)| 𝜀 k=0nβ n,k(t) + 2M δ2 k=0nβ n,k(t)(t kn)2 𝜀 + M 2nδ2
(1.15)

und ausnutzt, dass M = sup t|f(t)| < . □

Von anderer Natur ist die Frage nach Bestapproximationen aus abgeschlossenen Unterräumen. Sei dazu V ein normierter Raum und U ein abgeschlossener Teilraum. Unter einer/der Bestapproximation eines Elementes x V aus U verstehen wir ein y U, so daß der Approximationsfehler x y minimal wird. Im Unendlichdimensionalen muß eine solche Bestapproximation nicht immer existieren, aber wir können uns an eine solche annähern. Umgekehrt müssen Bestapproximationen nicht eindeutig sein.

1.3.6 Beispiel. Der Raum der Nullfolgen 𝔠0 ist ein abgeschlossener Teilraum des Raumes der konvergenten Folgen 𝔠. Versucht man nun die konstante Folge (1) 𝔠 durch eine Nullfolge zu approximieren, so haben z.b. sämtliche positiven Nullfolgen den Minimalabstand 1, Abstände kleiner 1 kommen gar nicht vor. Die Bestapproximierende ist also nicht eindeutig bestimmt.

1.3.7 Beispiel. Wir bleiben im Raum 𝔠0. Betrachtet man den Unterraum

M = {(xk) 𝔠0| k=02k1x k = 0},
(1.16)

so ist dieser abgeschlossen (Übung!) und für keine Folge (yn) 𝔠0 M existiert eine Bestapproximation aus M.

Beweis. Sei λ = k2k1y k. Dann ist

(zn)k = 2k 2k 1(λ,λ,,λk mal, 0) + (yn)
(1.17)

für jedes k ein Element von M. Weiterhin gilt (zn)k (yn)|λ|. Also ist der Abstand von (yn) zu M höchstens |λ|. Wir zeigen, daß trotzdem kein (xn) M mit (xn) (yn)|λ| existiert. Angenommen es existiert eins. Dann gilt

|λ| = | k2k1y k| = | k2k1(y k xk)| k2k1|x k yk| |λ| k<n2k1 + 1 2|λ| kn2k1 < |λ|(1.18)

wobei n so groß gewählt wird, daß für k n stets |xk yk|1 2|λ| gilt (Nullfolgen!). Das ist aber ein Widerspruch zur Definition von λ.

Das Rieszsche Lemma

Verbunden mit der Frage nach Approximationen ist das umgekehrte Problem, Punkte zu finden, die von einem Unterraum besonders weit weg liegen. Ein Beispiel dazu ist das Rieszsche10 Lemma von der Fastsenkrechten.

1.3.8 Lemma (Riesz). Sei U ein abgeschlossener echter Teilraum von (V,). Dann gibt es zu jedem 𝜀 > 0 ein x V U mit x = 1 und

dist(x,U) = inf {x y|y U} 1 𝜀.
(1.19)

Beweis. Die Aussage gilt offenbar für U = {0}, deshalb genügt es den Beweis für nichttriviales U zu führen. Sei y V U. Da U abgeschlossen ist, ist d := dist(y,U) > 0. Dies folgt indirekt, angenommen dist(y,U) = 0. Dann gilt für eine Minimalfolge (xn) aus U xn y 0 und damit xn y. Da U abgeschlossen ist, wäre also y U.

Dann gibt es also ein z U mit

0 < y z < d(1 𝜀).
(1.20)

Setzt man nun x = (y z)y z, so ist x = 1 und für alle u U

ux =u (y z)y z =(uy z + z) yy z dy z > 1 𝜀.
(1.21)

Damit können wir nun folgenden Satz beweisen.

1.3.9 Satz. Sei V normierter Raum. Dann sind äquivalent:

  1. V ist endlichdimensional.

  2. Jede abgeschlossene und beschränkte Teilmenge von V ist (folgen-) kompakt.

Beweis. (1) (2) Ist eine Formulierung des Satzes von Bolzano–Weierstraß im n. (2) (1) Sei dazu V unendlichdimensional. Wir zeigen, daß dann die abgeschlossene Einheitskugel

B := {x V |x 1}
(1.22)

nicht folgenkompakt ist. Dazu wählen wir x1 mit x1 = 1 beliebig und setzen F1 = span {x1} und konstruieren rekursiv eine Folge Fi und xi. Weil FiV ist existiert nach dem Rieszschen Lemma ein xi+1 mit xi+1 = 1 und dist(xi+1,Fi) > 1 2. Setzen Fi+1 = span {x1, ,xi+1}. Insbesondere erhalten wir damit eine Folge (xk) B mit xj xk1 2 für jk. Diese Folge kann also keine konvergente Teilfolge enthalten, also ist die abgeschlossene und beschränkte Menge B nicht kompakt. □

1.4  Der Bairesche Kategoriensatz und seine Folgerungen

Verbunden mit dichten Teilmengen ist der nachfolgende tiefliegende Satz. Seine Grundidee ist verwandt mit der Konstruktion der rationalen Zahlen und der reellen Zahlen. Während sich die rationalen Zahlen als abzählbare Vereinigung der Stammbrüche mit festem Nenner schreiben lassen und keine dieser Teilmengen dicht in ist, enthalten die reellen Zahlen „wesentlich mehr Elemente“.

1.4.1 Definition. Eine Teilmenge A eines metrischen Raumes heißt von erster Kategorie, wenn sie sich als abzählbare Vereinigung nirgends dichter Teilmengen schreiben läßt. Existiert keine solche Darstellung, so heißt sie von zweiter Kategorie.

1.4.2 Lemma. Eine Menge M ist genau dann von zweiter Kategorie, wenn aus M = k=1A k stets folgt, daß die Abschließung wenigstens einer Menge Ak innere Punkte enthält.

1.4.3 Satz (Baire11 scher Kategoriensatz). Jeder vollständige metrische Raum (insbesondere also jeder Banachraum) M ist von zweiter Kategorie.

Beweis. Gegenannahme: Es existieren nirgends dichte Teilmengen Ak von M mit M = k=1A k. Da A1 nirgends dicht ist gibt es ein x1 M A¯1. Weil A¯1 abgeschlossen und M offen ist, existiert zu x1 eine offene Kugel B1 = B(x1,r1) mit Radius r1 < 1, so daß B¯1 A¯1 = gilt. Weil A2 nirgends dicht ist, gibt es nun x2 B1 A¯2. Weil B1 offen und A¯2 abgeschlossen ist, gibt es nun eine Kugel B2 = B(x2,r2) mit Radius r2 < 1 2, so daß B2 B1 und B¯2 A¯2 = . Induktiv konstruiert man nun eine Folge ineinandergeschachtelter Kugeln Bk mit Mittelpunkt xk und Radien rk < 1 k, so daß

Bk Bk1,B¯k A¯k = .
(1.1)

Weil alle Mittelpunkte xk,xk+1, in Bk liegen, folgt für m k somit d(xk,xm) 2k und die Folge (xk) ist Cauchyfolge, konvergiert also gegen ein x M. Dieses x liegt aber für alle k in B¯k und deshalb für kein k in A¯k. Widerspruch. □

1.4.4 Korollar. Für jeden Banachraum V gilt entweder dim V < 0 oder dim V 1.

Beweis. Angenommen, dim V = 0. Dann gibt es abzählbar unendlich viele Basisvektoren xn V , n , mit span {xn : n } = V . Sei V k = span {x0, ,xk}. Dann ist V k endlichdimensional, also abgeschlossen und (mit Lemma 1.3.8) nirgends dicht. Damit ist der Raum V = kV k aber von erster Kategorie und nach dem Satz von Baire kein Banachraum. □

Als Folgerungen des Baireschen Kategoriensatzes ergeben sich einige der wichtigsten Sätze der Funktionalanalysis, die im folgenden zusammengestellt werden sollen. Hauptproblem ist, Bedingungen anzugeben, unter denen die Inverse eines injektiven Operators stetig ist. Beantwortet wird es im wesentlichen durch folgenden Satz.

1.4.5 Satz (Banach, Satz von der offenen Abbildung). Seien V 1 und V 2 Banachräume und sei A L(V 1,V 2) surjektiv. Dann ist die Bildmenge A(U) jeder offenen Menge U V 1 offen in V 2.

Beweis. Sei Bk := {x V 1|x1 < k}. Dann ist wegen der Surjektivität von A offenbar

kA(Bk) = V 2,

es gibt nach dem Satz von Baire also ein k, so daß A(Bk)¯ innere Punkte enthält. Durch Skalieren sieht man, dass dies damit auch für alle k gilt. Es gibt also insbesondere ein y A(B1)¯ und ein δ > 0, so daß y + B~δ A(B1)¯, B~δ := {x V 2|x2 < δ}. Da A linear ist und B1 = B1 gilt, folgt y B~δ A(B1)¯. Weiter ist B1 und somit auch A(B1) konvex, also

Bδ~ conv ((y + B~δ) (y B~δ)) A(B1)¯.

In einem zweiten Schritt zeigen wir A(B1)¯ A(B2). Sei dazu y A(B1)¯. Dann existiert x1 B1 mit

y Ax1 B~δ2 A(B12)¯.

Rekursiv konstruieren wir nun xk B21k mit

y Ax1 Ax2 Axk B~δ2k A(B2k)¯.

Die Reihe xk konvergiert wegen xk < 21k nach dem Majorantenkriterium absolut gegen ein Element x B2 und wegen der Stetigkeit von A folgt Ax = y. Somit ist y A(B2), also A(B1)¯ A(B2).

Sei nun U V 1 offen. Wir zeigen, daß A(U) offen ist. Sei dazu y A(U) und Ax = y. Dann existiert ein 𝜀 > 0 so daß x + B𝜀 U und somit A(x + B𝜀) = y + A(B𝜀) = y + 𝜀 2A(B2) A(U) und nach Schritt 1 und 2 enthält A(B2) eine Nullumgebung, A(U) muß damit offen sein. □

1.4.6 Korollar (Banach, Satz über den inversen Operator). Sind V 1 und V 2 Banachräume und A L(V 1,V 2) bijektiv. Dann ist A (stetig) invertierbar.

1.4.7 Korollar. Seien 1 und 2 zwei Normen auf dem linearen Raum V . Sind beide Räume (V,1) und (V,2) vollständig und gibt es ein C so daß x1 Cx2 für alle x V gilt, so sind beide Normen äquivalent.

Eine weitere Anwendung ist der nachfolgende Satz, er beschreibt die Umkehrung einer vorher schon gemachten Aussage.

1.4.8 Satz (Banach, Satz vom abgeschlossenen Graphen). Seien V 1 und V 2 Banachräume und ist der Graph graphA der linearen Abbildung A : V 1 V 2 abgeschlossene Teilmenge von V 1 × V 2. Dann ist A beschränkt.

Beweis. Der Unterraum graphA V 1 × V 2 wird mit der Norm (x,Ax)1×2 = x1 + Ax2 zu einem Banachraum. Damit kann man auf die Bijektion graphA (x,Ax)x V 1 den Satz über den inversen Operator anwenden. Also existiert C > 1 mit x1 + Ax2 Cx1. □

1.5  Hilberträume

Innenprodukte

Jetzt wollen wir den Begriff des Vektorraums mit Geometrie ergänzen. Dazu messen wir nicht nur Abstände zwischen Punkten, sondern auch Winkel zwischen Vektoren.

1.5.1 Definition. Ein Innenprodukt- oder Prähilbertraum ist ein Vektorraum H zusammen mit einem Skalarprodukt (,) : H × H 𝕂, welches die folgenden Bedingungen erfüllt:

  1. Symmetrie12 : Für alle x,y H gilt (x,y) = (y,x)¯.

  2. Positiv-Definitheit: Für alle x H ist (x,x) 0 und (x,x) = 0 gilt genau dann, wenn x = 0.

  3. Homogenität: Für x,y H und λ 𝕂 gilt (λx,y) = λ(x,y).

  4. Linearität: Für x,y,z H gilt (x + y,z) = (x,z) + (y,z).

Mit der Vereinbarung

x = ( x, x)
(1.1)

kann man in jedem Innenproduktraum eine Norm definieren und damit die Struktur eines normierten Raumes erzeugen. (Übungsaufgabe: Man zeige die Normeigenschaften mit Hilfe der Aussagen (H1)(H4)!) Eine wichtige Eigenschaft des Skalarproduktes ist, daß es bezüglich der Norm stetig ist. Dies folgt aus

1.5.2 Satz (Schwarzsche13 Ungleichung). Es gilt für x,y H

|(x,y)|xy.
(1.2)

Beweis. Für y = 0 folgt (x,y) = 0 und die Ungleichung ist korrekt. Weiter gilt

0 (x + αy,x + αy) = (x,x) + α(y,x) + α¯(x,y) + |α|2(y,y) = (x,x) (x,y)(y,x)(y,y)(1.3)

mit α = (x,y)(y,y) und die Behauptung folgt. □

1.5.3 Korollar. Seien (xn) und (yn) in H konvergente Folgen mit Grenzwerten x und y. So gilt (xn,yn) (x,y).

Beweis. Es gilt (xn,yn) (x,y) = (xn x,yn) + (x,yn y). Wir betrachten beide Summanden separat. Für den ersten gilt |(xn x,yn)|xn xyn 0, da yn beschränkt ist. Ebenso gilt |(x,yn y)|xyn y 0. □

1.5.4 Satz (Satz des Pythagoras). Gilt (x,y) = 0, so folgt x + y2 = x2 + y2.

Beweis. Es gilt x + y2 = (x + y,x + y) = x2 + 2 Re (x,y) + y2 = x2 + y2. □

Es stellt sich umgekehrt die Frage, welche Eigenschaften eine Norm in einem normierten Raum haben muß, um aus einem Skalarprodukt hervorzugehen. Die Antwort liefert folgender Satz; der Beweis dazu verbleibt als Übungsaufgabe.

1.5.5 Satz. In jedem Innenproduktraum erfüllt die Norm (1.1) die Parallelogrammgleichung

x + y2 + x y2 = 2(x2 + y2)
(1.4)

für alle x,y H. Erfüllt umgekehrt eine Norm die Parallelogrammgleichung, so läßt sich durch

(x,y) := { x+y 2 2 xy 2 2, falls 𝕂 = , x+y 2 2 xy 2 2 + i x+iy 2 2 i xiy 2 2,falls 𝕂 = ,
(1.5)

ein Skalarprodukt definieren, welches diese Norm induziert.

1.5.6 Definition. Ein Innenproduktraum wird als Hilbertraum14 bezeichnet, falls er (als normierter Raum) vollständig ist.

1.5.7 Beispiel. Standardbeispiel ist der Raum L2(n) versehen mit dem Innenprodukt

(f,g) =f(x)g(x)¯dx.
(1.6)

Die zugeordnete Norm ist die 2-Norm.

1.5.8 Beispiel. Ein weiteres Beispiel erhält man, wenn man den Folgenraum

2 = {(x n) | n=0|x n|2 < },
(1.7)

versehen mit dem Skalarprodukt

((xn), (yn)) = n=0x nyn¯
(1.8)

betrachtet.

1.5.9 Beispiel. Die Menge der analytischen Funktionen mit quadratsummierbaren Taylorkoeffizienten,

H2(𝔻) = {f 𝔄(𝔻) : f(ζ) = n=0α nζn,(α n) 2},
(1.9)

ist ein Hilbertraum. Die Zuordnung 2 (α n)f H2(𝔻) ist linear bijektiv und definiert die Hilbertraumstruktur des H2(𝔻). Er wird als der Hardyraum auf der Kreisscheibe 𝔻 bezeichnet. Man zeige, daß

(f,g)H2 = ((αn), (βn))2 = n=0α nβn¯ = lim r1 1 2πi|ζ|=rf(ζ)g(ζ)¯dζ ζ
(1.10)

für die Hardyfunktionen

f(ζ) = n=0α nζn,g(ζ) = n=0β nζn
(1.11)

gilt.

Der Projektionssatz und Bestapproximationen

Nun soll die geometrische Struktur, die durch ein Innenprodukt induziert wird in den Mittelpunkt gestellt werden. Sei dazu H ein Hilbertraum und U H ein Teilraum. Dann definiert man durch

U = {x H|y U : (x,y) = 0}
(1.12)

das orthogonale Komplement von U in H. Weiter bezeichne U V die direkte Summe paarweise orthogonaler Unterräume,

U V = span (U V ),falls U V ,
(1.13)

also falls U V bzw. V U.

Wir greifen die Frage nach der Bestapproximation eines Elementes in einem abgeschlossenen Unterraum erneut auf und beantworten sie (zumindest innerhalb der Struktur eines Hilbertraumes).

1.5.10 Satz (Projektionssatz). Sei U abgeschlossener Teilraum eines Hilbertraumes H. Dann gilt

H = U U.
(1.14)

Sei weiter x H zerlegt in seine Komponenten x = y + (x y) mit y U und (x y) U. Dann ist y die Bestapproximation an x aus U, das heißt

z U : x zx y
(1.15)

und Gleichheit tritt genau für y = z ein.

Beweis. Sei x H und yn U eine Minimalfolge, so daß

lim nx yn = d = inf yUx y
(1.16)

gilt. Sei nun un = x yn, also un um = ym yn und un + um = 2(x (yn + ym)2). Dann gilt mit der Parallelogrammgleichung

ym yn2 = 2(x y n2 + x y m2) 4x (y n + ym)22 2(x yn2 + x y m2) 4d2 0(1.17)

für m,n . Die Folge yn ist also Cauchyfolge in U, wegen der Abgeschlossenheit von U existiert der Grenzwert y. Dieses y löst die Bestapproximationsaufgabe und erfüllt damit für alle z U, α 𝕂

x y2 x (y + αz)2 = x y2 α¯(x y,z) α(z,x y) + |α|2z2,
(1.18)

speziell mit α = (x y,z)z2 also |(x y,z)|2 0, das heißt x y z.

Damit folgt H = U + U, wegen U U = {0} die Behauptung. □

Zu einem Unterraum U eines Hilbertraums H kann man also den Projektionsoperator

PU : H U
(1.19)

definieren, der jedem x H seine Bestapproximation PUx U zuordnet.

1.5.11 Korollar. PU ist linear und beschränkt und erfüllt PU2 = P U sowie PU = I PU.

Beweis. Wir zeigen die Linearität. Sei xi = yi + (xi yi), i = 1, 2, mit yi U und xi yi U, die Zerlegung von xi H in die entsprechenden Komponenten. Da U und U Unterräume sind, ist für jedes α 𝕂 auch y1 + αy2 U, x1 + αx2 (y1 + αy2) U und damit PUx1 + αPUx2 = y1 + αy2 = PU(x1 + αx2) linear. Weiter ist nach dem Satz des Pythagoras

x2 = P Ux2 + x P Ux2

und somit PU 1. □

1.5.12 Proposition. Sei U Teilraum von H.

  1. U ist abgeschlossener Unterraum von H.

  2. (U) ist der Abschluß von U in H.

  3. U ist dicht in H genau dann, wenn U = {0} ist.

Beweis. (1) Sei xn U und gelte xn x. Dann folgt 0 = (xn,y) (x,y) für alle y U. (2) Es gilt U (U), also liegt der Abschluß von U in (U). Für alles weitere nutzt man den Projektionssatz 1.5.10, (U) = U¯ (U¯ (U)) U¯ (U (U)) = U¯. (3) U ist dicht in H genau dann, wenn (U) = H und damit U = ((U)) = H = {0} gilt. □

1.5.13 Beispiel. Es gilt

L2(n) = L g2(n) L u2(n),
(1.20)

wobei die Unterräume der geraden Funktionen Lg2(n) und der ungeraden Funktionen Lu2(n) paarweise orthogonal sind,

Lu2(n) = (L g2(n)).
(1.21)

Die Bestapproximation einer Funktion f L2(n) durch eine gerade Funktion aus Lg2(n) ist durch den geraden Anteil

fg(x) = f(x) + f(x) 2
(1.22)

gegeben.

1.5.14 Beispiel. Sei A : H1 H2 ein beschränkter Operator mit abgeschlossenem Bild. Dann kann man zu A die Pseudoinverse oder Moore-Penrose-Inverse15 A durch das Bestapproximationsproblem

Ay = xAx y 2 min und dabeix1 min
(1.23)

definieren. Die Konstruktion der Abbildung A erfolgt in mehreren Schritten. Zuerst betrachten wir die (rein algebraisch) definierte induzierte Abbildung

A~ : H1ker (A) ran (A).
(1.24)

Diese ist bijektiv. Da A ein abgeschlossenes Bild besitzt ist ran (A) ein Hilbertraum. Der Quotientenraum H1ker (A) kann durch

x + ker (A)H1ker (A) = inf {y1|y x + ker (A)} = Pker (A)x1
(1.25)

zu einem (mittels Pker (A) zu ker (A) isomorphen) Hilbertraum gemacht werden. Auf diesem ist A~ stetig, also nach dem Satz über den inversen Operator auch stetig invertierbar.

Nun gilt

A = P ker (A)A~1P ran (A).
(1.26)

Insbesondere ist A selbst ein beschränkter Operator mit abgeschlossenem Bild. Für diesen gilt

AA = P ker (A)A~1A = P ker (A)
(1.27)

und

AA = A(I P ker (A))A~1P ran (A) = Pran (A) APker (A)A~1P ran (A) = Pran (A).
(1.28)

1.5.15 Beispiel. Das tatsächliche Berechnen der Projektoren ist mitunter schwierig. Eine Ausnahme sind Projektoren auf endlichdimensionale Teilräume. Sei e H mit e = 1, so gilt

Pspan {e}x = (x,e)e,Pspan {e} = e e.
(1.29)

Das ist leicht nachzurechnen. Offenbar gilt Pspan {e}x span {e} und

(x Pspan {e}x,e) = (x (x,e)e,e) = (x,e) (x,e)e2 = 0.
(1.30)

Projektoren auf endlichdimensionale Teilräume kann man sich damit zusammensetzen. Es gilt

PUV = PU + PV ,
(1.31)

da U V und damit PUPV = 0 = PV PU.

Separabilität und Orthogonalbasen

Wir wollen einen Hilbertraum als separabel bezeichnen, falls er eine abzählbare dichte Teilmenge besitzt.

1.5.16 Beispiel. Der Hilbertraum L2(G), G n ein Gebiet, ist separabel. Dies folgt daraus, daß die Teilmenge der Stufenfunktionen mit rationalen Funktionswerten und über Quadern mit rationalen Koordinaten dicht in L2(G) ist.

Separable Hilberträume sind durch eine einfache Eigenschaft gekennzeichnet, sie sind isometrisch isomorph zum Folgenraum 2. Um dies zu zeigen, konstruieren wir eine sogenannte Orthonormalbasis des separablen Hilbertraums H.

1.5.17 Definition. Eine Folge (en) von Elementen des Hilbertraums H heißt Orthonormalsystem von H, falls (ei,ej) = 0 für ij und ei = 1 für alle i gilt. Ist zusätzlich span {en|n } dicht in H, so spricht man von einer Orthonormalbasis.

Wir konstruieren eine Orthonormalbasis von H, indem wir auf die abzählbare dichte Teilmenge das Verfahren der Gram-Schmidt16 -Orthogonalisierung anwenden. Bezeichne dazu (xn) eine Abzählung der dichten Teilmenge. Dann definieren wir (en) rekursiv durch e0 = x0x0 und

x~n+1 = xn+1 i=0n(x n+1,ei)ei = xn+1 Pspan {e0, ,en}xn+1,
(1.32)

falls x~n+1 = 0 streichen wir das entsprechende Element xn+1 aus der Liste, andernfalls setzen wir en+1 = x~n+1x~n+1.

Weiter folgt aus dem Projektionssatz die Besselsche Ungleichung17

i=0|(x,e i)|2 = sup N i=0N|(x,e i)|2 x2
(1.33)

für jedes x H und jedes Orthonormalsystem (en). Angewandt auf eine Orthonormalbasis ergibt sich daraus die Parsevalsche Gleichung18 und folgender Satz.

1.5.18 Satz (Fischer19 –Riesz). Sei H ein separabler Hilbertraum und (en) eine Orthonormalbasis. Dann gilt für alle x H

n=0|(x,e n)|2 = x2.
(1.34)

Insbesondere ist die Abbildung

H x((x,en)) 2
(1.35)

ein isometrischer Isomorphismus der Hilberträume H und 2.

Beweis. Sei x H. Dann gilt Pspan {e0,...,en}x = i=0n(x,e i)ei und nach dem Satz des Pythagoras folgt

Pspan {e0,...,en}x2 = i=0n|(x,e i)|2 = x2 x P span {e0,...,en}x2 x2
(1.36)

und damit die Besselsche Ungleichung. Da span {en : n } dicht in H ist, strebt für jedes x H die Norm x Pspan {e0,...,en}x gegen Null und es folgt die Parseval-Identität (1.34).

Die Zuordnung H x((x,en)) 2 ist linear und isometrisch, es bleibt zu zeigen, dass sie auch surjektiv ist. Sei dazu (αn) 2 beliebig und sn die Partialsumme

sn = i=0nα iei H,sn2 = i=0n|α i|2.
(1.37)

Da die Reihe i|αi|2 konvergiert, existiert zu jedem 𝜀 > 0 ein N𝜀, so daß für m n > N𝜀

sm sn2 = i=n+1m|α i|2 i=N𝜀|α i|2 𝜀2
(1.38)

und die Folge sn ist Cauchy. Damit konvergiert aber die Reihe nαnen gegen ein Element x H. Für dieses gilt nach Konstruktion (x,en) = αn. □

Wie im Beweis von Satz 1.1.17 zeigt man, daß die Reihe nαnen für beliebiges (αn) 2 unbedingt konvergiert. Wir überlassen das als Übungsaufgabe.

1.5.19 Beispiel. Standardbeispiel einer Orthonormalbasis ist die Basis der trigonometrischen Polynome im L2(0, 1), in komplexer Form gegeben durch die Funktionen e2πikx zu k . Die Darstellungen bezüglich dieser Basis sind gerade die Fourierreihen.

Sei f L2(0, 1). Dann gilt

f(x) = kcke2πikx,c k = (f,e2πik) =01f(x)e2πikxdx
(1.39)

als in L2(0, 1) konvergente Reihe. Die Reihe ist unbedingt konvergent.

1.5.20 Beispiel. Nach Konstruktion des Raumes bilden die Monome ζn, n , eine Orthonormalbasis des Hardyraumes H2(𝔻).

1.5.21 Beispiel. Wendet man in L2(1, 1) auf die Folge der Polynome xn, n = 0, 1, das Gram-Schmidt-Verfahren an, so ergibt sich eine Folge spezieller Orthogonalpolynome, die sogenannten Legendrepolynome20 . Die ersten der Legendrepolynome ergeben sich wie folgt,

p0(x) = 2 2 ,p1(x) = 6 2 x,p2(x) = 10 4 (3x2 1),
(1.40)

Nach dem Weierstraßschen Approximationssatz, Beispiel 1.3.5, sind die Polynome dicht in C[1, 1]. Ebenso sind die stetigen Funktionen dicht in L2(1, 1). Zu gegebenem 𝜀 > 0 und f L2(1, 1) existieren also eine stetige Funktion g C[1, 1] mit f g2 < 𝜀2. Weiter existiert zu diesem g ein Polynom p und g p < 𝜀4 und damit

f p2 f g2 + g p2 f g2 + 2g p < 𝜀.

Also sind Polynome dicht in L2(1, 1) und die Folge der Legendrepolynome bildet eine Orthonormalbasis.

1.5.22 Beispiel. Dasselbe kann man auch in gewichteten L2-Räumen machen, dabei ergeben sich spezielle Systeme von Orthogonalpolynomen. Genannt seien hier nur die Tschebyscheff-Polynome21 Tn(t), die durch die Eigenschaften

T0(t) = 1,Tn(cos ϕ) = cos (nϕ)
(1.41)

charakterisiert sind. Für sie gilt

11T m(t)Tn(t) dt 1 t2 = 0,mn,
(1.42)

normiert man sie entsprechend entsteht wiederum eine Orthonormalbasis.

1.6  Ausblick: Lokalkonvexe Vektorräume

Bis jetzt haben wir eine Norm genutzt, um in einem Vektorraum Begriffe wie Nähe oder Konvergenz zu definieren. Verzichtet man auf eine Quantifizierung des Begriffs Nähe, so kann man auch anders vorgehen und einen Vektorraum nur mit einer Topologie versehen.

Ein erster Schritt dazu wären Vektorräume, in denen die Konvergenz durch ein System von Seminormen beschrieben wird.

1.6.1 Definition. Ein Paar bestehend aus einem Vektorraum V und einem System von Seminormen pα : V , α I, welches die Eigenschaften

  1. Jede Seminorm pα, α I, erfüllt die Eigenschaften (V0), (V2) und (V3).

  2. Gilt pα(x) = 0 für alle α I, so folgt x = 0.

erfüllt, wird als lokalkonvexer Raum bezeichnet.

Konvergenz einer Folge (xn) gegen x in einem lokalkonvexen Raum bedeutet, daß für alle α I die Folge pα(x xn) eine Nullfolge ist. Ein solcher lokalkonvexer Raum heißt folgenvollständig, falls jede Folge xn mit

α I : 𝜀 > 0 : N : m,n > N : pα(xn xm) < 𝜀
(1.1)

gegen ein x V konvergent ist.

Beispiele lokalkonvexer Vektorräume werden uns bei der Betrachtung schwächerer Konvergenzbegriffe begegnen. Trotz allem ein (nicht triviales) Beispiel anderer Bauart.

1.6.2 Beispiel. Sei V k eine Folge von Banachräumen mit Norm k und gelte weiter V i V j als stetige Einbettung für i > j. Dann kann auf dem Schnitt V = kV k durch das System der Normen k eine lokalkonvexe Struktur definiert werden. Der so konstruierte Raum ist folgenvollständig, aber im allgemeinen kein Banachraum.

Man kann noch wesentlich schwächere Strukturen definieren. Das Allgemeinste, was wir hier betrachten wollen, ist der sogenannte topologische Vektorraum.

1.6.3 Definition. Ein Vektorraum V zusammen mit einer Topologie O wird als topologischer Vektorraum bezeichnet, wenn {0} V abgeschlossen ist und die Operationen + : V × V V und : 𝕂 × V V beide bezüglich der (entsprechenden Produkt-) Topologie stetig sind.

Jeder lokalkonvexe Raum ist als topologischer Vektorraum zu verstehen. Dabei wird die Topologie gerade durch die Subbasis bestehend aus den Mengen

Uα,𝜀(x) = {y V : pα(x y) < 𝜀},x V,α I,𝜀 > 0
(1.2)

erzeugt. Man zeige, daß die erzeugte Topologie mit der Vektorraumstruktur verträglich ist und den oben angegebenen Konvergenzbegriff impliziert.

1.7  Die Topologie der starken Operatorkonvergenz

Das erste Kapitel soll damit abgeschlossen werden, daß wir den Raum L(V 1,V 2), den wir als normierten Raum kennengelernt haben, mit einer schwächeren lokalkonvexen Struktur versehen.

1.7.1 Definition. Sei An : V 1 V 2 eine Folge von Operatoren. Dann konvergiert An stark, falls für alle x V 1 die Folge Anx in V 2 konvergiert. Insbesondere bestimmt dann der Grenzwert Ax := lim nAnx eine lineare Abbildung A : V 1 V 2, in Zeichen

A = s-lim nAn.
(1.1)

Starke Konvergenz enstpricht der Konvergenz in einem lokalkonvexen Raum, der durch das (nicht abzählbare) System der Seminormen

px(A) = Ax2,x V 1
(1.2)

beschrieben wird. Ein erstes, überaschendes Resultat ist

1.7.2 Satz (Satz über die gleichmäßige Beschränktheit). Sei V 1 ein Banachraum und V 2 normierter Raum. Ist dann die Folge An L(V 1,V 2) punktweise beschränkt, px(An) αx, so ist die Folge der Operatornormen An beschränkt.

Beweis. Der Beweis beruht auf dem Baireschen Kategoriensatz, angewandt in V 1. Dazu betrachten wir die Mengen

Bk = {x V 1| sup nAnx k}.
(1.3)

Dann ist nach Vorrausetzung kBk = V 1. Weiter ist jedes der Bk als Durchschnitt

Bk = nBkn = n{x V 1|Anx k}
(1.4)

darstellbar. Die Stetigkeit aller An impliziert, daß alle Bkn und damit auch Bk abgeschlossene Mengen sind. Also enthält eine der Mengen Bk einen inneren Punkt x0. Folglich gibt es ein 𝜀 > 0 so daß für x 𝜀 und alle n

Anx = An(x + x0) Anx0An(x + x0) + Anx0 2k
(1.5)

gilt, insbesondere folgt An 2k𝜀. □

Es stellt sich die Frage, ob der Raum L(V 1,V 2) auch bezüglich der starken Konvergenz folgenvollständig ist. Daß dies wirklich der Fall ist, ergibt ich aus dem Satz über die gleichmäßige Beschränktheit. Wesentlich ist die Linearität der Abbildungen und daß beide Räume V 1 und V 2 Banachräume sind.

1.7.3 Korollar. Sei V 1 Banachraum und V 2 normierter Raum. Konvergiert dann eine Folge An L(V 1,V 2) stark gegen die Abbildung A : V 1 V 2, so ist A stetig und erfüllt

A sup nAn.
(1.6)

Beweis. Starke Konvergenz impliziert Linearität von A,

A(x + λy) = lim nAn(x + λy) = lim nAnx + λ lim nAny = Ax + λAy.
(1.7)

Es bleibt die Beschränktheit zu zeigen. Diese ergibt sich direkt aus Satz 1.7.2,

Ax = lim nAnxlimsup nAnx.
(1.8)

1.7.4 Satz (Banach–Steinhaus22 ). Sei An L(V 1,V 2) eine Folge von Operatoren zwischen zwei Banachräumen V 1 und V 2 Dann sind äquivalent:

  1. An konvergiert stark gegen ein A L(V 1,V 2),

  2. die Folge der Operatornormen An ist beschränkt und für alle x aus einer dichten Teilmenge M von V 1 ist (Anx) Cauchyfolge in V 2.

Beweis. (1) (2) folgt unmittelbar aus dem Satz über die gleichmäßige Beschränktheit. (2) (1) Sei dazu y V 1 gegeben. Wir wählen 𝜀 > 0 und γ := sup nAn. Sei weiter x M mit x y 𝜀(3γ). Dann konvergiert (Anx), es gibt also ein n0, so daß für m,n n0 stets Amx Anx 𝜀3. Für diese Indizes gilt dann

Any AmyAny Anx + Anx Amx + Amx Amy γ𝜀(3γ) + 𝜀3 + γ𝜀(3γ) 𝜀, (1.9)

Any ist Cauchyfolge und somit konvergent. Die Behauptung folgt aus dem vorigen Satz. □

2  Dualitätstheorie

Alles kann man von zwei Seiten betrachten.

2.1  Dualräume

Definition

In diesem Abschnitt soll ein spezieller Raum beschränkter Operatoren, der Dualraum

V = L(V, 𝕂)
(2.1)

im Zentrum stehen. Elemente des Dualraumes werden kurz als beschränkte Linearformen oder beschränkte lineare Funktionale bezeichnet, wir verwenden dafür griechische Buchstaben. Für ϕ V schreiben wir statt ϕ(x) (oder, was als Operator ja auch sinnvoll wäre ϕx) kurz ϕ,x. Die formale Analogie in der Schreibweise zu einem Skalarprodukt wird später noch durch entsprechende Resultate untermauert.

2.1.1 Beispiele. Beispiele linearer Funktionale auf Räumen stetiger Funktionen sind

Es sei noch an die Norm in V erinnert

ϕ = sup x0|ϕ,x| x = sup x=1|ϕ,x|,
(2.4)

V ist also ein normierter Raum. Es gilt als Folgerung aus Satz 1.2.4:

2.1.2 Satz. Der Dualraum V eines normierten Raumes V ist ein Banachraum.

2.1.3 Beispiel. Wir wollen ein erstes Beispiel betrachten, den Folgenraum 1. Sei dazu (xn) 1 und (yn) . Dann kann durch

ϕ, (xn) = (yn), (xn) = nxnyn
(2.5)

eine Linearform ϕ (1) mit

|ϕ, (xn)|(xn)1(yn),ϕ(yn)
(2.6)

definiert werden. Sei umgekehrt ϕ (1) und bezeichne ek die Folge (0, 0,, 1, 0,) die genau an der k-ten Stelle eine 1 besitzt. Dann kann man die Folge (yn) mit

yn = ϕ,en,|yn|ϕ,(yn)
(2.7)

betrachten. Wegen der Linearität und Stetigkeit von ϕ folgt

ϕ, (xn) = ϕ, xnen = xnϕ,en = xnyn = (yn), (xn)
(2.8)

und wir haben eine Isometrie zwischen und (1) konstruiert, wir identifizieren beide Räume und schreiben kurz

(1) = .
(2.9)

2.1.4 Beispiele. In vollkommener Analogie kann man mit Ausnutzung der Hölderschen2 Ungleichung

n|xnyn| ( n|xn|p) 1p ( n|yn|q) 1q
(2.10)

für pq = p + q zeigen, daß (p) = q für alle p [1,) gilt.

Beweis. Jede Folge aus q bestimmt nach der Hölderschen Ungleichung

|(yn), (xn)|(xn)p(yn)q
(2.11)

eine Linearform auf p. Was bleibt, ist zu zeigen, daß umgekehrt auch jede Linearform durch so eine Folge dargestellt werden kann. Sei also ϕ (p) und sei weiter yn = ϕ,en. Dann ist die Folge (yn) beschränkt, |yn|ϕ, und es gilt für die endliche Folge (xn)

xn = { y¯n|yn|q2,n N, 0, n > N
(2.12)

die Ungleichung

n=0N|y n|q = |(y n), (xn)|ϕ ( n=0N|x n|p) 1p = ϕ ( n=0N|y n|p(q1)) 1p, (2.13)

also wegen p(q 1) = q auch ( n=0N|y n|q) 1q ϕ. Mit N folgt die Behauptung. □

2.1.5 Beispiele. Es gilt sowohl 𝔠0 = 1 als auch 𝔠 = 1 (im Sinne einer isometrisch-isomorphen Identifikation).

Der Fortsetzungssatz von Hahn–Banach

Ist ϕ V , so bestimmt ϕ durch die Gleichung ϕ,x = 0 den abgeschlossenen Unterraum ker (ϕ). Da ϕ : V 𝕂 abbildet, hat dieser (rein algebraisch) die Codimension 1, ist also eine Hyperebene. Daß sich jeder abgeschlossene Unterraum als Durchschnitt von (abgeschlossenen) Hyperebenen schreiben läßt, daß es also hinreichend viele Linearformen gibt, ist eine Folgerung des Fortsetzungssatzes von Hahn3 -Banach.

Die Hauptaussage des Satzes steckt in folgendem Lemma. Sei eine auf V definierte positiv-homogene und sublineare Abbildung, also eine Funktion : V mit

(λx) = λ(x),(x + y) (x) + (y)
(2.14)

für x,y V und λ > 0. Wir sagen eine lineare Abbildung ϕ : V 𝕂 ist -beschränkt, falls

Re ϕ,x (x)
(2.15)

für alle x V gilt. Wir betrachten vorerst nur reelle Vektorräume.

2.1.6 Lemma (Hahn–Banach). Sei U Teilraum des reellen Raumes V und ϕ0 : U eine -beschränkte lineare Abbildung auf U. Dann existiert eine -beschränkte Fortsetzung ϕ : V von ϕ0 mit ϕ,y = ϕ0,y für y U.

Beweis. Schritt 1: Wir wenden in der Menge aller möglichen -beschränkten Fortsetzungen geordnet durch Inklusion das Zornsche Lemma an um eine maximale Fortsetzung zu erhalten. Sei dazu

F = {(W,ψ) : W V, W Unterraum,ψ : W  -beschränkt und linear}
(2.16)

geordnet durch (W1,ψ1) (W2,ψ2) falls W1 W2 und ψ1 = ψ2|W1. Bezeichne weiter

F = {(W,ψ) F : (U,ϕ0) (W,ψ)}.
(2.17)

Für jede aufsteigende Kette

(W1,ψ1) (W2,ψ2) (Wk,ψk)
(2.18)

von Elementen aus F ist ( kWk, kψk) F eine obere Schranke. Damit existiert nach dem Lemma von Zorn ein maximales Element in F. Sei dieses mit (W,ψ) bezeichnet.

Schritt 2: Wir zeigen W = V . Angenommen, es gibt ein x V W. Setzt man dann für y W und λ

ψ~,y + λx = ψ,y + λc,
(2.19)

so definiert dies eine lineare Abbildung von W + span {x} nach . Es bleibt die geeignete Wahl von c. Dazu nutzen wir, daß für y,y W

ψ,y + ψ,y = ψ ,y + y (y + y) (y x) + (y + x)
(2.20)

und damit für alle y,y U

ψ,y (y x) (y + x) ψ ,y.
(2.21)

Mit

sup yU (ψ,y (y x) ) c inf yU ((y + x) ψ ,y )
(2.22)

folgt

ψ~,y + λx = ψ,y + λc {ψ,y + λ((yλ + x) ψ,yλ), λ > 0 ψ,y + λ(ψ,yλ (yλ x)),λ < 0 (y + λx)

und die konstruierte Fortsetzung ist -beschränkt. Das ist ein Widerspruch zur Maximalität von (W,ψ) und wir haben W = V gezeigt. □

2.1.7 Satz (Hahn–Banach). Sei U Teilraum von V und ϕ0 U beschränkte Linearform auf U. Dann existiert eine Fortsetzung ϕ V von ϕ0 mit ϕ,y = ϕ0,y für y U und ϕ = ϕ0.

Beweis. Sei zuerst 𝕂 = . Dann kann man Lemma 2.1.6 mit (x) = ϕ0x anwenden und die konstruierte Fortsetzung ist beschränkt,

±ϕ,x = ϕ,±x (±x) = ϕ0x.
(2.23)

Da die Norm beim Fortsetzen nicht kleiner werden kann, folgt ϕ = ϕ0.

Sei nun 𝕂 = und V der zugeordnete -Vektorraum (der als Menge mit V übereinstimmt, aber nur Multiplikation mit reellen Skalaren kennt). Dann kann man Re ϕ0 zu einem Funktional ψ : V fortsetzen, welches

|ψ,x| Re ϕ0xϕ0x
(2.24)

erfüllt. Setzt man ϕ,x = ψ,xiψ,ix, so erhält man eine komplex-lineare Fortsetzung,

ϕ,ix = ψ,ixiψ,x = iϕ,x.

Diese erfüllt

|ϕ,x| = ωϕ,x = ϕ,ωx = ψ,ωxϕ0x
(2.25)

mit einem entsprechenden ω , |ω| = 1, und der Satz ist gezeigt. □

Insbesondere besagt diese Aussage, daß die Einschränkung der Funktionale aus V auf Abbildungen der Form U 𝕂 surjektiv auf U abbildet. Eine weitere Folgerung ist, daß beschränkte lineare Funktionale Punkte trennen.

2.1.8 Korollar. Sei V normierter Raum und x,y V , xy seien verschiedene Punkte. Dann gibt es ein ϕ V mit ϕ,xϕ,y.

Beweis. Auf U = span {x,y} existiert ein lineares Funktional mit diesen Eigenschaften. Fortsetzung mit Hahn-Banach liefert die Behauptung. □

Äquivalent zeigen wir, daß es zu x0 ein ϕ V mit ϕ,x0 gibt.

2.1.9 Korollar. Sei V normierter Raum und 0x V . Dann existiert ein ϕ V mit ϕ,x = x und ϕ = 1.

Beweis. Sei U = span {x}. Dann definieren wir ϕ,αx = αx auf U. Es gilt ϕ = 1. Das gesuchte Funktional ergibt sich durch Fortsetzung nach dem Satz von Hahn–Banach. □

2.1.10 Korollar. Gilt ϕ,x = 0 für ein x V und alle ϕ V , so folgt x = 0.

Man kann das Hahn–Banach-Lemma ebenso nutzen um Punkte in einem normierten Raum V von konvexen Mengen zu trennen oder allgemeiner konvexe Mengen positiven Abstands voneinander zu trennen. Zur Vollständigkeit sei das Resultat hier angegeben.

2.1.11 Satz (Trennungssatz von Hahn–Banach). Seien K,L V nichtleere konvexe Teilmengen normierten Raumes V mit

dist (K,L) = inf xK inf yLx y > 0.
(2.26)

Dann existiert ein lineares Funktional ϕ V und eine Zahl γ mit

sup xK Re ϕ,x < γ < inf yL Re ϕ,y.
(2.27)

Transponierte Operatoren

Eine wichtige Anwendung der letzten Folgerung ist die Definition des transponierten Operators.

2.1.12 Satz. Sei A L(V 1,V 2). Dann existiert genau ein A L(V 2,V 1), für welches

ϕ,Ax = Aϕ,x
(2.28)

für alle x V 1 und ϕ V 2 gilt. Dieser Operator ist beschränkt, A = A, und wird als zu A transponierter Operator bezeichnet.

Beweis. Angenommen es gäbe zwei solcher Operatoren, B1 und B2. Dann würde für deren Differenz und jedes ϕ V 2 sowie alle x V 1 die Beziehung 0 = (B1 B2)ϕ,x gelten, also (B1 B2)ϕ = 0 sein. Dies bedeutet aber B1 = B2.

Die Existenz ist offensichtlich, es gilt

Aϕ : xϕ,Ax.
(2.29)

Die Linearität kann man unmittelbar nachrechnen. Wegen |ϕ,Ax|Axϕ folgt AA. Für die Gleichheit nutzen wir den Satz von Hahn–Banach in der Form von Folgerung 2.1.9. Es existiert also zu gegebenem x ein ϕ V 2 mit ϕ,Ax = Ax und ϕ = 1. Mit diesem ϕ gilt

Ax = ϕ,Ax = Aϕ,xAϕx = Ax
(2.30)

also AA. □

2.1.13 Proposition. Es gelten die Rechenregeln

(A + B) = A + B,(αA) = αA,(AB) = BA
(2.31)

und, falls A invertierbar war, gilt dies auch für A

(A)1 = (A1).
(2.32)

2.1.14 Beispiel. Sei V ein normierter Raum und U ein Unterraum. Dann ist die Einbettung inU V ein beschränkter Operator (mit Norm 1). Sein Transponierter ist die Einschränkung V U eines lineare Funktionals auf V zu einem auf U.

2.1.15 Beispiel. Auf dem Folgenraum 1 betrachten wir zu gegebenem (μn) den Multiplikationsoperator

M : (xn)(xnμn),M : 1 1,M = (μ n).
(2.33)

Wir fragen, wie M : agiert. Dazu sei (yn) und (zn) = M(y n). Wegen

zk = M(y n),ek = (yn),Mek = μkyk
(2.34)

gilt M : (y n) (ynμn).

2.1.16 Beispiel. Auf dem 1 kann man weiterhin den Shift-Operator

S : 1 (x 1,x2,)(x2,) 1
(2.35)

betrachten. Sein Transponierter ist durch

S : (y 1,y2,)(0,y1,y2,)
(2.36)

gegeben. (Übung!)

2.2  Darstellungssätze

Sei nun H ein Innenproduktraum. Dann kann man das Innenprodukt nutzen, um lineare Funktionale darzustellen. Zu festem y H ist die Abbildung

H x(x,y) 𝕂
(2.1)

linear und nach der Schwarzschen Ungleichung beschränkt.

Wenn man weiß, daß H vollständig ist, dann ist jedes lineare Funktional von dieser Form. Dies manifestiert sich in den Sätzen von Fréchet4 –Riesz.

2.2.1 Satz (Fréchet–Riesz). Sei H Hilbertraum und ϕ H ein beschränktes lineares Funktional. Dann existiert ein eindeutig bestimmtes Element yϕ H, so daß für alle x H

ϕ,x = (x,yϕ)
(2.2)

gilt.

Beweis. Sei U = ker (ϕ). Dann existiert eine eindeutige Zerlegung x = x1 + x2 mit x1 U und x2 U. Da ϕ auf U injektiv sein muß, folgt dim U dim 𝕂 = 1, ϕ : U 𝕂 ist also bijektiv. Es existiert also genau ein yϕ U{0} mit ϕ,yϕ = yϕ2 (nämlich die zweite Lösung dieser quadratischen Gleichung neben yϕ = 0). Für dieses gilt

(x,yϕ) = (x2,yϕ) = αyϕ2 = αϕ,y ϕ = ϕ,x2 = ϕ,x
(2.3)

mit x2 = αyϕ. □

2.2.2 Korollar (Fréchet–Riesz). Die Zuordnung ϕyϕ ist ein antilinearer isometrischer Operator H H. Antilinear heisst dabei

αϕα¯yϕ,(ϕ + ψ)yϕ + yψ.
(2.4)

Beweis. Es genügt die Isometrie zu zeigen. Einerseits folgt

yϕ2 = |ϕ,y ϕ|ϕyϕ,
(2.5)

also yϕϕ. Weiter gilt mit der Schwarzschen Ungleichung

|ϕ,x| = |(x,yϕ)|xyϕ
(2.6)

und damit ϕyϕ. □

Für Hilberträume nutzt man diese Isometrie um sie mit ihrem Dual zu identifizieren. In diesem Sinne ergeben sich also folgende Beispiele.

2.2.3 Beispiel. Es gilt (L2(G)) = L2(G) für jedes Gebiet G n. Das heißt, zu jedem linearen Funktional ϕ (L2(G)) existiert eine Funktion g L2(G), so daß

ϕ,f = (f,g) =Gf(x)g(x)¯dx
(2.7)

für alle f L2(G) gilt.

Insbesondere haben wir damit lineare Funktionale auf dem Raum L2(G) analytisch dargestellt. Vergleichbare Darstellungen gibt es in allen Lp-Räumen, p [1,). Wir geben das Resultat nur an, ohne es vollständig zu beweisen. Es geht ebenso auf Frigyes Riesz zurück.

2.2.4 Satz (Riesz). Sei G n ein Gebiet, p [1,) und q so, daß pq = p + q. Dann gilt

(Lp(G)) = Lq(G),
(2.8)

speziell existiert zu jedem ϕ (Lp(G)) ein g Lq(G), so daß für alle f Lp(G).

ϕ,f = (f,g) =Gf(x)g(x)¯dx
(2.9)

gilt.

Beweisskizze für beschränktes G und 1 p 2. Wir nehmen an, daß |G| < gilt und in einem ersten Schritt auch, daß 1 < p 2 gilt. Dann ist die Einbettung L2(G)Lp(G) stetig und jede Linearform ϕ (Lp(G)) bestimmt eine Linearform auf dem L2(G). Es existiert also ein g L2(G), so daß für jedes f Lp(G) L2(G)

ϕ,f = (f,g) =Gf(x)g(x)¯dx
(2.10)

gilt. Um zu zeigen, daß g Lq(G) gilt, betrachten wir für ein N > 0 die Funktion

f(x) = { |g(x)|q2g(x),|g(x)| N, 0, sonst.
(2.11)

Bezeichne GN = supp f {x G : |g(x)| N}. Damit gilt

GN|g(x)|qdx = ϕ,fϕ (|f(x)|pdx)1p = ϕ (GN|g(x)|p(q1)dx)1p. (2.12)

Unter Ausnutzung von p(q 1) = q und für N folgt die Behauptung gq ϕ. Umgekehrt bestimmt nach der Hölderschen Ungleichung jede Funktion g Lq(G) eine Linearform mit ϕgq.

Für p = 1 gehen wir analog vor, zeigen die essentielle Beschränktheit aber indirekt. Angenommen, das wie oben konstruierte g L2(G) gehört nicht zu L(G). Dann existiert zu jedem N > 0 eine Menge GN positiven Maßes mit |g(x)| > N auf GN. Speziell mit

f(x) = { |GN|1ei arg g(x),x G N, 0, sonst,
(2.13)

folgt dann f1 = 1 und damit der Widerspruch

ϕ = ϕf1 ϕ,f = 1 |GN|GN|g(x)|dx N.
(2.14)

Also folgt g L(G).

Für Gebiete nicht endlichen Maßes oder allgemeiner für σ-endliche Maßräume kann man obige Konstruktion für eine ausschöpfende Folge von Teilmengen endlichen Maßes anwenden. □

Für p > 2 kann man den Beweis nicht direkt auf den Hilbertraumfall zurückführen; oft wird die Funktion g mit dem Satz von Radon–Nikodym konstruiert und danach die obige Beweisidee genutzt. Wir zeigen im nächsten Kapitel die Reflexivität direkt.

Für p = ist die Aussage falsch. Es existieren also Linearformen auf L(G), die nicht durch eine Funktion aus L1(G) dargestellt werden können. Dies gilt schon, wenn man sich auf den abgeschlossenen Teilraum der stetigen Funktionen beschränkt; für diesen soll nachfolgend der Dualraum konstruiert werden.

Dafür benötigen benötigen wir noch einige Bezeichnungen. Sei (X,d) metrischer Raum. Bezeichne weiter 𝕄+(X) die Menge aller positiven Radonmaße5 auf X, also aller auf der Borel-Sigmaalgebra B(X) definierten Funktionen

μ : B(X) + {}
(2.15)

mit μ() = 0 und μ ( jEj) = jμ(Ej) für jede abzählbare Familie (Ej) B(X) paarweise disjunkter Mengen Ej Ek = , ik, die zusätzlich

Weiter benötigen wir 𝕂-wertige Maße. Es sei 𝕄(X) die Menge aller Differenzen positiver Maße, also 𝕄(X) = {μ+ μμ± 𝕄+(X)} und für μ = μ+ μ sei

|μ| = inf {μ+ + μ : μ = μ+ μ,μ± 𝕄+(X)} 𝕄(X)
(2.18)

die Totalvariation des Maßes. Daß das Infimum existiert und auch angenommen wird, folgt aus dem Beweis des nachfolgenden Darstellungssatzes. Weiter sei 𝕄(X) = 𝕄(X) . Wir werden ebenso zeigen, daß zu jedem μ 𝕄(X) ein eindeutig bestimmtes Maß |μ| 𝕄+(X) und eine |μ|-f.ü. eindeutig bestimmte meßbare Funktion 𝜃 : X mit

μ = ei𝜃(x)|μ|
(2.19)

existiert. Das Maß |μ| wird wieder als Totalvariation von μ bezeichnet. Ist (X,d) kompakt, so ist der Raum 𝕄(X) ein normierter Raum mit der Norm

μ =Xd|μ|.
(2.20)

Auch dies folgt aus dem Darstellungssatz.

2.2.5 Satz (Rieszscher6 Darstellungssatz). Sei (X,d) kompakter metrischer Raum. Dann existiert zu jeder stetigen Linearform ϕ : C(X) 𝕂 ein Radonmaß μ 𝕄(X) mit

ϕ,f =Xf(x)dμ(x),f C(X).
(2.21)

Dabei gilt ϕ = μ und somit (C(X)) = 𝕄(X).

Beweis. Wir beweisen dies in mehreren Teilen. Zuerst definieren wir den Begriff der positiven Linearform und zeigen, daß diese durch positive Radonmaße dargestellt werden. Dann in einem zweiten Teil zerlegen wir reelle Linearformen als Differenz positiver und in einem dritten Teil betrachten wir komplexe Linearformen und zeigen die Isometrie.

Teil 1. Schritt 1. Eine Linearform ϕ (C(X)) heißt positiv, falls ϕ,f 0 für alle stetigen und nichtnegativen Funktionen f gilt. Für positive Linearformen gilt ϕ = ϕ, 1.

Ist ϕ positiv, so kann man durch

μ(U) = sup {ϕ,f|f 1, supp f U}
(2.22)

eine Funktion auf den offenen Teilmengen U X definieren. Diese ist nichtnegativ, erfüllt μ() = 0, ist monoton und subadditiv. Letzteres zeigt man wie folgt: Angenommen, U = U1 Un und f C(X) mit supp f U. Sei weiter hj eine Partition der Eins, hj(x) = 1 auf supp f und supp hj Uj. Dann gilt

ϕ,f = jϕ,hjf jμ(Uj)
(2.23)

und nach Supremumsbildung über f folgt μ(U) jμ(Uj).

Wir zeigen, daß μ ein Borelmaß bestimmt, sich μ also (mindestens) auf die Borelalgebra fortsetzen läßt.

Schritt 2: μ ist σ-subadditiv. Sei dazu Uj eine abzählbare Familie offener Mengen und U = jUj. Dann gibt es auf Grund der Kompaktheit von X für jede Funktion f C(X) mit supp f U und f 1 eine endliche Teilfamilie Uj1,,Ujn, welche schon supp f überdeckt. Also folgt mit einer entsprechenden Partition der Eins

ϕ,f = k=1nϕ,h jkf k=1nμ(U jk) jμ(Uj)
(2.24)

und nach Supremumsbildung über alle solchen f

μ ( jUj ) jμ(Uj).
(2.25)

Damit ist μ auf offenen Mengen σ-subadditiv.

Schritt 3: äußeres Maß. Mit Hilfe von μ definiert man für beliebige Teilmengen E X

μ(E) = inf EU,U offenμ(U)
(2.26)

und erhält dadurch ein äußeres Maß. Nach Konstruktion gilt μ() = 0, ist μ monoton und σ-subadditiv. Letzteres sieht man wie folgt. Sei E = jEj für eine Folge Ej X. Dann existieren zu gegenem 𝜀 > 0 nach Konstruktion offene Mengen Uj mit Ej Uj und

μ(Uj) μ(E j) + 𝜀2j.
(2.27)

Also folgt mit U = jUj

μ(E) μ(U) j=1μ(U j) 𝜀 + j=1μ(E j)
(2.28)

und da 𝜀 beliebig war, folgt σ-Subadditivität.

Schritt 4: μ ist auf Kompakta additiv. Seien K1,K2 X kompakt und K1 K2 = . Dann existiert nach Konstruktion von μ zu jedem 𝜀 > 0 und jeder offenen Menge W K1 K2 eine stetige Funktion f C(X) mit 0 f(x) 1, f(x) = 1 in einer Umgebung von K1 K2, supp f W und

μ(K 1 K2) ϕ,f μ(K 1 K2) + 𝜀.
(2.29)

Dabei kann W = U1 U2 mit disjunkten offenen Umgebungen Ui Ki gewählt werden. Schreibt man f = f1 + f2 mit supp fi Ui, so folgt

μ(K i) ϕ,fi
(2.30)

und damit

μ(K 1) + μ(K 2) ϕ,f1 + f2) = ϕ,f μ(K 1 K2) + 𝜀.
(2.31)

Da 𝜀 beliebig war folgt die Additivität von μ auf Kompakta.

Schritt 5: inneres Maß. Damit kann man sich nun ebenso ein inneres Maß

μ(E) = sup KE,K kompaktμ(K)
(2.32)

konstruieren. Für jede Teilmenge E X gilt μ(E) μ(E). Bezeichne nun

M = {E X|μ(E) = μ(E)}.
(2.33)

Nach Konstruktion gehören alle kompakten Teilmengen zu M.

Schritt 6: alle offenen Mengen gehören zu M. Sei U X offen. Dann existiert zu jedem 𝜀 > 0 ein f C(X), supp f U und f 1, mit

μ(U) 𝜀 ϕ,f.
(2.34)

Sei nun K = supp f. Dann folgt

μ(U) 𝜀 ϕ,f inf KV,V  offenμ(V ) = μ(K) μ (U) μ(U) = μ(U).
(2.35)

Da 𝜀 beliebig war, folgt μ(U) = μ(U) und U M.

Schritt 7: μ ist σ-additiv auf M. Nach Konstruktion ist μ schon σ-subadditiv. Es genügt damit, die umgekehrte Ungleichung zu beweisen. Sei Ej M eine abzählbare Familie paarweise disjunkter Mengen. Sei weiter 𝜀 > 0. Dann existieren Kompakta Hj mit Hj Ej und

μ(E j) μ(H j) + 2j𝜀.
(2.36)

Die Mengen Hj sind nach Konstruktion paarweise disjunkt und

Kn = j=1nH j
(2.37)

ist kompakt. Da Kn E = jEj gilt, folgt

j=1nμ(E j) j=1nμ(H j) + 𝜀 = μ(K n) + 𝜀 μ(E) + 𝜀
(2.38)

und damit zusammen mit der σ-Subadditivität des äußeren Maßes

jμ(E j) μ(E) μ(E) jμ(E j).
(2.39)

Damit ist E M und μ auch σ-additiv.

Schritt 8: μ ist regulär. Sei E M und sei 𝜀 > 0. Dann existiert nach Konstruktion eine offene Menge U X mit E U und eine kompakte Menge K E, so daß

μ(U) 𝜀2 < μ(E) < μ(K) + 𝜀2.
(2.40)

Insbesondere gilt also (da U K und K beide zu M gehören und wir somit Additivität nutzen können)

K E U,μ(U K) = μ(U) μ(K) < 𝜀.
(2.41)

Schritt 9: M ist σ-Algebra. Wir haben schon gezeigt, daß M unter abzählbaren disjunkten Vereinigungen abgeschlossen ist. Weiter enthält M nach Konstruktion alle kompakten Teilmengen und alle offenen Teilmengen von X, speziell also auch ,X M. Es genügt damit zu zeigen, daß M unter Differenzbildung abgeschlossen ist. Seien also E1,E2 M. Dann finden wir zu gegebenem 𝜀 > 0 Kompakta Ki und offene Mengen Ui mit (2.41). Damit impliziert

E2 E1 U2 K1 (U2 K2) (K2 U1) (U1 K1)
(2.42)

aber (da K2 U1 kompakt ist)

μ(E 2 E1) < μ(K 2 U1) + 2𝜀 < μ(E2 E1) + 2𝜀.
(2.43)

Da 𝜀 beliebig war, folgt μ(E 2 E1) = μ(E2 E1) und E2 E1 M. Damit ist M eine σ-Algebra, welche die Borelalgebra B(X) enthält.

Schritt 10: μ stellt ϕ dar. Sei μ definiert durch μ(E) = μ(E) = μ(E) für alle E B(X) M. Mit diesem Maß gilt die Darstellung

ϕ,f =Xf(x)dμ(x)
(2.44)

für alle f C(X). Nach Konstruktion des Integrals genügt es, dies für Funktionen f 0 zu zeigen. Sei M = max xXf(x) und 𝜀 > 0. Seien weiter 0 = y0 < y1 < < ym = M so gewählt, daß yj+1 yj < 𝜀 gilt. Dann sind die Mengen

Ej = {x X : yj1 < f(x) yj}B(X) M,j = 1,,m
(2.45)

meßbar und es existieren Kompakta Kj und offene Mengen Uj mit

Kj Ej Uj,μ(Uj Kj) 𝜀m.
(2.46)

Dabei kann man Uj auf Grund der Stetigkeit von f so klein wählen, dass f(x) yj + 𝜀 auf Uj gilt. Sei weiter hj eine der Familie Uj untergeordnete Partition der Eins. Dann gilt hj(x)f(x) (yj + 𝜀)hj(x) und supp hj Uj und somit

ϕ,f = j=1mϕ,h jf j=1m(y j + 𝜀)ϕ,hj j=1m(y j + 𝜀)μ(Uj) j=1m(y j + 𝜀)(μ(Ej) + 𝜀m),und da yj f(x) + 𝜀 auf Ej supp ff(x)dμ(x) + 𝜀μ(supp f) + 𝜀 m j=1m(y j + 𝜀) supp ff(x)dμ(x) + 𝜀μ(supp f) + (M + 𝜀)𝜀.

Da 𝜀 > 0 beliebig war, folgt ϕ,f Xf(x)dμ(x). Für die umgekehrte Ungleichung betrachtet man die Funktion g(x) = M f(x). Diese erfüllt ebenso g(x) 0 und damit

ϕ,Mϕ,f = ϕ,gXg(x)dμ(x) = ϕ,MXf(x)dμ(x),
(2.47)

also gilt

ϕ,f =Xf(x)dμ(x)
(2.48)

für alle f C(X), f 0, mit Linearität für alle f C(X).

Weiter gilt ϕ = ϕ, 1 = μ(X) = μ.

Teil 2. Schritt 1: Totalvariation eines Funktionals. Sei nun ϕ (C(X)) beliebig und sei |ϕ| definiert als

|ϕ|(f) := sup {|ϕ,h|; h C(X),|h(x)| f(x)},f 0.
(2.49)

Dann gilt |ϕ|(1) = ϕ. Weiter ist |ϕ| offenbar positiv homogen, |ϕ|(cf) = c|ϕ|(f) für c > 0, und wie wir noch zeigen additiv, |ϕ|(f1 + f2) = |ϕ|(f1) + |ϕ|(f2), auf nichtnegativen Funktionen. Das ist aber alles, was wir im ersten Teil genutzt haben, um |ϕ| als Maß darzustellen. Es folgt also |ϕ| (C(X)) und

|ϕ|(f) =Xf(x)d|μ|(x)
(2.50)

sowie ϕ = |μ|(X). Wir bezeichnen |ϕ| als Totalvariation des Funktionals ϕ und |μ| als Totalvariation des Maßes μ.

Bleibt die Additivität. Seien für j = 1, 2 stetige Funktionen fj 0 gegeben, 𝜀 > 0 und hj C(X) mit |hj(x)| fj(x) zusammen mit |ϕ,hj||ϕ|(fj) 𝜀2. Dann folgt mit |ϕ,hj| = ei𝜃jϕ,h j

0 |ϕ|(f1) + |ϕ|(f2) |ϕ,h1| + |ϕ,h2| + 𝜀 = ei𝜃1 ϕ,h1 + ei𝜃2 ϕ,h2 + 𝜀 = ϕ,ei𝜃1 h1 + ei𝜃2 h2|ϕ|(f1 + f2) + 𝜀,
(2.51)
da |ei𝜃1h 1(x) + ei𝜃2h 2(x)||h1(x)| + |h2(x)| f1(x) + f2(x) gilt. Da 𝜀 > 0 beliebig war, folgt Superadditivität. Umgekehrt gilt für jedes h C(X) mit |h(x)| f1(x) + f2(x) =: f(x) und V = {xf(x)0} für

hj(x) = { fj(x) f(x) h(x),x V, 0, sonst
(2.52)

stets hj C(X) (da h(x) = 0 auf V und ebenso für jeden Randpunkt von V ) und |hk(x)| fk(x) (da |h(x)| f(x)). Also folgt aus h = h1 + h2

|ϕ,h| = |ϕ,h1 + ϕ,h2||ϕ,h1| + |ϕ,h2||ϕ|(f1) + |ϕ|(f2)
(2.53)

und die Additivität von |ϕ| folgt.

Im reellen Fall folgt, daß ϕ = |ϕ| (|ϕ| ϕ) als Differenz zweier positiver Maße darstellbar ist.

Schritt 2: Isometrie. Sei nun f C(X) beliebig. Da dann f (als h) in die Definition von |ϕ|(|f|) eingesetzt werden kann, folgt |ϕ,f||ϕ|,|f| und somit

|ϕ,f|X|f(x)|d|μ|(x).
(2.54)

Damit ist ϕ zu einer stetigen Linearform auf L1(X,|μ|) mit Norm 1 fortsetzbar. Nach Satz 2.2.4 (allerdings für Maßräume) existiert damit ein ρ L(X,|μ|) mit ρ 1 und

ϕ,f =Xf(x)ρ(x)d|μ|(x).
(2.55)

Weiter ist

ϕ = |ϕ|(1) = sup |h(x)|1|ϕ,h|X|ρ(x)|d|μ|(x) Xd|μ|(x) = |μ|(X) = ϕ
(2.56)

und damit |ρ(x)| = 1 für |μ|-fast alle x. Sei μ = ρ(x)|μ| 𝕄(X). Dann stellt μ das Funktional ϕ dar und μ = |μ|(X) = ϕ. □

Da damit für reelle Maße ρ(x) {±1} für |μ|-fast alle x gilt, beweist Schritt 2 aus Teil 2 insbesondere die Hahn–Jordan7 -Zerlegung reeller Maße. Dabei ist einfach μ± = 1{ρ(x)=±1}(x)μ.

2.2.6 Korollar (Jordan–Hahn-Zerlegung). Sei μ 𝕄(X). Dann existieren eindeutig bestimmte positive Maße μ+,μ 𝕄+(X) mit stets μ = μ+ μ, |μ| = μ+ + μ und μ+ μ.

Für komplexe Maße ergibt sich entsprechend die Polarzerlegung

2.2.7 Korollar (Polarzerlegung). Sei μ 𝕄(X) beliebig. Dann existieren ein eindeutig bestimmtes positives Maß |μ| 𝕄+(X) und eine |μ|-fast überall eindeutig bestimmte |μ|-meßbare Funktion 𝜃 : X mod 2π mit μ = ei𝜃|μ|.

Ohne Voraussetzung der Kompaktheit an (X,d) gelten schwächere Resultate. Auf allgemeinen metrischen Räumen sind der Raum der im im Unendlichen verschwindenden stetigen Funktionen C0(X) (also der Abschluß der Menge der kompakt getragenen stetigen Funktionen in der Supremumsnorm) und der Raum der Radonmaße endlicher Totalvariation 𝕄b(X) zueinander dual.

2.3  Reflexivität

Im letzten Abschnitt haben wir gesehen, daß jeder Hilbertraum H isometrisch anti-isomorph zu seinem Dual H ist, insbesondere also H und H kanonisch isomorph sind,

ϕ,x = (x,yϕ) = x,ϕ.
(2.1)

Andererseits kann man für beliebige normierte Räume vermittels ϕ,x = x,ϕ eine Einbettung von V in sein doppeltes Dual V definieren. Dabei ist offenbar xV x und mit dem Satz von Hahn–Banach xV = x.

2.3.1 Definition. Ein Banachraum V heißt reflexiv, falls die kanonische Einbettung V V surjektiv und damit ein (isometrischer) Isomorphismus ist.

Die Voraussetzung der Vollständigkeit folgt aus der Darstellung als Dualraum. Die Bedingung die wirklich notwendig ist, ist die Surjektivität der Einbettung.

2.3.2 Beispiel. Jeder endlichdimensionale Raum ist reflexiv, da die Dimension von V und V übereinstimmt, die Einbettung V V also surjektiv sein muß.

2.3.3 Beispiel. Jeder Hilbertraum H ist reflexiv.

2.3.4 Beispiel. Die Folgenräume p mit 1 < p < sind reflexiv.

2.3.5 Satz.

  1. Jeder abgeschlossene Teilraum eines reflexiven Raumes ist reflexiv.

  2. Entweder ist der Banachraum V reflexiv, oder jeder der Räume

    V,V ,V (4),
    (2.2)

    ist ein echter Teilraum des nachfolgenden.

  3. Ein Banachraum V ist reflexiv genau dann, wenn sein Dual V reflexiv ist.

Beweis.  (1) Sei V reflexiv und U V abgeschlossener Teilraum. Sei u U. Dann ist die Abbildung V ϕu,ϕ| U wegen

|u,ϕ|U|uϕ|Uuϕ

ein Element von V . Es existiert also ein x V mit

ϕ,x = u,ϕ|U,ϕ V .

Wäre xU, so gäbe es nach dem Satz von Hahn–Banach ein Funktional ψ V mit ψ,x = 1 und ψ|U = 0. Widerspruch!

Sei nun u U und ϕ V eine Fortsetzung von u auf V . Dann gilt

u,u = u,ϕ| U = ϕ,x = u,x

und damit ist u das Bild von x unter der Einbettung UU. (2) folgt direkt aus Aussage (1). (3) folgt aus Aussage (2). □

2.3.6 Beispiel. Der Raum 1 kann nicht reflexiv sein, da er sowohl Dual von 𝔠 als auch von seinem abgeschlossenen Teilraum 𝔠0 ist, beide aber nicht isometrisch isomorph sind.

Zum Beweis des nachfolgenden Kriteriums für Reflexivität benötigen wir eine Hilfsaussage.

2.3.7 Lemma (Helly8 ). Sei V normierter Raum und u V ein Element des Biduals. Sei weiter S V ein endlichdimensionaler Teilraum des Duals und 𝜀 > 0. Dann existiert ein x V mit xu + 𝜀 und

ϕ,x = u,ϕ
(2.3)

für alle ϕ S.

Beweis. Der Satz ist im wesentlichen lineare Algebra: Da S endlichdimensional ist, ist der Quotientenraum VT für T = {x V |ϕ S : ϕ,x = 0} (algebraisch isomorph zu S und damit) endlichdimensional. Also gilt VT = (VT). Jedem Φ (VT) ist durch ϕ,x = Φ,x + T ein ϕ V zugeordnet, man kann u also ein Element U (VT) zuordnen. Dabei gilt Uu. Damit gilt aber U = y + T VT und U = inf zT y + zu . Also existiert ein x = y + z mit xu + 𝜀. □

Ein Banachraum V heißt gleichmäßig konvex, falls es zu jedem 𝜀 > 0 ein δ > 0 gibt, so daß für alle x,y V

x = y = 1und1 2(x + y) 1 δimpliziertx y 𝜀
(2.4)

gilt.

2.3.8 Satz (Milman9 –Pettis10 ). Jeder gleichmäßig konvexe Banachraum ist reflexiv.

Beweis. Sei V gleichmäßig konvex. Wir zeigen, daß die Einbettung V V in sein Bidual surjektiv ist. Sei dazu u V mit u = 1 sowie ϕk V eine Folge mit ϕk = 1 und 1 1k < u,ϕk 1. Nach dem Lemma von Helly existiert damit zu jedem n ein xn V mit xn 1 + 1n und

ϕk,xn = u,ϕk,k = 1,,n.
(2.5)

Insbesondere gilt also für n m

2 2n ϕn,xn + xmxn + xm 2 + 2n
(2.6)

und somit xn + xm 2. Da ebenso xn 1 gilt, folgt aus der gleichmäßigen Konvexität die Cauchyfolgeneigenschaft. Damit konvergiert xn x in V und erfüllt ϕk,x = u,ϕk für alle k.

Das so konstruierte Element x ist eindeutig bestimmt. Wählt man andere xn und bezeichnet den Grenzwert mit x, so würde die Folge x,x,x,x, ebenso alle Bedingungen erfüllen. Damit ist sie konvergent und x = x. Dies nutzt man nun, um ϕ,x = u,ϕ für alle ϕ zu zeigen. Dazu betrachtet man die Folge ϕ,ϕ1,ϕ2, und wendet obige Konstruktion an. Dies liefert wiederum dasselbe x V und damit u = x. Also ist V reflexiv. □

2.3.9 Beispiel. Die Räume Lp(G) sind für 1 < p < gleichmäßig konvex und damit reflexiv.

Beweis. Dies folgt aus den Clarksonschen11 Ungleichungen für Funktionen u,v Lp(G),

u + vpq + u v pq 2(u pp + v pp)q1
(2.7)

für 1 < p 2 und q dem zu p dualen Index, sowie

u + vpp + u v pp 2p1(u pp + v pp)
(2.8)

für 2 p < . Für einen Beweis siehe Hirzebruch–Scharlau, §17. □

Gleichmäßige Konvexität erlaubt das Studium von Bestapproximationen und impliziert die Normkonvergenz von Minimalfolgen. Beweise dafür sind ähnlich denen für Hilberträume und zum Beispiel im Buch von Heuser zu finden.

2.4  Schwache Konvergenz

Wir haben gesehen, daß die Elemente aus V punktetrennend in V sind. Damit kann man durch die Seminormen

pϕ(x) = |ϕ,x|,ϕ V
(2.1)

auf V eine lokalkonvexe Topologie definieren. Diese wird als Topologie der schwachen Konvergenz bezeichnet.

2.4.1 Definition. Sei xn V eine Folge aus V . Dann heißt (xn) schwach konvergent gegen x V , in Zeichen xn x, falls für alle ϕ V

ϕ,xnϕ,x
(2.2)

konvergiert.

2.4.2 Proposition.

  1. xn x und yn y impliziert xn + yn x + y.

  2. xn x und αn α impliziert αnxn αx.

  3. xn x impliziert xn x.

2.4.3 Beispiel. Sei V = 2. Dann gilt für en = (0, 0,, 1, 0) und ϕ (2), dargestellt durch (yn)

ϕ,en = yn 0
(2.3)

für n . Also gilt en 0, obwohl en = 1.

2.4.4 Satz. Sei H Hilbertraum und konvergiere xn x schwach. Gilt dann xnx, so folgt xn x.

Beweis. Es gilt

xn x2 = (x n x,xn x) = x2 + x n2 2 Re (x n,x) x2 + x2 2x2 = 0.
(2.4)

2.4.5 Satz. Sei V normierter Raum. Dann ist jede Folge (xn), die schwach beschränkt ist, also

sup n|ϕ,xn| <
(2.5)

für alle ϕ V erfüllt, auch in der Norm beschränkt.

Beweis. Wir betrachten die Operatorfolge Anϕ = ϕ,xn. Diese ist nach Voraussetzung in L(V , 𝕂) punktweise beschränkt, nach dem Prinzip von der gleichmäßigen Beschränktheit (Satz 1.7.2) also normbeschränkt. Es gilt aber An = xn. □

(Starke) Stetigkeit von linearen Operatoren impliziert schwache Folgenstetigkeit. Für Linearformen sind beide Stetigkeitsbegriffe äquivalent.

2.4.6 Proposition.

  1. Sei ϕ : V 𝕂 linear. Dann gilt ϕ V genau dann, wenn ϕ schwach folgenstetig ist.

  2. Sei A L(V,W) und xn x in V . Dann gilt Axn Ax in W.

Beweis. (1) Ist ϕ V , so ist die schwache Folgenstetigkeit von ϕ gerade die Definition der schwachen Konvergenz. Umgekehrt impliziert starke Konvergenz xn x schwache xn x, und damit schwache Folgenstetigkeit die Stetigkeit von ϕ. (2) Es gilt für alle ϕ W

|ϕ,Ax Axn| = |Aϕ,x x n| 0.
(2.6)

Schwache Konvergenz hängt eng mit konvexen Mengen zusammen. Dies ergibt sich im wesentlichen aus den Trennungssätzen von Hahn–Banach.

2.4.7 Satz. Sei K V eine abgeschlossene und konvexe Teilmenge des normierten Raumes V . Sei weiter xn K eine schwach konvergente Folge mit Grenzwert x V , xn x. Dann gilt x K.

Beweis. Angenommen, x ist kein Element von K. Da K abgeschlossen ist, gilt dist (x,K) > 0. Damit existiert nach Satz 2.1.11 ein Funktional ϕ V mit Reϕ,x < γ < inf yKReϕ,y. Setzt man speziell als y die Folgenglieder xn, so ergibt sich ein Widerspruch zur schwachen Konvergenz. □

2.4.8 Korollar (Satz von Mazur). Angenommen, xn x konvergiert schwach. Dann existiert eine Folge yn bestehend aus (endlichen) Konvexkombinationen der Glieder xn, so daß yn x in der Norm konvergiert.

Beweis. Man setzt K den Abschluß der konvexen Hülle der Menge {xn} und wendet obigen Satz an. □

2.4.9 Korollar. Angenommen, xn x konvergiert schwach. Dann gilt

xliminf nxn.
(2.7)

Beweis. Hier wählt man 𝜀 > 0 und dann n groß genug, um obigen Satz mit der abgeschlossenen Kugel mit Radius liminf nxn + 𝜀 als konvexer Menge und einer entsprechenden Teilfolge anzuwenden. □

2.5  Schwach-*-Konvergenz

Fortsetzen wollen wir unsere Untersuchungen mit der Betrachtung in V . Ist V ein normierter Raum, so ist V Banachraum und in V durch die Elemente von V eine schwächere lokalkonvexe Topologie definiert, die sogenannte schwach-*-Topologie.

2.5.1 Definition. Sei ϕn V eine Folge von Funktionalen. Man sagt ϕn konvergiere schwach-* gegen ϕ V , in Zeichen ϕnϕ, falls für alle x V

ϕn ϕ,x 0
(2.1)

gilt.

2.5.2 Proposition.

  1. ϕnϕ und ψnψ impliziert ϕn + ψnϕ + ψ.

  2. ϕnϕ und αn α impliziert αnϕnαϕ.

  3. ϕn ϕ impliziert ϕnϕ.

  4. ϕn ϕ impliziert ϕnϕ.

Die schwach-* Topologie entspricht der starken Konvergenz im Operatorraum L(V, 𝕂). Insbesondere gilt also (als Folgerung des Prinzips der gleichmäßigen Beschränktheit)

2.5.3 Satz. Sei V Banachraum. Dann ist der Raum V schwach-* folgenvollständig, d.h. zu jeder Folge (ϕn), die die schwache Cauchy-Bedingung

ϕn ϕm,x 0,m,n
(2.2)

für jedes x V erfüllt, existiert genau ein ϕ V mit ϕnϕ.

2.5.4 Korollar. Jeder reflexive Raum ist schwach folgenvollständig.

2.5.5 Beispiel. C[0, 1] ist nicht schwach folgenvollständig. Dazu sei fn C[0, 1] eine Folge stetiger Funktionen, die gleichmäßig beschränkt ist und punktweise gegen eine nichtstetige, aber meßbare Funktion f konvergiert. So eine Folge existiert. Sei nun μ ein beschränktes Radonmaß. Dann gilt mit dem Satz über majorisierte Konvergenz

lim m,n01f n(x) fm(x)dμ(x) = 0
(2.3)

und somit ist fn schwache Cauchyfolge. Da aber ein eventueller schwacher Grenzwert insbesondere punktweiser Grenzwert sein muß (man wähle einfach Diracmaße) und dieser als nichtstetig vorausgesetzt wurde, kann er nicht Element von C[0, 1] sein.

2.5.6 Beispiel. Sei xn eine Folge aus einem Hilbertraum H. Gilt für jedes y H die schwache Cauchy-Bedingung

(xn xm,y) 0,m,n ,
(2.4)

so existiert ein x H mit xn x. Die Cauchy-Bedingung ist essentiell um Konvergenzkriterien für Reihen zu beweisen. Damit gilt in jedem Hilbertraum H folgendes schwache Konvergenzkriterium

Satz. Sei H Hilbertraum. Dann konvergiert die Reihe k=0x k genau dann schwach gegen ein x H, wenn für jedes y H die Reihe k=0(x k,y) in 𝕂 konvergiert.

Beispiele

Wir wollen nun einige Beispiele zu den Konvergenzbegriffen diskutieren.

2.5.7 Beispiel. Sei (X,d) kompakter metrischer Raum. Dann hat C(X) den Dualraum 𝕄(X) der 𝕂-wertigen Radon-Maße auf X. Sei nun fn eine Folge stetiger Funktionen. Diese konvergiert schwach gegen ein f C(X), falls für jedes Maß μ 𝕄(X)

fn(x) f(x)dμ(x) 0,n
(2.5)

gilt.

2.5.8 Beispiel. Sei diesmal μn eine Folge aus 𝕄(X), so daß für alle f C(X)

f(x)d(μn μm) 0,m,n
(2.6)

gilt, so folgt die Existenz eines Maßes μ 𝕄(X) mit μnμ, d.h.

f(x)dμn f(x)dμ,n
(2.7)

für alle f C(X). In der Maßtheorie / Stochastik sagt man μn sei gegen μ verteilungskonvergent.

2.5.9 Beispiel. Sei xn X eine Folge von Punkten aus X und gelte xn x in X und xnx. Dann konvergieren die Punktmaße δxn schwach-* gegen δx,

δxnδx.
(2.8)

Diese Folge konvergiert aber nicht schwach, da sonst für jede Borel-Menge A B(X)

δxn(A) δx(A)
(2.9)

gelten müßte (warum?), was aber für A = {x} offenbar falsch ist.

2.5.10 Beispiel. Für ein weiteres Beispiel betrachten wir die Räume 𝔠0, 1 und . Für Folgen xk 1 mit Gliedern xk = (xk,l)l=1, kann man nun neben der Normkonvergenz in 1 sowohl schwache als auch Schwach-*-Konvergenz untersuchen.

Ein bekanntes Resultat von Schur besagt, daß in diesem Fall aus xk x schon xk x folgt. Der Raum 1 besitzt die Schur-Eigenschaft.

2.5.11 Beispiel. Die Folge der Basisfolgen ek 1 = 𝔠 0, wie vorher ek = (0,, 0, 1, 0,) mit der 1 an der k-ten Stelle, erfüllt ek = 1. Also kann ek nicht in der Norm gegen Null konvergieren. Allerdings gilt für jede Nullfolge (ξl) 𝔠0

ek, (ξl) = ξk 0,k ,
(2.13)

also ek0. Die Folge ist in 1 nicht schwach konvergent, da ek, (1) = 1 nicht gegen Null strebt.

2.6  Schwache Folgenkompaktheit

Im folgenden interessieren uns Kriterien für die Existenz schwach-*-konvergenter Teilfolgen. Das für uns zentrale Resultat ist dazu der folgende Satz. Er basiert auf der Separabilität des Raumes V und dem Satz von Banach–Steinhaus.

2.6.1 Satz (Banach–Alaoglu12 ). Ist V separabler Banachraum, so besitzt jede Folge ϕn V mit ϕn 1 eine schwach-* konvergente Teilfolge.

Beweis. Sei dazu {x1,x2,} dicht in V . Die Folge der Zahlen ϕn,x1 ist beschränkt. Nach dem Satz von Bolzano–Weierstraß existiert eine konvergente Teilfolge ϕnk,1,x1. Aus demselben Grund besitzt ϕnk,1,x2 wiederum eine konvergente Teilfolge ϕnk,2,x2. So fährt man fort. Die Diagonalfolge ϕnk,k liefert nach Konstruktion konvergente Folgen ϕnk,k,xi für jedes xi.

Nach dem Satz von Banach–Steinhaus ist aber nun ϕnk,k schwach-* konvergent, es existiert also ein ϕ mit ϕnk,kϕ. □

Die Voraussetzung der Separabilität ist hier notwendig. Im Raum () ist die Folge der Funktionale ϕk, (xn) = xk in der Norm beschränkt, ϕk = 1, aber keine Teilfolge ist schwach-*-konvergent. Für jede Teilfolge ϕkj liefert nämlich (xn) mit xn = (1)j für n = kj schon ϕkj, (xn) = (1)j.

Da Hilberträume reflexiv sind, stimmen auf ihnen schwache und schwach-* Konvergenz überein. In separablen Hilberträumen ist die Einheitskugel also schwach folgenkompakt. Separabilität ist hier allerdings unerheblich.

2.6.2 Korollar. Sei H Hilbertraum. Dann ist die abgeschlossene Einheitskugel von H schwach folgenkompakt.

Beweis. Sei xn H, n mit xn 1. Sei weiter H0 = span ¯{xn : n }, H1 = H0 und somit H = H0 H1. Nach Konstruktion ist H0 separabel. Es existiert also eine in H0 schwach konvergente Teilfolge xnk, xnk x und damit gilt für alle y H0

(xnk,y) (x,y),k .
(2.1)

Da für alle y H1 ebenso (xn,y) = 0 gilt, konvergiert xnk schwach in H. □

In reflexiven Banachräumen ist man versucht, ähnlich vorzugehen. Jede Folge (xn) in V ist sicher in einem separablen Teilraum W, dem Normabschluß span ¯{xn : n } enthalten. Da V reflexiv ist, ist W = W auch reflexiv und W nach folgendem Lemma separabel.

2.6.3 Lemma. Ist V separabel, so auch V .

Beweis. Sei V separabel und sei (ϕn) eine in der Einheitssphäre {ϕ V : ϕ = 1} V dichte Folge. Nach Definition der Norm in V existieren damit xn V mit xn = 1 und |ϕn,xn| > 12.

Betrachtet man nun die -lineare Hülle span {xn : n }, so ist diese offenbar abzählbar. Angenommen, ihr Abschluß ist nicht V . Dann existiert nach dem Satz von Hahn–Banach ein ϕ V mit ϕ = 1 und ϕ(xn) = 0 für alle n. Für dieses ϕ gilt

1 2 |ϕn,xn| = |ϕn ϕ,xn|ϕn ϕxn = ϕn ϕ.
(2.2)

Damit können die ϕn aber nicht dicht in der Sphäre sein. Widerspruch! □

Also existiert eine (in W) schwach konvergente Teilfolge (xnk) von (xn) und ein x W mit ϕ,xnkϕ,x für alle ϕ W. Da jede Linearformen auf V auch eine auf W ist, impliziert dies schwache Konvergenz in V .

2.6.4 Korollar. Sei V reflexiv. Dann ist die abgeschlossene Einheitskugel von V schwach folgenkompakt.

Bestapproximationsaufgaben

Eine Anwendung ist der folgende Existenzsatz für Bestapproximationen. Um die Eindeutigkeit zu garantieren, benötigt man stärkere Voraussetzungen.

2.6.5 Satz. Sei V reflexiv und U V ein abgeschlossener Teilraum von V . Sei weiter x V . Dann gibt es ein y0 U, für welches

x y0 = dist(x,U) = inf yUx y.
(2.3)

Beweis. Ist x U so folgt y0 = x und Existenz (und Eindeutigkeit) sind klar. Sei also im folgenden x V U. Sei weiter yn eine Minimalfolge. Diese ist wegen

ynx yn + xdist(x,U) + 𝜀 + x,n n0(𝜀)
(2.4)

beschränkt und damit nach Folgerung 2.6.4 relativ folgenkompakt. Es existiert also eine schwach konvergente Teilfolge ynk und ein y0 U mit ynk y0.

Dieses y0 löst die Bestapproximationsaufgabe. Da U abgeschlossen und als Unterraum auch konvex ist folgt aus Satz 2.4.7, dass y0 U. Weiter impliziert x ynk x y0 mit Korollar 2.4.9

dist(x,U) x y0liminf kx ynk = dist(x,U).
(2.5)

Man beachte: Die Zuordnung V xy0 U, die jedem x V seine Bestapproximation y0 U zuordnet, ist im allgemeinen nicht linear. Nur in Hilberträumen ergeben sich hier stets lineare Projektoren.

Einfacher werden Bestapproximationsaufgaben, wenn der Unterraum U aus dem approximiert wird, endlichdimensional ist. Dann ist die Einheitskugel in U kompakt und wir können (ganz ohne Nutzung des Satzes von Banach–Alaoglu) aus jeder Minimalfolge eine konvergente Teilfolge auswählen.

2.6.6 Satz. Sei V normierter Raum und U endlichdimensionaler Teilraum von V . Dann existiert zu jedem x V eine Bestapproximation an x aus U.

Derartige Approximationsprobleme bezeichnet man als Tschebyscheff-Approximation. Das Standardbeispiel dazu ist, Funktionen aus C[a,b] durch Polynome vom Grad n zu approximieren. In diesem Falle kann man sogar zeigen, daß die Bestapproximation eindeutig bestimmt ist (der Haarsche13 Eindeutigkeitssatz, ein Beweis findet sich im Buch von Heuser).

2.7  Appendix: Schwache Kompaktheitssätze

Für das nachfolgende sei an die Definition der Kompaktheit einer Menge erinnert. Ebenso daran, daß es zwei verschiedene Kompaktheitsbegriffe gibt.

2.7.1 Definition. Eine Teilmenge M eines topologischen Raumes (X,T) heißt

  1. überdeckungskompakt, falls jede offen Überdeckung M iIUi, Ui offen in X, eine endliche Teilüberdeckung M k=1,nUik besitzt;

  2. äquivalent dazu: falles jedes System abgeschlossener Teilmengen Fi M, i I, mit nichtleeren endlichen Schnitten Fi1 Fi2 Fik nichtleeren Schnitt iIFi besitzt;

  3. folgenkompakt, falls jede Folge (xn) aus M eine in M konvergente Teilfolge (xnk) besitzt.

In metrischen Räumen sind beide Begriffe äquivalent. Wenn wir über lokalkonvexe Topologien sprechen, müssen wir sie unterscheiden. Besitzt der Raum eine abzählbare Umgebungsbasis, so folgt aus der Überdeckungskompaktheit die Folgenkompaktheit. Dies gilt zum Beispiel in separablen Räumen. Im allgemeinen sind die beiden Kompaktheitsbegriffe verschieden.

In Dualräumen gilt das folgende Kompaktheitsresultat. Das genutzte Hauptargument ist topologischer Natur und beruht darauf, dass Produkte kompakter Mengen kompakt sind (Satz von Tychonov).

2.7.2 Satz (Alaoglu). Die abgeschlossene Einheitskugel in V ist schwach-* kompakt.

Beweis. Schritt 1. Wir gehen in zwei Teilschritten vor und betrachten zuerst die Menge 𝕂V aller Funktionen von V nach 𝕂. Diese kann mit einer Produkttopologie versehen werden. Eine Subbasis dieser Topologie ist durch die Mengen U(x) = {f 𝕂V : f(x) U} für beliebige offenen Mengen U 𝕂 und beliebige x V gegeben. Eine Menge Ω 𝕂V ist also genau dann offen, wenn sie Vereinigung endlicher Schnitte von Mengen U(x) ist.

Sei nun Σ 𝕂V abgeschlossen und Σx = {f(x) : f Σ} für jedes x beschränkt. Dann ist Σ kompakt in der Produkttopologie. Dazu zeigen wir, daß jedes System abgeschlossener Teilmengen Fj Σ, j J, mit Fj1 Fj2 Fjk für beliebige endliche Schnitte schon nichtleeren Durchschnitt jJFj hat. Dazu machen wir zuerst das System (Fj)jJ größer. Wir betrachten Familien abgeschlossener Teilmengen von Σ, die

Die Menge aller solchen endlichen Familien ist durch Inklusion geordnet und jede aufsteigende Kette ist offenbar durch ihre Vereinigung nach oben beschränkt. Damit existiert nach dem Lemma von Zorn eine Familie, welche (Fj)jJ enthält aber selbst nicht echte Teilmenge einer größeren Familie mit endlicher Durchschnittseigenschaft ist.

Wir nehmen oBdA an, daß (Fj)jJ schon maximal ist. Für jedes x V und j J betrachten wir nun die Menge Fj,x = {f(x) : f Fj}Σx. Da Σx nach dem Satz von Heine–Borel kompakt ist und die Familie (Fj,x)jJ die endliche Durchschnittseigenschaft besitzt, ist jJFj,x. Wir wählen rx jJFj,x und bezeichnen mit f~ : xrx die entstehende Auswahlfunktion.

Wir zeigen f~ jJFj. Für jedes x V und jede Umgebung U von f~(x) gilt Fj,xU. Damit folgt aber U(x) F j. Da (Fj)jJ maximal ist, enthält es insbesondere den Abschluß von U(x) in Σ und ebenso den Abschluß endlicher Schnitte U(x1) U(x2) U(xk). Auch diese schneiden jedes der Fj nichttrivial. Damit folgt aber, dass jede f~ enthaltende offene Menge nichtleeren Schnitt mit allen Fj besitzt und somit insbesondere f~ jJFj.

Schritt 2. Wir betrachten die Einbettung V 𝕂V , V versehen mit der schwach-* Topologie. Diese ist nach Konstruktion der Produkttopologie homöomorph und das Bild der Einheitskugel B von V ist in 𝕂V als Schnitt der offenbar abgeschlossenen Mengen

B = λ𝕂,x,yV {f 𝕂V : f(x + λy) = f(x) + λf(y) |f(x)|x}
(2.1)

abgeschlossen. Weiter sind alle Schnitte Bx 𝕂 beschränkt und damit B 𝕂V kompakt. Also ist B V schwach-* überdeckungskompakt. □

Für reflexive Räume ergibt sich die schwache Kompaktheit der Einheitskugel. Es gilt sogar die Umkehrung, aus der schwachen (Folgen-) Kompaktheit der Einheitskugel folgt die Reflexivität des Raumes. Dazu zeigen wir zuerst

2.7.3 Lemma (Goldstine14 ). Die Einheitskugel B V ist schwach-* dicht in der Einheitskugel B V .

Beweis. Sei dazu u B. Dann existiert zu jedem 𝜀 > 0 und beliebigen ϕ1,,ϕn V mit ϕk = 1 nach Lemma 2.3.7 ein x V , x 1 + 𝜀, mit

u,ϕk = ϕk,x,k = 1,,n.
(2.2)

Insbesondere gilt mit x𝜀 = (1 + 𝜀)1x

|u,ϕkϕk,x𝜀||ϕk,x x𝜀| (1 + 𝜀)(1 (1 + 𝜀)1) = 𝜀.
(2.3)

Nun bilden Mengen der Form {v V ||v u,ϕk| < 𝜀} für beliebiges 𝜀 > 0 und endliche beliebige Familien ϕk aber gerade eine Umgebungsbasis von u in V und die Dichtheit ist gezeigt. □

2.7.4 Korollar. Sei V normierter Raum. Dann sind äquivalent

  1. V ist reflexiv.

  2. Die abgeschlossene Einheitskugel in V ist schwach kompakt.

Beweis. (1) (2) entsprich dem Satz von Alaoglu. (2) (1) Dies ist eine direkte Folgerung aus dem Lemma von Goldstine. Ist die Einheitskugel B von V schwach kompakt, so ist ihr Bild unter der kanonischen Einbettung V V schwach-* kompakt und somit abgeschlossen. Also folgt B = B und damit V = V . □

2.7.5 Satz (Eberlein15 –Šmulian16 ). Sei V normierter Raum und A V schwach abgeschlossen. Dann sind äquivalent

  1. Die A ist schwach kompakt.

  2. Die A ist schwach folgenkompakt.

Zum Beweis. Wir verweisen auf die Literatur, z.B. Dunford–Schwartz Kapitel V.6. □

2.7.6 Korollar. Sei V normierter Raum. Dann sind äquivalent

  1. V ist reflexiv.

  2. Die abgeschlossene Einheitskugel in V ist schwach kompakt.

  3. Die abgeschlossene Einheitskugel von V ist schwach folgenkompakt.

Es sei an dieser Stelle an ein Resultat aus dem ersten Kapitel erinnert: Ein Banachraum ist genau dann endlichdimensional, wenn seine Einheitskugel normkompakt ist. Obiger Satz erlaubt es, in reflexiven Räumen endlichdimensionale Methoden anzuwenden. Insbesondere ersetzt er die im Endlichdimensionalen unverzichtbaren Sätze von Heine–Borel und Bolzano–Weierstraß.

3  Operatorgleichungen mit kompakten Operatoren

Lineare Gleichungssysteme, abstrahiert.

3.1  Kompakte Operatoren

Definition

3.1.1 Definition. Seien V 1 und V 2 zwei normierte Räume. Ein Operator A L(V 1,V 2) wird als kompakt bezeichnet, falls er die Einheitskugel B1 = {x V 1|x <} V 1 auf eine relativ kompakte1 Teilmenge des V 2 abbildet. Die Menge aller kompakten Operatoren aus L(V 1,V 2) wird mit K(V 1,V 2) bezeichnet.

3.1.2 Proposition.

  1. Kompakte Operatoren bilden beschränkte Teilmengen von V 1 auf relativ kompakte Teilmengen aus V 2 ab.

  2. Sind A,B K(V 1,V 2) und α 𝕂, so folgt

    A + B K(V 1,V 2),αA K(V 1,V 2).
    (3.1)
  3. Ist A K(V 1,V 2), B L(V 2,V 3) und C K(V 3,V 4). Dann folgt BA K(V 1,V 3) und CB K(V 2,V 4).

Aus Punkt (3) ergibt sich unmittelbar, daß im Allgemeinen Operatoren nicht gleichzeitig invertierbar und kompakt sein können.

3.1.3 Korollar. Sei A K(V 1,V 2) kompakt. Ist A stetig (links)invertierbar, so ist V 1 endlichdimensional.

Beweis. Wäre A stetig invertierbar, so würde I = A1A K(V 1) gelten. Die identische Abbildung kann aber nach Satz 1.3.9 nur in endlichdimensionalen Räumen kompakt sein. □

3.1.4 Satz. Sei V 2 Banachraum. Dann ist K(V 1,V 2) ein abgeschlossener Teilraum des Banachraumes L(V 1,V 2).

Beweis. Sei Ak eine Folge kompakter Operatoren, die in L(V 1,V 2) gegen A konvergiert. Sei weiter (x) eine beschränkte Folge aus V 1. Nun ist (A1x) relativ kompakt, besitzt also eine konvergente Teilfolge (A1x1,j). Die Folge (A2x1,j) besitzt eine konvergente Teilfolge (A2x2,j). Dies kann man fortführen bis man unendlich viele Teilfolgen (Akxk,j) konstruiert hat. Die Diagonalfolge (xj,j) besitzt nun auf Grund des Auswahlverfahrens die Eigenschaft, daß alle Folgen (Akxj,j) konvergent sind.

Bezeichne C = sup x1. Dann gibt zu 𝜀 > 0 ein n, so daß 4CAn A < 𝜀. Zu diesem n bestimmen wir N0, so daß für j,k > N0 stets An(xj,j xk,k)2 < 𝜀2 gilt. Dann folgt

A(xj,j xk,k)2 An(xj,j xk,k)2 + (A An)(xj,j xk,k)2 < 𝜀 2 + 𝜀 4C2C = 𝜀

die Folge (Axj,j) ist in V 2 konvergent. □

Einige Bemerkungen zu Operatoren in einem Raum. Sei V Banachraum. Dann bezeichnet man K(V,V ) kurz als K(V ) und man sieht aus Propostion 3.1.2, daß es sich bei K(V ) um ein abgeschlossenes Ideal der Banachalgebra L(V ) handelt.

Kompakte Operatoren sind von der schwachen Topologie zur Normtopologie folgenstetig, man sagt auch sie seien vollstetig:

3.1.5 Satz. Sei A K(V 1,V 2) kompakt. Konvergiert dann xn x schwach in V 1, so konvergiert die Folge der Bilder Axn Ax in der Norm von V 2.

Beweis. Die Folge (xn) ist nach Satz 2.4.5 beschränkt, die Bildfolge (Axn) also relativ kompakt. Sei y ein Häufungspunkt2 von (Axn). Dann existiert eine Teilfolge Axn,1 die in der Norm gegen y konvergiert, also auch schwach Axn,1 y.

Wegen Proposition 2.4.6 folgt aber auch Axn Ax. Da Grenzwerte eindeutig bestimmt sind, folgt somit y = Ax und (Axn) besitzt nur einen Häufungspunkt. Da jede Teilfolge eine konvergente Teilfolge besitzt, gilt insbesondere Axn Ax. □

Kompaktheitskriterien in C und Lp

Für Beispiele benötigen wir Kompaktheitskriterien in verschiedenen Räumen. Bekannt sein sollte aus der Grundvorlesung der Satz von Arzela3 –Ascoli4 . Wir wollen ihn in einer etwas allgemeineren Fassung angeben.

3.1.6 Satz (Arzela–Ascoli). Sei X kompakter metrischer Raum und Y Banachraum. Sei weiter C(X; Y ) der Raum der stetigen Funktionen auf X mit Werten in Y versehen mit der Supremumsnorm

f = sup xXf(x)Y .
(3.2)

Dann ist eine Teilmenge F C(X; Y ) relativ kompakt genau dann, wenn sie

  1. gleichmäßig beschränkt ist, d.h.

    sup fF f < ,
    (3.3)
  2. gleichgradig gleichmäßig stetig ist, d.h.

    𝜀 > 0 : δ > 0 : f F,x X : dX(x,x) δ f(x) f(x) Y 𝜀
    (3.4)
  3. und für jedes x X die Menge {f(x)|f F}relativ kompakt in Y ist.

Beweis. Wir beweisen nur das Kompaktheitskriterium (den Satz von Arzela), die Rückrichtung (nach Ascoli) verbleibt als Übungsaufgabe.

Sei fk F eine beliebige Folge aus F. Zu zeigen ist, daß diese eine in C(X; Y ) konvergente Teilfolge enthält.

Da X kompakt ist, existiert zu jedem 𝜀 > 0 eine endliches 𝜀-Netz für X. Damit existiert insbesondere eine in X dichte Folge xn (als Vereinigung der 𝜀-Netze mit 𝜀 = 1m). Nach Voraussetzung ist die Folge fk(x1) in Y relativ kompakt. Damit existiert eine Teilfolge fk,1 von fk, so daß fk,1(x1) in Y konvergiert. Wir wählen nun rekursiv Teilfolgen fk, aus fk,1, so daß fk,(x) in Y konvergiert. Für die Diagonalfolge fk,k konvergiert somit fk,k(xn) für jedes n.

Damit ist fk,k aber Cauchyfolge in C(X; Y ). Da die fk gleichgradig stetig sind, existiert zu jedem 𝜀 > 0 ein δ mit (3.4). Wir fixieren 𝜀 und wählen ein endliches δ-Netz xn1,,xnm aus der Folge (xn). Zu gegebenem x X existiert damit ein n {n1,,nm}, so daß d(x,xn) < δ gilt. Also folgt

fk,k(x) f,(x) fk,k(x) fk,k(xn) + fk,k(xn) f,(xn) + f,(xn) f,(x) 2𝜀 + max j=1, ,mfk,k(xnj) f,(xnj) 0 (3.5)

für k, . Nach Konstruktion ist dies gleichmäßig in x X und der Satz ist gezeigt. □

3.1.7 Beispiel. Seien X,Y Abschluß beschränkter Gebiete und k C(X × Y ). Dann ist der assoziierte Integraloperator

K : C(X) f(x)Kf(y) =Xk(x,y)f(x)dx C(Y )
(3.6)

kompakt. Nach Korollar 3.1.3 kann also die Integralgleichung erster Art

Xk(x,y)f(x)dx = g(y)für gegebenes g C(Y )
(3.7)

in C(X) nicht stetig nach f aufgelöst werden. Nach dem Satz von Banach über den inversen Operator (Korollar 1.4.6) kann damit auch nicht zu jedem g C(Y ) eine eindeutig bestimmte Lösung f C(X) existieren.

Beweis. Das ist eine Anwendung des Satzes von Arzela–Ascoli im Raum C(Y ) = C(Y ; 𝕂), sei dazu f B1 = {f C(X)f 1}. Dann ist

|Kf(y)|fX|k(x,y)|dx k|X|
(3.8)

gleichmäßig beschränkt in f B1 und da k auf X × Y gleichmäßig stetig ist finden wir insbesondere zu 𝜀 > 0 ein δ > 0 mit |k(x,y) k(x,y)| 𝜀 für alle |y y| δ und damit auch

|Kf(y) Kf(y)|fX|k(x,y) k(x,y)|dx 𝜀|X|
(3.9)

gleichmäßig in |y y| δ. Also folgt gleichgradige Stetigkeit und damit mit Arzela–Ascoli die Behauptung. □

3.1.8 Beispiel. Sei X Abschluß eines beschränkten Gebietes im n, k C((X × X) ΔX) mit ΔX = {(x,x)|x X} und gelte

|k(x,y)| C|x y|α
(3.10)

für ein α < n. Dann heißt die Kernfunktion k(x,y) schwach singulär und der Operator

K : C(X) f(x)Kf(y) =Xk(x,y)f(x)dx C(X)
(3.11)

(definiert im Sinne eines uneigentlichen Riemannintegrals) ist kompakt.

Beweis. Dies folgt aus dem vorigen Beispiel. Das Integral existiert als uneigentliches Riemannintegral, da

X|x y|αdy |𝕊n1|0diam(X)rn1αdr < .
(3.12)

Um zu zeigen, daß der Operator kompakt ist, stellen wir den Operator als Normgrenzwert kompakter Operatoren dar. Dazu sei h stückweise stetig mit h(t) = 0 für t 12, h(t) = 1 für t 1 und h(t) = 2t 1 für 12 < t 1. Sei weiter

km(x,y) = h(m|x y|)k(x,y).
(3.13)

Dann ist der zugeordnete Operator Km nach Beispiel 3.1.7 kompakt. Weiter konvergiert Kmf Kf in C(X) und Km K in L(C(X)), da

|Kf(y) Kmf(y)| = |X (k(x,y) km(x,y) )f(x)dx| fx:|xy|<1m|K(x,y)|dy Cf|𝕊n1|01mrn1αdr 0,m ,
(3.14)
gleichmäßig in y X. □

Als weitere wichtige Klasse von Räumen sind uns die Lp-Räume begegnet. Ein Kompaktheitskriterium in diesen Räumen läßt sich mit dem Satz von Arzela–Ascoli beweisen.

3.1.9 Satz (Fréchet–Kolmogorov5 ). Eine Teilmenge F Lp(n), p [1,), ist relativ kompakt genau dann, wenn sie

  1. gleichmäßig normbeschränkt ist, d.h.

    sup fF fp < ,
    (3.15)
  2. gleichgradig p-stetig und p-integrierbar ist, d.h.

    lim h0 sup fF n|f(x + h) f(x)|pdx = 0
    (3.16)

    und

    lim R sup fF |x|>R|f(x)|pdx = 0
    (3.17)

gilt.

Beweisskizze. Wir beweisen wiederum nur das Kriterium und überlassen die Notwendigkeit der Bedingungen als Übungsaufgabe.

Für y n sei Tyf(x) = f(x y) die Translation um y. Wegen Bedingung (3.16) gilt lim y0Tyf = f gleichmäßig in f F. Bezeichne nun Ba = {y n||y| < a} die Kugel vom Radius a und

Maf(x) = 1 |Ba|BaTyf(x)dy
(3.18)

den entsprechenden Mittelwert über die Translate. Dann gilt mit Hölder und Fubini–Tonelli

Maf fp 1 |Ba| (n (Ba|f(x y) f(x)|dy)pdx)1p 1 |Ba| (nBa|f(x y) f(x)|pdy|B a|pp dx)1p ( 1 |Ba|Ban|f(x y) f(x)|pdxdy)1p sup |y|aTyf fp
(3.19)
für p den dualen Index zu p. Also folgt lim a0Maf = f gleichmäßig in f F. Damit genügt es, die relative Kompaktheit der Menge {Maf|f F} für ein kleines, aber festes a > 0 zu zeigen. Dazu nutzen wir den Satz von Arzela–Ascoli: die Menge der Funktionen ist gleichmäßig beschränkt und gleichgradig stetig,

|Maf(x1) Maf(x2)| 1 |Ba|Ba|f(x1 y) f(x2 y)|dy ( 1 |Ba|Ba|f(x1 y) f(x2 y)|pdy)1p 0
(3.20)
für |x1 x2| 0 gleichmäßig in f F. Also kann man in C(BR) den Satz von Arzela–Ascoli anwenden. Wir finden also für jedes a > 0 und jedes 𝜀 > 0 eine endliche Familie Maf1,,Mafm, so daß für jedes f F ein j mit

sup |x|R|Maf(x) Mafj(x)| < 𝜀
(3.21)

existiert. Damit gilt aber

Maf Mafjp (BR|Maf(x) Mafj(x)|pdx)1p + (|x|>R|Maf(x) Mafj(x)|pdx)1p.
(3.22)
Der erste Summand ist kleiner als 𝜀|BR|1p. Der zweite kann durch

Maf fp + (|x|>R|f(x) fj(x)|pdx)1p + f j Mafjp
(3.23)

abgeschätzt werden. Der erste und dritte Term gehen gleichmäßig in f F mit a gegen Null. Der zweite ist mit (3.17) abschätzbar und geht gleichmäßig in f F mit R gegen Null.

Sei nun 𝜀~ > 0. Sei weiter a > 0 so klein gewählt, daß

sup fF Maf fp < 𝜀~ 5
(3.24)

gilt und R so groß, daß

sup fF (|x|>R|f(x)|pdx)1p < 𝜀~ 10.
(3.25)

Weiterhin sei 𝜀 = 𝜀~|BR|1p und fj wie oben konstruiert. Damit ist {Mafj : j = 1,,m} ein endliches 4𝜀~5 von {Maf : f F} und damit ein endliches 𝜀~-Netz für F. Also F ist relativ kompakt. □

Banachräume mit Basis

Als dritte Klasse wollen wir Banachräume mit Basis betrachten.

3.1.10 Definition. Sei V ein unendlichdimensionaler Banachraum und (xk) eine Folge von Elementen aus V . Die Folge (xk) heißt Schauderbasis6 von V , falls zu jedem x V eine eindeutig bestimmte Folge von Skalaren αk 𝕂 existiert, so daß

x = k=1α kxk
(3.26)

gilt. Die Schauderbasis heißt normalisiert, falls xk = 1 für alle k gilt.

3.1.11 Beispiel. Für die Räume 𝔠0 und p mit p [1,) ist durch die Basisfolgen ek = (0,, 0, 1, 0,) (mit der 1 an k-ter Stelle) eine normalisierte Schauderbasis gegeben. Diese ist keine Schauderbasis für . (Warum?)

Sei im folgenden also V ein Banachraum mit normalisierter Schauderbasis (xk). Dann kann man jedem x V bijektiv eine Koeffizientenfolge (αk) zuordnen. Die Menge der Koeffizientenfolgen bildet offensichtlich einen Vektorraum, nennen wir ihn 𝔖. Auf diesem definieren wir durch

|||(αk)||| = sup m k=1mα kxk = sup mPmx
(3.27)

eine Norm. Analog zur Vollständigkeit von 𝔠 zeigt man die Vollständigkeit von 𝔖. Weiter impliziert die Definition der Norm die Abschätzung x|||(αk)|||, also ist die Koeffizientenabbildung nach dem Satz über den inversen Operator stetig invertierbar und die Räume V und 𝔖 sind isomorph. Es gibt also eine Konstante C, so daß

x|||(αk)||| Cx
(3.28)

Als Nebeneffekt haben wir gezeigt, daß sämtliche der Projektionen Pm beschränkte Operatoren sind und sup mPm C < gilt.

Für Banachräume mit Basis gilt das folgende Kompaktheitskriterium. Man fordert, daß die Koordinaten αk gleichmäßig gegen Null streben.

3.1.12 Satz. Sei V Banachraum mit normalisierter Schauderbasis (xk) und zugeordneten Projektoren Pm. Eine Teilmenge F V ist relativ kompakt genau dann, wenn F beschränkt ist und

sup yF y Pmy 0,m
(3.29)

gilt.

Beweis. [ ] Sei 𝜀 > 0. Dann wählen wir m so groß, daß

sup yF y Pmy < 𝜀 3
(3.30)

gilt. Weiter ist {Pmy : y F} PmV = span {x1, ,xm} 𝕂m als beschränkte Teilmenge (Pmy Cy) eines endlichdimensionalen Teilraumes nach dem Satz von Heine–Borel relativ kompakt. Also existiert ein endliches 𝜀3-Netz Pmy1, …, Pmyn für diese Menge, d.h., für jedes y F gibt es ein j {1, 2,,n} mit

Pmy Pmyj < 𝜀 3.
(3.31)

Damit folgt aber

y yjy Pmy + Pmy Pmyj + Pmyj yj < 𝜀
(3.32)

und {y1,,yn} bildet ein endliches 𝜀-Netz für F. Also ist F relativ kompakt. [ ] Sei nun F relativ kompakt. Dann existiert zu jedem 𝜀 > 0 ein endliches 𝜀(3C)-Netz y1,,yn von F. Damit existiert zu jedem y F ein j {1,,n} mit y yj < 𝜀(3C). Nach Definition der Schauderbasis streben die Reihenreste yj Pmyj für m gegen Null. Also existiert ein von y unabhängiges N(𝜀), so daß für alle m > N(𝜀)

yj Pmyj < 𝜀 3
(3.33)

und damit

y Pmyy yj + yj Pmyj + Pm(yj y) 𝜀
(3.34)

für alle m > N(𝜀) gilt. □

3.1.13 Beispiel. Der Raum C[a,b] besitzt eine Schauderbasis. Das klassische Beispiel einer solchen Basis für den C[0, 1] geht auf Schauder zurück und besteht aus linearen Splines.

Sei dazu

ψ0(x) = x
(3.35)

und für k = 1, 2, sowie = 1, 2,, 2k1

ψk,(x) = { x (2 2)2k,(2 2)2k x < (2 1)2k, 22k x, (2 1)2k x < 22k, 0, sonst.
(3.36)

Dann ist die Folge

1,ψ0,ψ1,1,ψ2,1,ψ2,2,ψ3,1,ψ3,2,ψ3,3,ψ3,4,

eine Schauderbasis für C[0, 1].

3.1.14 Beispiele. Die Räume Lp[a,b], p [1,) besitzen eine Schauderbasis. Beispiele dazu sind die sogenannten Waveletbasen, etwa die Haar-Basis bestehend aus den Funktionen

ϕ0(x) = 1
(3.37)

und

ϕk,(x) = { 1, (2 2)2k x < (2 1)2k, 1,(2 1)2k x < 22k, 0, sonst.
(3.38)

für k = 1, 2, und = 1, 2,, 2k1. In lexikographischer Reihenfolge

ϕ0,ϕ1,1,ϕ2,1,ϕ2,2,ϕ3,1,ϕ3,2,ϕ3,3,ϕ3,4,
(3.39)

ergeben sie eine Schauderbasis des Lp[0, 1] für 1 p < . Die trigonometrischen Funktionen {1,eix,eix,e2ix,e2ix,} bilden eine Schauderbasis für Lp[0, 2π] für 1 < p < , aber nicht für L1[0, 2π].

3.1.15 Beispiel. Jeder separable Hilbertraum besitzt eine Orthonormalbasis, also damit auch eine Schauderbasis.

Schauderbasen haben im allgemeinen einen Nachteil; die Basiseigenschaft und das Konvergenzverhalten hängt von der Reihenfolge ab. Eine Schauderbasis heiß unbedingt, falls für jedes x V die (eindeutig bestimmte) Darstellung als Reihe x = kαkxk unbedingt konvergiert. Die oben erwähnte Haar-Basis ist unbedingt in Lp[a,b] für 1 < p < , während in L1[a,b] keine unbedingte Schauderbasis existiert. Die trigonometrischen Funktionen sind nur für p = 2 unbedingt.

Stärker ist der Begriff einer Rieszbasis. Eine Schauderbasis heißt p-Rieszbasis, falls der oben definierte Folgenraum 𝔖 isomorph zu p ist. Für eine p-Rieszbasis (xk) eines Banachraumes V existiert also eine Konstante C > 0, so daß für jedes x V und seine zugeordnete Koeffizientenfolge (αk)

1 Cxp k=1|α k|p Cxp
(3.40)

gilt. Rieszbasen sind immer unbedingt. Beispiele von p-Rieszbasen sind die oben erwähnten Waveletbasen auf Lp[a,b], 1 < p < .

3.2  Endlichdimensionale Operatoren und die Approximationseigenschaft

Wir wollen einen Operator A L(V 1,V 2) als endlichdimensional bezeichnen, wenn sein Bild A(V 1) ein endlichdimensionaler Teilraum von V 2 ist. Offenbar ist jeder endlichdimensionale Operator kompakt (da in endlichdimensionalen Räumen der Satz von Heine–Borel gilt).

3.2.1 Satz (Grothendieck7 ). Sei V Banachraum. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:

  1. Für jeden Banachraum W ist die Menge der endlichdimensionalen Operatoren dicht in K(W,V )

  2. Für jede relativ kompakte Teilmenge K V und jede Zahl 𝜀 > 0 existiert ein endlichdimensionaler Operator TK,𝜀 K(V ) mit

    sup xKTK,𝜀x x 𝜀.
    (3.1)

Gelten diese Aussagen, so sagt man, V besitzt die Approximationseigenschaft.

Beweisskizze. Wir zeigen nur die Richtung (2) (1), für den Schritt (1) (2) verweisen wir auf die Literatur, z.B. das Buch von Lindenstrauss–Tzafriri.

Sei A K(W,V ) ein kompakter Operator. Dann ist das Bild der Einheitskugel K = A(B1) aus W relativ kompakt in V . Für 𝜀 > 0 sei P𝜀 := TK,𝜀 L(V ) der nach Voraussetzung existierende endlichdimensionale Operator. Dann erfüllt A𝜀 = P𝜀A nach Konstruktion

A A𝜀 = sup xB1Ax P𝜀Ax sup yKy P𝜀y 𝜀
(3.2)

und ist offensichtlich auch endlichdimensional. □

3.2.2 Beispiel. Alle Hilberträume besitzen die Approximationseigenschaft.

Beweis. Wir zeigen die zweite der Eigenschaften und konstruieren den Operator TK,𝜀. Sei dazu {x1,,xn} ein endliches 𝜀-Netz von K und U𝜀 = span {x1, ,xn}. Zu jedem x K kann man nun eine Bestapproximation aus U𝜀 an x wählen. Nach dem Projektionssatz ist diese durch PU𝜀x gegeben und mindestens so gut, wie das am nächsten liegende xj. Nach Konstruktion gilt also PU𝜀x x 𝜀. □

3.2.3 Beispiel. Sei V Banachraum mit Schauderbasis. Dann besitzt V die Approximationseigenschaft.

Beweis. Folgt direkt aus dem Kompaktheitskriterium für Banachräume mit Basis, der gesuchte Operator ist durch den durch die Basis bestimmten Projektor Pn für hinreichend großes n gegeben. □

3.2.4 Beispiele. Die Räume 𝔠0, 𝔠 und p, p [1,), besitzen die Approximationseigenschaft. Ebenso besitzt Lp[a,b], p [1,), und damit auch Lp(n), p [1,), die Approximationseigenschaft.

Es gilt ebenso eine duale Aussage zu Satz 3.2.1. Ein Beweis findet sich ebenso im Buch von Lindenstrauss–Tzafriri.

3.2.5 Satz (Grothendieck). Sei V Banachraum. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:

  1. Für jeden Banachraum W ist die Menge der endlichdimensionalen Operatoren dicht in K(V,W)

  2. V besitzt die Approximationseigenschaft.

3.3  Riesz-Theorie kompakter Operatoren

Sei K K(V ) kompakter Operator. Gegenstand dieses Abschnittes soll es sein, eine Lösungstheorie für Gleichungen der Form

Lx = (I K)x = y,y V,
(3.1)

in einem Banachraum zu entwickeln. Behandelt werden sollen dabei die Fragen nach der Existenz von Lösungen, deren Anzahl/Dimension, und deren Eindeutigkeit.

Als Beispiel kann man Integralgleichungen zweiter Art,

f(y) Xk(x,y)f(x)dx = g(y)
(3.2)

zu vorgegebenem stetigen (oder schwach singulären) Kern k C(X × X) und rechter Seite g C(X), im Hinterkopf behalten.

Ein erster Schritt besteht in der Lösung des homogenen Problems. Die Kompaktheit von K impliziert sofort

3.3.1 Satz (Riesz). Der Nullraum ker (L) ist endlichdimensional.

Beweis. Eingeschränkt auf den Nullraum stimmt K mit der Identität überein. Die identische Abbildung ist aber nur in endlichdimensionalen Räumen kompakt. □

3.3.2 Satz (Riesz). ran (L) ist abgeschlossen in V .

Beweis. Sei y ran ¯(L) ein Element des Abschlusses von ran (L). Dann existiert eine Folge xn V mit Lxn y. Da ker (L) endlichdimensional ist, existiert zu jedem xn eine Bestapproximation ξn ker (L), xn ξn = inf ξker (L)xn ξ.

Schritt 1: Die Folge xn ξn ist beschränkt. Wäre sie es nicht, gäbe es eine Teilfolge xnk ξnk mit xnk ξnk k. Normiert man

x~k = xnk ξnk xnk ξnk,
(3.3)

so existiert wegen der Kompaktheit von K eine Teilfolge x~kj mit Kx~kj y~ für j . Weiter ist

Lx~k = Lxnkxnk ξnkLxnkk 0,
(3.4)

da Lxn konvergent ist. Insbesondere ist also

x~kj = Lx~kj + Kx~kj y~,
(3.5)

also Ly~ = 0, y~ ker (L). Das impliziert aber

x~kjy~ = 1 xnk j ξnkjxnk jξnkj xnkj ξnkjy~ker (L) 1 xnk ξnkxnkξnk = 1
(3.6)

im Widerspruch zur Konvergenz. Also ist xn ξn beschränkt.

Schritt 2: Wegen der Kompaktheit von K besitzt K(xn ξn) eine konvergente Teilfolge. Dies impliziert aber die Existenz einer konvergenten Teilfolge von xn ξn, da

K(xnk ξnk) = (xnk ξnk) L(xnk ξnk) y x y.
(3.7)

Also existiert x V mit xnk ξnk x und Lx = y. □

Da Potenzen von L die Form

Ln = (I K)n = I k=1n(1)k1n kKk
(3.8)

haben, gelten die ersten beiden Rieszschen Sätze auch für diese Operatoren. Insbesondere sind die Nullräume ker (Lk) alle endlichdimensional und die Bildräume ran (Lk) alle abgeschlossen. Beide hängen eng zusammen.

3.3.3 Satz (Riesz). Es existiert ein = {0, 1, 2,}, so daß

{0} ker (L) ker (L2) ker (L) = ker (L+1) = (3.9a) V ran (L) ran (L2) ran (L) = ran (L+1) = (3.9b)

Weiter gilt mit dieser Zahl

V = ker (L) ran (L).
(3.10)

Man sagt, der Operator L ist kettenendlich mit Kettenlänge (oder auch Riesz-Zahl) .

3.3.4 Beispiel. Bevor wir zum Beweis dieses Satzes kommen, ein Beispiel. Sei K n×n eine komplexe n × n-Matrix und sei 1 Eigenwert von K. Dann entspricht die Kettenlänge des Operators L = I K der Dimension des größten Jordanblocks zum Eigenwert 1. Zum Beweis betrachte man die Darstellung von L in Jordan-Normalform.

Beweis zu Satz 3.3.3. Wir zerlegen den Beweis in Teilschritte.

Schritt 1: Wir zeigen die Inklusionskette (3.9a). Die Inklusionen ker (Ln) ker (Ln+1) sind klar. Angenommen alle diese Inklusionen sind echt. Dann existiert nach dem Rieszschen Lemma von der Fastsenkrechten (Lemma 1.3.8) zu jedem n ein xn ker (Ln+1) mit xn = 1 und dist(xn, ker (Ln)) 1 2. Wir untersuchen die Folge (xn). Wegen

Ln(x m + Lxn Lxm) = (Lnm1 Lnm)Lm+1x m + Ln+1x n = 0
(3.11)

für n > m ist Kxn Kxm = xn (xm + Lxn Lxm)1 2. Damit kann (Kxn) aber keine konvergente Teilfolge enthalten, im Widerspruch zur Kompaktheit von K und der Beschränktheit von (xn).

Schritt 2: Angenommen ker (Lk) = ker (Lk+1). Dann folgt

ker (Lk+2) = {xLx ker (Lk+1) = ker (Lk)} = ker (Lk+1)
(3.12)

und nach der ersten Gleichheit bleibt die Inklusionskette konstant. Sei die kleinste Zahl mit ker (L) = ker (L+1).

Schritt 3: Inklusionskette (3.9b). Die Inklusion ran (Ln) ran (Ln+1) ist trivial. Angenommen, alle Inklusionen sind echt. Dann kann man wieder mit dem Rieszschen Lemma 1.3.8 eine Folge yn ran (Ln), yn = 1 mit dist (yn, ran (Ln+1)) 1 2 konstruieren. Setzt man nun yn = Lnx n, so folgt ganz analog für m > n daß Kyn Kym = yn (ym + Lyn Lym) mit

ym + Lyn Lym = Ln+1(Lmn1x m + xn Lmnx m) ran (Ln+1)
(3.13)

und damit Kyn Kym1 2. Aber das widerspricht der Kompaktheit von K. Also ist auch diese Inklusionskette endlich und es gibt ein k mit ran (Lk) = ran (Lk+1).

Schritt 4: Aus ran (Lk) = ran (Lk+1) folgt wiederum

ran (Lk+2) = L ran (Lk+1) = L ran (Lk) = ran (Lk+1).
(3.14)

Sei ~ die kleinste Zahl mit ran (L~) = ran (L~+1). Damit ist mit einem neuen ~ die zweite Inklusionskette gezeigt.

Schritt 5: Wir zeigen = ~. Wir zeigen dies indirekt und nehmen zuerst an, dass > ~. Sei x ker (L) ker (L1). Wegen ran (L1) = ran (L) existiert damit ein x~ V mit 0L1x = Lx~. Andererseits ist L+1x~ = Lx = 0. Da ker (L+1) = ker (L), folgt damit aber Lx~ = 0. Widerspruch!

Also gilt ~. Angenommen, es gilt sogar < ~. Sei nun y ran (L~1). Dann gibt es ein x mit Ly = L~x = L~+1x~, also 0 = L(y L~x~) = L~(x Lx~). Da ker (L~) = ker (L~1), folgt L~1(x Lx~) = 0 also y = L~x~ und damit ran (L~1) = ran (L~) im Widerspruch zur Definition von ~.

Also muß = ~ gelten.

Schritt 6: Wir zeigen die direkte Summe. Sei y ker (L) ran (L). Dann existiert x V mit y = Lx und damit L2x = 0. Da aber ker (L2) = ker (L) gilt, muß damit x ker (L) sein, also y = 0 gelten.

Sei nun x V beliebig. Dann folgt mit y = Lx ran (L) die Existenz eines x~ mit Lx = L2x~ und damit L(x Lx~) = 0. Also folgt x Lx~ ker (L) und x = Lx~ + (x Lx~) ist die gesuchte Zerlegung von x. □

Nun können wir die soeben konstruierte Lösungstheorie in einem Satz zusammenfassen. Wir unterscheiden die Fälle = 0 und > 0.

3.3.5 Satz (Riesz). Sei V Banachraum8 und K K(V ).

  1. Ist I K injektiv, so ist I K invertierbar.

  2. Ist L = I K nicht injektiv, so ist der Projektionsoperator P : V ker (I K), der durch die Zerlegung V = ker (L) ran (L) bestimmt wird, kompakt und L P = I K P invertierbar.

Beweis.  (1) Ist I K injektiv, so folgt = 0 und damit ran (I K) = V . Nach dem Satz über den inversen Operator existiert (I K)1 L(V ). (2) Auf ker (L) definiert

x = inf yran (L)x + y
(3.15)

eine Norm. Da ker (L) endlichdimensional ist, ist diese auf ker (L) zu äquivalent. Es gibt also ein C mit x Cx und damit für z V

Pz C inf yran (L)Pz + y Cz,z Pz ran (L).
(3.16)

Damit ist P beschränkt und endlichdimensional, also kompakt. Also kann man auf L P = I K P die Rieszschen Sätze anwenden. Da aus x ker (L P),

Lx Px = 0,
(3.17)

und damit L+1x = 0 folgt, gilt x ker (L) = ker (L+1) und damit Px = x, also Lx = x. Damit folgt aber per Induktion Lx = x, also x = 0. Durch Anwenden von Teil 1 ist der Satz bewiesen. □

3.3.6 Beispiel. Wendet man die Aussagen konkret auf Integralgleichungen zweiter Art

Lf(x) = f(x) Xk(x,y)f(y)dy = g(x)
(3.18)

im Raum C(X) an, so hat man also zuerst die homogene Gleichung (g(x) 0) zu untersuchen. Besitzt diese nur die triviale Lösung in C(X), so existiert zu jedem g C(X) genau eine Lösung f C(X) und der Operator gf ist beschränkt.

Hat das homogene Problem nichttriviale Lösungen, so muß die rechte Seite g Bedingungen erfüllen, so daß das Problem lösbar ist. Diese sind durch den Projektor P darstellbar.

Nimmt man nun eine Lösung f, so kann man diese in einen Anteil f1 aus ker (L) und einen Anteil f2 aus ran (L) zerlegen. Wegen

(L P)1g = (L P)1Lf = f + (L P)1Pf
(3.19)

erfüllt f1 = Pf das lineare Gleichungssystem (endlicher Dimension)

(I + P(L P)1)f 1 = P(L P)1g
(3.20)

in ker (L). Es gilt g ran (L) genau dann, wenn dieses Gleichungssystem lösbar ist. Sei f1 eine der Lösungen. Da (L P)f = g Pf = g f1 gilt, ist

f = (L P)1(g f 1)
(3.21)

die zugehörige Lösung der Ausgangsgleichung.

3.4  Fredholm-Theorie kompakter Operatoren

Bis jetzt haben wir nur den Operator K und die Gleichung x Kx = y in V betrachtet. Jetzt wollen wir das Ganze mit Dualitätstheorie verbinden. Ist der transponierte Operator K : V V ebenfalls kompakt, so können wir vollkommen analog die Gleichung ϕ Kϕ = ψ in V behandeln und die Sätze der Rieszschen Theorie gelten. Wir wollen nun beide Gleichungen gleichzeitig betrachten.

Vorerst ein erster Satz zum Falle eines Hilbertraumes H. In diesem Falle (und bei korrekter Identifikation der beiden Räume) sprechen wir von adjungierten Operatoren A und A, falls

(Ax,y) = (x,Ay)
(3.1)

gilt. Existenz, Eindeutigkeit und Eigenschaften folgen direkt aus den entsprechenden Aussagen über transponierte Operatoren.

3.4.1 Satz. Seien H1,H2 Hilberträume und sei K K(H1,H2) kompakt. Dann ist der adjungierte Operator K ebenso kompakt.

Beweis. Da K kompakt ist, ist auch KK kompakt. Insbesondere existiert zu jeder Folge (xn) aus H2, xn C, eine Teilfolge (xnk) für die KKx nk konvergiert. Aber dann folgt

K(x nk xnl)2 = (KK(x nk xnl), (xnk xnl)) 2CKK(x nk xnl) 0.
(3.2)

Damit haben wir eine konvergente Teilfolge konstruiert und K ist kompakt. □

Zentral für die nachfolgende Theorie ist folgende Verallgemeinerung.

3.4.2 Satz (Schauder). Seien V 1 und V 2 Banachräume. Es gilt K K(V 1,V 2) genau dann, wenn K K(V 2,V 1).

Beweis. [ ] Wir zeigen, daß K kompakt ist. Sei B1 = {x V 1 : x < 1} und M der Abschluß von K(B1) in V 2. Dann ist M kompakt. Sei weiter B V 2 beschränkt. Dann ist wegen

|ϕ,y1 y2|y1 y2 sup ψBψ
(3.3)

für y1,y2 M und ϕ B die Menge B in C(M) gleichmäßig beschränkt und gleichgradig stetig; nach dem Satz von Arzela–Ascoli also relativ kompakt. Also existiert zu jedem 𝜀 > 0 ein endliches 𝜀-Netz {ϕ1,,ϕn} B. Ist ϕ B beliebig, so finden wir also ein j {1,,n} mit

ϕ ϕjC(M) = sup yM|ϕ ϕj,y| < 𝜀.
(3.4)

Da Kϕ = ϕ K gilt, folgt daraus

Kϕ Kϕ j = sup xB1|ϕ ϕj,Kx| sup yM|ϕ ϕj,y| < 𝜀
(3.5)

und da Kϕ K(B) beliebig war, ist {Kϕ 1,,Kϕ n} ein endliches 𝜀-Netz von K(B). Da 𝜀 beliebig war, ist K(B) relativ kompakt und damit K K(V 2,V 1). [ ] Nach dem ersten Teil ist (K) kompakt als Operator von V 1 nach V 2. Da V 1 abgeschlossener Teilraum von V 1 ist und auf diesem K und (K) übereinstimmen, ist K : V 1 V 2 kompakt, also da ran (K) V 2 V 2 auch K K(V 1,V 2). □

Für den folgenden Satz benötigen wir einen Zusammenhang zwischen Unterräumen aus V und Unterräumen aus V . Dazu führen wir den Annihilator

U = {ϕ V |x U : ϕ,x = 0}
(3.6)

eines Unterraumes U von V ein. Durch Dualisieren erhält man den Koannihilator

W = {x V |ϕ W : ϕ,x = 0},
(3.7)

in nichtreflexiven Räumen ist zwischen W und W zu unterscheiden. Dabei gilt (als Folgerung des Satzes von Hahn–Banach)

3.4.3 Proposition. Sei W abgeschlossener Unterraum von V . Dann gilt

(W) = W.
(3.8)

Für einen Teilraum W V eines Dualraumes gilt im Allgemeinen allerdings nur W (W). Der Begriff des Annihilators verallgemeinert das orthogonale Komplement.

3.4.4 Satz (Fredholm9 ). Sei K K(V ) kompakt. Dann gilt

ker (I K) = ran (I K)und ker (I K) = ran (I K).
(3.9)

Beweis. Beide Aussagen ergeben sich direkt durch nachrechnen,

x ker (I K) x = KxϕV ϕ,x Kx = 0 ϕV ϕ Kϕ,x = 0x ran (I K)

liefert die erste Identität und Dualisieren

ϕ ker (I K) ϕ = Kϕ xV ϕ Kϕ,x = 0 xV ϕ,x Kx = 0ϕ ran (I K)

die zweite. □

Da ran (I K) abgeschlossen ist, folgt aus ker (I K) = ran (I K) schon

ran (I K) = ker (I K).
(3.10)

Aus diesem ersten Fredholmschen Satz ergibt sich damit ein wichtiges Lösbarkeitskriterium für die betrachteten Operatorgleichungen, die Fredholmsche Alternative. Entweder ist die adjungierte Gleichung

ϕ Kϕ = 0
(3.11)

in V eindeutig (und damit nur trivial) lösbar. Dann ist für jede rechte Seite y V die Gleichung

x Kx = y
(3.12)

eindeutig lösbar. Oder die adjungierte Gleichung (3.11) besitzt nichttriviale Lösungen. Dann ist (3.12) genau dann lösbar, wenn für jede Lösung ϕ von (3.11)

ϕ,y = 0
(3.13)

gilt. Die Lösung von (3.12) ist nicht eindeutig.

Den ersten Fredholmschen Satz kann man ebenso auf die Potenzen von L = I K anwenden. Es gilt

ker (Lk) = ran ((L)k), ran (Lk) = ker ((L)k)
(3.14)

für alle k. Insbesondere ergibt sich als Folgerung:

3.4.5 Korollar. Die Kettenlänge der Operatoren L und L stimmt überein.

Zwischen ker (L) und ker ((L)) besteht ein tieferer Zusammenhang. Sie sind zueinander dual.

3.4.6 Satz (Fredholm). Sei K K(V ) kompakt und die Kettenlänge von L = I K. Dann gilt

ker ((L)) (ker (L)),
(3.15)

wobei der Isomorphismus durch die Einschränkung |ker (L) gegeben ist.

Beweis. Mit dem ersten Rieszschen Satz folgt die Endlichdimensionalität beider Unterräume.

Wir zeigen zuerst, daß die Einschränkung injektiv ist. Seien dazu ϕ,ψ ker ((L)), ϕψ. Dann existiert ein x V mit ϕ,xψ,x. Dieses x kann man nach dem dritten Rieszschen Satz in seine Komponenten x1 ker (L) und x2 ran (L) zerlegen. Da x2 ran (L) = ker ((L)) gilt, folgt ϕ,x2 = ψ,x2 = 0 und damit ϕ,x1ψ,x1. Damit ist die Einschränkung |ker (L) : ker ((L)) (ker (L)) injektiv.

Die zweite Beweisrichtung folgt durch Dualisieren. Sei x,y ker (L), xy. Dann gibt es ein ϕ V mit ϕ,xϕ,y. Wendet man in V den dritten Rieszschen Satz an und zerlegt ϕ = ϕ1 + ϕ2 in seine Komponenten aus ker ((L)) und ran ((L)), so folgt wieder ϕ2,x = ϕ2,y = 0 und damit ϕ1,xϕ1,y. Also ist ker ((L)) punktetrennend auf ker (L) und damit

dim ker ((L)) dim ker (L)
(3.16)

und obige Einschränkung ist auch surjektiv. □

Eine Folgerung heben wir dabei hervor. Es gilt dim ker (L) = dim ker ((L)). Dasselbe gilt auch für die niedrigeren Potenzen von L, hier ist es allerdings reine lineare Algebra.

3.4.7 Satz (Fredholm). Sei K K(V ) kompakt. Dann gilt

dim ker (I K) = dim ker (I K).
(3.17)

Beweis. Wir nutzen die Dualitätsaussage des letzten Satzes zum Beweis. Sei also wieder die Kettenlänge des Operators L = I K. Dann folgt mit dem dritten Rieszschen Satz L : ran (L) ran (L) und L : ker (L) ker (L), ebenso L : ker ((L)) ker ((L)). Wir schränken unsere Betrachtung auf den (endlichdimensionalen) Raum U = ker (L) und sein kanonisches Dual U = ker ((L)) ein. Dann gilt L : U U und die Bestimmung von ker (L) entspricht der Lösung eines linearen Gleichungssystems. Die zu beweisende Aussage folgt damit direkt aus dem Rangsatz der linearen Algebra,

dim ker (L) = dim U rank L = dim U rank L = dim ker (L).
(3.18)

Bemerkung. Statt mit dem vollen Dualraum kann man die Fredholmtheorie auch mit sogenannten Dualsystemen aufbauen. Ein Paar (V,W) von Banachräumen V und W heißt dabei ein Dualsystem, falls eine separat stetige bilineare Abbildung

, : V × W 𝕂,|x,y| CxV yW
(3.19)

gegeben ist, und diese die Trennungseigenschaften

xV x,y = 0 y = 0 (3.20a) yW x,y = 0 x = 0 (3.20b)

besitzt. Für zwei Dualsysteme (V 1,W2) und (V 2,W2) heißen Operatoren A L(V 1,V 2) und A L(W 2,W1) zueinander konjugiert,, falls für alle x V 1 und y W2

Ax,y = x,Ay
(3.21)

gilt. Falls konjugierte Operatoren existieren, sind sie eindeutig bestimmt. Die obigen Sätze übertragen sich im wesentlichen. Einzige Ausnahme ist, daß der konjugierte Operator eines kompakten Operators nicht mehr automatisch kompakt sein muß, man dies also als Voraussetzung zu den Sätzen hinzuzufügen hat.

Beispiele gibt es viele, als zu V dualen Raum W kann man jeden dicht in V eingebetteten Banachraum verwenden. Standardbeispiel ist das Dualsystem (C(X),C(X)) für den Abschluß X eines beschränkten Gebietes mit der bilinearen Abbildung

f,g =Xf(x)g(x)dx.
(3.22)

In diesem Dualsystem besitzen beide zu untersuchenden Gleichungen dieselbe Struktur.

3.4.8 Beispiel. Wir betrachten die Integralgleichung

ϕ(x) abexyϕ(y)dy = f(x).
(3.23)

Offensichtlich muß jede ihrer Lösungen die Form

ϕ(x) = f(x) + cex
(3.24)

mit einer Konstanten c haben. Eingesetzt in die Gleichung ergibt dies

c(1 (b a)) =abeyf(y)dy.
(3.25)

Entweder ist b a1 oder b a = 1. Im ersten Fall ist c durch diese Gleichung eindeutig bestimmt, die Integralgleichung besitzt die eindeutige Lösung

ϕ(x) = f(x) + abeyf(y)dy 1 (b a) ex.
(3.26)

Im zweiten Fall ist c beliebig, vorausgesetzt

abeyf(y)dy = 0.
(3.27)

Dies entspricht aber gerade dem Lösbarkeitskriterium der Fredholmschen Alternative, da für b a = 1 die homogene adjungierte Gleichung

ψ(x) abeyxψ(y)dy = 0
(3.28)

die Lösung ψ(x) = ex besitzt.

3.4.9 Beispiel. Als zweites Beispiel betrachten wir unendliche lineare Gleichungssysteme in p, p [1,). Zu lösen sei

xk ak,x = yk
(3.29)

zu vorgegebenem (yk) p und Koeffizienten ak,. Diese sind von der Form (I A)x = y mit dem Operator A

(Ax) = ( ak,x) .
(3.30)

Analog zu Beispiel 1.2.6 wissen wir, daß dabei

A ( k ( |ak,|p )pp )1p
(3.31)

gilt. Aus dem Kompaktheitskriterium für Banachräume mit Basis folgt, daß A kompakt ist, falls

( k>N ( >N|ak,|p )pp )1p 0,N
(3.32)

gilt. Auf das Gleichungssystem läßt sich unter dieser Voraussetzung also die oben entwickelte Theorie anwenden.

Eine mögliche Konsequenz ist folgende Aussage. Setzt man zusätzlich Dreiecksform voraus,

ak, = 0, > k,(oder k > )
(3.33)

so ist I A genau dann in p stetig invertierbar, wenn ak,k1 für alle k gilt.

Zum Beweis nutzen wir, daß entweder A oder A untere Dreiecksform besitzt. Das homogene Problem (I A)x = 0 bzw. (I A)x = 0 ist dann unter obiger Voraussetzung aber nur trivial lösbar. In beiden Fällen besitzt I A also Kettenlänge 0, ist also stetig invertierbar.

3.4.10 Beispiel. Eine klassische Anwendung der Fredholmschen Alternative sind Randwertprobleme für gewöhnliche Differentialgleichungen. Wir wollen nur ein (allerdings recht allgemeines) Beispiel betrachten. Zu lösen sei10

(a1(x)u) + a 2(x)u = v(x),u(0) = u0,u(1) = u1
(3.34)

zu vorgegebenen Randwerten u0,u1 , reellen Koeffizienten a1 C1[0, 1], a2 C[0, 1] und rechter Seite v C[0, 1]. Dabei sei vorausgesetzt, daß a1(x)0 für x [0, 1] gilt. Wir transformieren das Problem in eine Integralgleichung.

Sei also u C2[0, 1]. Dann gilt für ϕ = u (wie man sofort mittels partieller Integration sieht)

u(x) = u(0) + u(0)x 0x(x y)ϕ(y)dy = u(1) u(1)(1 x) +x1(x y)ϕ(y)dy.

Weiterhin gilt

0 =01ϕ(y)dy + u(1) u(0).

Multiplikation mit (1 x), x bzw. x(1 x) liefert nach Addition eine Darstellung für u(x)

u(x) = u(0)(1 x) + u(1)x +0x(1 x)yϕ(y)dy +x1x(1 y)ϕ(y)dy,
(3.35)

also auch

u(x) = u(1) u(0) 0xyϕ(y)dy +x1(1 y)ϕ(y)dy.
(3.36)

Ist nun u(x) Lösung des Randwertproblems, so folgt mit (a1u) + a 2u = v die Integralgleichung

a1(x)(u 1 u0) 0xa 1(x)yϕ(y)dy a 1(x)xϕ(x) +x1a 1(x)(1 y)ϕ(y)dy a 1(x)(1 x)ϕ(x) + a2(x)(u0(1 x) + u1x) +0xa 2(x)(1 x)yϕ(y)dy +x1a 2(x)x(1 y)ϕ(y)dy = v(x)

für ϕ. Zusammenfassen aller Ausdrücke liefert

a1(x)ϕ(x) 01a 11(y)K(x,y)a 1(y)ϕ(y)dy = f(x)
(3.37)

mit

K(x,y) = { a1(x)y + a 2(x)(1 x)y, y < x, a1(x)(1 y) + a 2(x)x(1 y),x < y
(3.38)

und

f(x) = v(x) + a1(x)(u 1 u0) + a2(x)(u0(1 x) + u1x).
(3.39)

Ist umgekehrt a1ϕ C[0, 1] eine Lösung der Integralgleichung, so definiert (3.35) eine Lösung des Randwertproblems. Beide Aufgaben sind also äquivalent.

Für die Integralgleichung (3.37) läßt sich die Fredholmsche Alternative formulieren. Sei dazu ψ eine Lösung des homogenen konjugierten Problems

ψ(x) 01a 11(x)K(y,x)ψ(y)dy = 0.
(3.40)

Dann impliziert K(y, 0) = K(y, 1) = 0 daß ψ(0) = ψ(1) = 0 gilt. Weiter folgt durch Differenzieren der Integralgleichung und entsprechendem Zusammenfassen ψ C1[0, 1] sowie

a1(x)ψ(x) =x1(a 1(y) + a 2(y)(1 y))ψ(y)dy +0x(a 1(y) a 2(y)y)ψ(y)dy =01(a 1(y) a 2(y)y)ψ(y)dy +x1a 2(y)ψ(y)dy

und damit

(a1(x)ψ) + a 2(x)ψ = 0,ψ(0) = ψ(1) = 0.
(3.41)

Es existiert höchstens ein eindimensionaler Lösungsraum dieses (konjugierten) Problems. Ist ψ = 0 einzige Lösung, so existiert für jedes v und alle Randdaten u0,u1 eine eindeutige Lösung des Ausgangsproblems. Existiert eine nichttriviale Lösung ψ, so müssen die Daten v und u0,u1 Bedingungen erfüllen. Diese sind durch

0 = ψ,f = 01ψ(x)f(x)dx = 01ψ(x)v(x)dx + (u 1 u0)01a 1(x)ψ(x)dx + u001(1 x)a 2(x)ψ(x)dx + u101xa 2(x)ψ(x)dx

gegeben. Die Gleichung für ψ(x) liefert daraus mittels partieller Integration

01ψ(x)v(x)dx = (u 1 u0)01(a 1(x)ψ(x) x(a 1(x)ψ(x)))dx + u 0[a1(0)ψ(0) a 1(1)ψ(1)] = u0a1(0)ψ(0) u 1a1(1)ψ(1). (3.42)

Erfüllen die rechte Seite v(x) und die Randdaten u0,u1 diese Bedingung, so existiert für unser Ausgangsproblem eine Lösung. Diese ist nicht eindeutig bestimmt.

3.5  Fredholmoperatoren und Index

Wir wollen die bisher behandelte Theorie der Operatorgleichungen etwas verallgemeinern und betrachten nun Operatoren mit abgeschlossenem Bild, für die der Nullraum endlichdimensional ist und der Bildraum durch endlich viele Bedingungen charakterisiert ist.

3.5.1 Definition. Seien V , W Banachräume und L L(V,W). Dann heißt L Fredholmoperator, falls

  1. dim ker (L) < 0 endlich ist und

  2. codim ran (L) = dim Wran (L) < 0 endlich ist.

Die Menge der Fredholmoperatoren sei mit F(V,W) bezeichnet. Für L F(V,W) heißt

ind L = dim ker (L) codim ran (L)
(3.1)

der Index von L.

Alle Fredholmoperatoren haben ein abgeschlossenes Bild.

3.5.2 Lemma. Sei L F(V,W). Dann ist ran (L) abgeschlossen.

Beweis. Wir zeigen leicht mehr und nutzen nur, daß codim ran (L) < 0 gilt. Da ker (L) abgeschlossen ist, definiert

x + ker (L) = inf zker (L)x + z
(3.2)

eine Norm auf Vker (L), welche diesen Raum zu einem Banachraum macht. Damit induziert L eine injektive stetige lineare Abbildung Vker (L) W. Im folgenden nehmen wir o.B.d.A an, daß L injektiv ist.

Seien y1,,yn W so gewählt, daß {yj + ran (L) : j = 1, ,n} eine Basis von Wran (L) bildet. Dann ist 𝕂n × V Banachraum und

L~ : 𝕂n × V (λ 1,,λn,x)Lx + j=1nλ jyj W
(3.3)

ist bijektiv und stetig. Damit ist aber L~ stetig invertierbar und ran (L) = L~({0}× V ) V abgeschlossen. □

Während sich die Dimension des Nullraums und die Kodimension des Bildraumes bei kompakten Störungen ändern können, ist der Index invariant unter kompakten Störungen. Dazu benötigen wir noch eine Hilfsaussage und eine äquivalente Charakterisierung von Fredholmoperatoren.

3.5.3 Lemma. Sei U V ein endlichdimensionaler Unterraum eines normierten Raumes V oder abgeschlossener Unterraum endlicher Kodimension. Dann existiert ein Projektor P L(V ) mit U = ran (P).

Beweis. Siehe Übung. □

3.5.4 Satz (Atkinson11 ). Es gilt L F(V,W) genau dann, wenn Operatoren A,B L(W,V ) existieren, so daß

AL I K(V )undLB I K(W)
(3.4)

gilt. Dabei kann A = B gewählt werden und es gilt A F(W,V ). Man bezeichnet A als Regularisierer von L.

Beweis. Schritt 1. Sei L F(V,W). Dann ist ker (L) endlichdimensional und ran (L) von endlicher Kodimension. Damit existieren nach Lemma 3.5.3 Projektoren P L(V ) und Q L(W) mit ran (P) = ker (L) und ran (Q) = ran (L). Weiter ist I P auf den Äquivalenzklassen x + ker (L) konstant und induziert damit eine stetige Abbildung (I P) : Vker (L) V . Der Operator L induziert eine Abbildung L~ : Vker (L) ran (L), welche nach dem Satz über den inversen Operator stetig invertierbar ist. Sei nun A die Abbildung

A : WQ ran (L)L~1V ker (L)I PV.
(3.5)

Dann gilt

ALx = (I P)L~1Lx = (I P)(x + ker (L)) = x Px,
(3.6)

und damit AL I = P und P ist nach Voraussetzung kompakt. Entsprechend gilt

LAx = L(I P)L~1Qx = Qx
(3.7)

und damit LA I = Q I und Q I ist nach Voraussetzung ebenso kompakt.

Schritt 2. Existieren umgekehrt Operatoren A und B mit (3.4), so folgt A B = A ALB + ALB B = A(I LB) + (AL I)B K(V,W) und damit LA I K(V ). Damit können auch in diesem Fall A und B gleich gewählt werden. Weiter stimmt auf ker (L) der kompakte Operator (AL I) mit der Identität überein. Damit ist ker (L) endlichdimensional. Weiter sind nach der Riesztheorie AL und LB kettenendlich und damit

V = ran ((AL)) ker ((AL)),undW = ran ((LB)~) ker ((LB)~).
(3.8)

Aus letzterem folgt insbesondere codim ran (L) codim ran ((LB)~) < 0 und damit insbesondere L F(V,W).

Schitt 3. Da die Bedingung mit A = B symmetrisch in L und A ist, ist mit L insbesondere auch A Fredholm. □

3.5.5 Satz (Indexsatz).

  1. Seien A F(V 1,V 2) und B F(V 2,V 3), dann ist BA F(V 1,V 3) und es gilt

    ind (BA) = ind A + ind B.
    (3.9)
  2. Für L F(V,W) und K K(V,W) gilt ind (L + K) = ind L.

Beweis. (1) Dieser Satz ist nur lineare Algebra. Sei E2 = ker (B) ran (A) und seien E1, E3, E4 Unterräume12 von V 2 mit

ran (A) = E1 E2, ker (B) = E2 E3,V 2 = E1 E2 E3 E4.
(3.10)

Damit folgt

ran (B) = B(E1 E4) = B(E1) B(E4) = B(E1 E2) B(E4) = ran (BA) B(E4)
(3.11)

Sei nun F ein Unterraum von V 1 mit ker (BA) = ker (A) F. Die Einschränkung A|F ist injektiv, also ist F (algebraisch) isomorph zu A(F) = A(F N(A)) = A(ker (BA)) = ran (A) ker (B) = E2. Damit folgt aber dim F = dim E2 und dim B(E4) = dim E4. Damit ergibt sich

dim ker (B) = dim E2 + dim E3, (3.12a) codim ran (A) = dim E3 + dim E4, (3.12b) dim ker (BA) = dim ker (A) + dim F = dim ker (A) + dim E2, (3.12c) codim ran (BA) = codim ran (B) + dim B(E4) = codim ran (B) + dim E4 (3.12d)

und somit

ind (BA) = dim ker (BA) codim ran (BA) = dim ker (A) + dim E2 codim ran (B) + dim E4 = dim ker (A) + dim ker (B) dim E3 codim ran (B) codim ran (A) + dim E3 = ind A + ind B (3.13)

und damit die Behauptung. (2) Wegen Satz 3.4.7 und der Fredholmschen Alternative gilt ind (I + K~) = 0 für K~ K(V ). Weiter impliziert der Satz von Atkinson, daß mit L auch L + K Fredholm ist. Sei dazu A F(W,V ) mit AL I K(V ) und LA I K(W). Dann folgt A(L + K) I = AL I + AK K(V ) und (L + K)A I = LA I KA K(W) und A regularisiert ebenso L + K. Mit Teil 1 und obiger Bemerkung folgt nun aber

ind A + ind L = ind (AL) = 0 = ind (A(L + K)) = ind A + ind (L + K).
(3.14)

Damit kann man die Resultate der Fredholmtheorie auf Fredholmoperatoren übertragen. Dies soll im folgenden kurz zusammengefaßt werden. Es gilt

3.5.6 Korollar. Sei L F(V,W). Dann gilt L F(W,V ) und

ker (L) = ran (L)und ker (L) = ran (L).
(3.15)

Weiterhin gilt

ind L = dim ker (L) dim ker (L)
(3.16)

und falls V reflexiv ist damit auch

ind L + ind L = 0
(3.17)

Beweis. Ist L F(V,W), so existiert A F(W,V ) mit AL I K(V ) und LA I K(W). Also gilt insbesondere LA I K(V ) und AL I K(W). Damit ist aber L auch Fredholm.

Weiter gilt x ker (L) genau dann, wenn Lx = 0 und damit wenn ϕ,Lx = Lϕ,x = 0 für alle ϕ W gilt. Damit ist aber x ran (L). Entsprechend ist ϕ ker (L) äquivalent zu Lϕ = 0 und damit zu ϕ,Lx = 0 für alle x V . Damit ist aber ϕ ran (L).

Nun ist aber codim ran (L) = dim ran (L) = dim ker (L) und die weiteren Aussagen folgen. □

3.5.7 Beispiel. In p sei S der Shiftoperator S : (x0,x1,x2,)(x1,x2,) und T der Shiftoperator T : (x0,x1,)(0,x0,x1,). Dann gilt ST = I und TS I = P0 für P0 : (x0,x1,)(x0, 0,) den Projektor auf die erste Basisfolge. Damit ist S Fredholm und es gilt ind S = 1 = ind T.

Der Index ist stabil unter kleinen Störungen in der Operatornorm. Das besagt gerade folgendes Lemma.

3.5.8 Lemma. F(V,W) ist offen in L(V,W) und ind : F(V,W) ist stetig.

Beweis. Sei L F(V,W). Dann existieren Zerlegungen V = E ker (L) und W = ran (L) F mit stetigen Projektoren auf die Komponenten und L0 = L|E : E ran (L) stetig invertierbar. Damit kann man L in Blockform schreiben,

L = ( L0 0 0 0 ) .
(3.18)

Sei nun A L(V,W) mit A L < 𝜀. Zerlegt man A entsprechend in Blockform,

A = ( A0 A1 A2 A3 ) .
(3.19)

So folgt L0 A0 < 𝜀 und für hinreichend kleine 𝜀 ist A0 invertierbar. Mit dem Satz von Atkinson ist A damit aber schon Fredholm (jede Fortsetzung von A01 auf den gesamten Raum regularisiert A).

Weiter gilt x ker (A) genau dann, wenn x = y + z mit A0y + A1z = 0 und A2y + A3z = 0 und damit wenn A3z = A2A01A 1z. Nun ist A3 A2A01A 1 : ker (L) F endlichdimensional und damit dim ker (A) = dim ker (A3 A2A01A 1) < 0. Analog folgt durch Betrachtung von A, daß dim ker (A) = dim ker ((A 3 A2A01A 1)) < 0 und damit

ind A = ind (A3 A2A01A 1) = dim ker (L) dim F = ind L
(3.20)

mit dem Rangsatz für Matrizen. □

3.5.9 Beispiel. (Toeplitzoperatoren13 und Gohberg–Krein14 Indexformel) Wir nutzen die Notation aus Beispiel 3.5.7. Sei nun (ak)k 1() summierbar und sei

L = k=1a kTk + a 0I + k=1a kSk
(3.21)

in L(p) für 1 < p < . Angenommen kakeik𝜃0 für alle 𝜃 . Dann ist L Fredholm und der Fredholmindex ind L ist gleich der Windungszahl der Kurve 𝜃 kakeik𝜃, 𝜃 (0, 2π), um den Ursprung. (Siehe Übung)

In Matrixform ist L gerade durch die unendliche Toeplitzmatrix

L = ( a0 a1 a2 a3 a 1 a0 a1 a2 a2 a1 a0 a1 a 3 a2 a1 a0 )
(3.22)

gegeben.

3.5.10 Beispiel. Auf dem Hardyraum

H(𝔻) = {f 𝔄(𝔻) : f = sup ζ𝔻|f(ζ)| < }
(3.23)

der beschränkten analytischen Funktionen auf der Einheitskreisscheibe wird zu jedem g H(𝔻) durch Multiplikation Mg = fgf ein beschränkter Operator Mg definiert. Dieser ist Fredholm, falls g H(𝔻) C(𝔻¯) stetig auf die abgeschlossene Kreisscheibe 𝔻¯ fortsetzbar ist und die Fortsetzung auf dem Rand 𝔻 nirgends Null wird. Sein Index

ind Mg = 1 2πi |ζ|=1g(ζ) g(ζ) dζ = N(g)
(3.24)

entspricht minus der Zahl N(g) der (mit Vielfachheiten gezählten) Nullstellen von g in 𝔻.

3.5.11 Beispiel. Randwertprobleme von Differentialgleichungen entsprechen Fredholmoperatoren. Dazu soll nur ein (sehr einfaches) Beispiel angegeben werden. Die Abbildung

2 : C2[0, 1] uu C[0, 1]
(3.25)

ist Fredholm und es gilt ker (2) = {u(x) = αx + β : α,β } sowie ran (2) = C[0, 1]. Da somit ind (2) = 2 gilt, muß man zum Invertieren des Operators zwei zusätzliche Gleichungen hinzunehmen (und zwar die beiden, sinnvoll gewählten, Randbedingungen). Die Operatoren

: C2[0, 1] uu C[0, 1],ι : C2[0, 1] uu C[0, 1]
(3.26)

sind beide kompakt, also ist insbesondere jeder Differentialoperator P(x,) = 2 + a(x) + b(x) mit Koeffizienten a,b C[0, 1] als Abbildung C2[0, 1] C[0, 1] ein Fredholmoperator mit Index 2.

4  Spektraltheorie

Operatoren sind auch nur Zahlen.

4.1  Der Spektralsatz von Riesz–Schauder

Wir wollen die Resultate des letzten Kapitels noch einmal, allerdings aus einer anderen Blickrichtung, zusammenfassen. Sei dazu V ein komplexer Banachraum und K K(V ) ein kompakter Operator. Dann ist die Gleichung

λx Kx = 0
(4.1)

für ein komplexes λ {0} entweder eindeutig (und damit trivial) lösbar, der Operator λI K in L(V ) (stetig) invertierbar, oder es existiert ein nichttrivialer endlichdimensionaler Lösungsraum ker (λI K). Im zweiten Falle wollen wir λ als Eigenwert des Operators K und den Lösungsraum

Eλ = ker (λI K)
(4.2)

als zugehörigen Eigenunterraum bezeichnen. Die Menge der Eigenwerte sei mit σP (K) bezeichnet. Offensichtlich gilt für jeden Eigenwert λ σP (K) die Abschätzung |λ|K.

Quintessenz des letzten Kapitels können wir nun im folgenden Satz zusammenfassen.

4.1.1 Satz (Spektralsatz von Riesz–Schauder). Sei V Banachraum und K K(V ) kompakt. Dann gelten die folgenden Aussagen

  1. Ist λ ein Häufungspunkt von σP (K), so gilt λ = 0. Insbesondere ist σP (K) abzählbar.

  2. Für jedes λ σP (K) {0} ist der Eigenraum Eλ endlichdimensional.

  3. Sei λ σP (K) {0}. Dann besitzt der Operator L = λI K die endliche Kettenlänge (λ) > 0 und es gilt

    V = ker ((λI K)(λ)) ran ((λI K)(λ)).
    (4.3)

    Bezeichnet man mit Pλ die Projektion auf die erste Komponente, so gilt Pλ K(V ).

  4. Es gilt σP (K) {0} = σP (K) {0}.1 Weiterhin folgt für λ σP (K) {0}

    Eλ = ker (λI K) = ran (λI K), ran (λI K) = ker (λI K).
    (4.4)

Beweis.  (1) Angenommen λ ist Häufungspunkt von σP (K) und λ0. Dann gibt es eine Folge von Eigenwerten λn σP (K) {λ} mit λn λ und eine Folge von normalisierten Eigenvektoren xn ker λnI K, xn = 1. Da K kompakt ist, existiert eine Teilfolge (xnk)k für die Kxnk = λnkxnk konvergiert. Da λn λ0 konvergiert, folgt xnk x für ein x und damit Kx = λx. Dann folgt x ker (λI K) und da alle xn normiert waren gilt auch x = 1. Andererseits gilt

(λI K)xn = (λnI K)xn + (λ λn)xn = (λ λn)xn
(4.5)

und damit für die Kettenlänge zu λI K

xn = 1 (λ λn)(λI K)x n ran ((λI K)).
(4.6)

Also gilt x ran ((λI K)) ker (λI K) und damit nach dem dritten Rieszschen Satz x = 0. Widerspruch zu x = 1. (2) Das ist gerade der erste Rieszsche Satz. (3) Die Kettenendlichkeit folgt mit dem dritten Rieszschen Satz. Für Pλ geben wir noch eine Darstellung an. Sei dazu {x1,,xn} Basis von ker ((λI K)(λ)) und {ϕ1,,ϕn} Basis von ker ((λI K)(λ)). Da man ker ((λI K)(λ)) nach dem zweiten Fredholmschen Satz mit dem Dual von ker ((λI K)(λ)) identifizieren kann, können die ϕi biorthogonal zu xk gewählt werden, d.h.

ϕi,xk = δki.
(4.7)

Weiter ist ker ((λI K)(λ)) Annihilator von ran ((λI K)(λ)), der Projektionsoperator also durch

Pλx = k=1nϕ k,xxk
(4.8)

gegeben. Also gilt Pλ k=1nϕ kxk. (4) Das ist gerade die Fredholmsche Alternative. □

Wendet man sich speziell Hilberträumen zu, so kann man die Aussage des Spektralsatzes für besondere Operatoren noch wesentlich verschärfen. Sei also H Hilbertraum und K K(H) kompakt. Der Operator wird als selbstadjungiert bezeichnet, falls K = K gilt.

4.1.2 Satz (Riesz–Schauder, Spektralsatz für selbstadjungierte Operatoren). Sei K K(H) selbstadjungiert. Dann gilt

  1. σP (K) .

  2. Ist K0, so existiert ein Eigenwert λ σP (K) mit |λ| = K.

  3. Sei λ σP (K) {0}. Dann gilt (λ) = 1 und damit H = ker (λI K) ran (λI K).

  4. Gilt λμ für λ,μ σP (K), so sind die Eigenunterräume Eλ und Eμ orthogonal.

  5. Sei zu λ σP (K) {0}durch {eλ,1,,eλ,n(λ)}eine Orthogonalbasis von Eλ gegeben. Dann besitzt der Operator K die (in der Operatornorm konvergente) Darstellung

    K = λσP(K){0}λPλ = λσP(K){0}λ k=1n(λ)e λ,k eλ,k.
    (4.9)

    Insbesondere gilt für alle x H

    Kx = λσP(K){0}λ k=1n(λ)(x,e λ,k)eλ,k.
    (4.10)
  6. Es gilt

    H = ker (K) λσP(K){0}Eλ
    (4.11)

    als orthogonale direkte Summe.

Beweis.  (1) Sei λ σP (K) und x0 ein zugehöriger Eigenvektor. Dann gilt

λ(x,x) = (λx,x) = (Kx,x) = (x,Kx) = (x,λx) = λ¯(x,x)
(4.12)

und damit λ = λ¯. (2) In einem Hilbertraum gilt für selbstadjungiertes K

K = sup x=1|(Kx,x)|.
(4.13)

Dazu nutzt man Cauchy–Schwarz in der Form |(Kx,x)|KxxKx2 = K sowie für ν > 0

4Kx2 = (K(νx + ν1Kx),νx + ν1Kx) (K(νx ν1Kx),νx ν1Kx) sup y=1|(Ky,y)| (νx + ν1Kx2 + νx ν1Kx2) = 2 sup y=1|(Ky,y)| (ν2x2 + ν2Kx2) (4.14)

mit der Parallelogrammidentität in der letzten Zeile und wählt ν2 = Kxx. Damit folgt K sup y=1|(Ky,y)|.

Also existiert eine Folge xn V mit xn = 1 und (Kxn,xn) λ für ein λ mit |λ| = K. Damit folgt

0 Kxn λxn2 = Kx n2 2 Re λ¯(Kx n,xn) + |λ|2 K2 2 Re λ¯(Kx n,xn) + K2 0, (4.15)

und somit Kxn λxn 0. Da die Einheitskugel im Hilbertraum schwach kompakt ist, existiert eine schwach konvergente Teilfolge xnj, xnj x. Da K kompakt ist, konvergiert Kxnj Kx und damit auch xnj x. Somit gilt Kx = λx. Also ist x Eigenvektor zum Eigenwert λ. (3) Sei λ σP (K) {0}. Dann sind sowohl der endlichdimensionale Unterraum U = ker (λI K)(λ) als auch sein orthogonales Komplement (ker (λI K)(λ)) = ran (λI K)(λ) unter K invariant. Damit wird die Einschränkung von K auf den Unterraum U in jeder Orthogonalbasis dieses Unterraums als selbstadjungierte Matrix dargestellt, diese sind aber bekanntlich diagonalisierbar und haben damit Kettenlänge 1. (4) Sei x Eλ und y Eμ. Dann gilt (λ und μ sind reell)

(λ μ)(x,y) = (λx,y) (x,μy) = (Kx,y) (x,Ky) = 0.
(4.16)

Aus λμ folgt die Orthogonalität Eλ Eμ. (5) Es ist nur etwas zu zeigen, wenn es abzählbar unendlich viele Eigenwerte gibt (der Operator also nicht endlichdimensional ist). Seien die Eigenwerte σP (K) {0} betragsmäßig geordnet, K = |λ0||λ|1 |λ2|. Zu jedem Eigenwert λj ist durch

Pj : x k=1n(λj)(x,e λj,k)eλj,k
(4.17)

die Orthogonalprojektion auf den Unterraum Ej = ker (λjI K) gegeben. Weiter ist der Operator (I P0)K : E0 E 0 gerade die Einschränkung von K auf E0 und hat damit nach Schritt 2 die Norm (I P0)K = |λ1|. Weiter gilt PkK = KPk = λkPk für alle k und per Induktion folgt nun für alle k daß (I P0)(I P1)(I Pk)K = |λk+1| und damit

K j=1kλ jPj = |λk+1|.
(4.18)

Das aber ist die Behauptung. (Die Reihe konvergiert auch in jeder Umordnung. Warum?) (6) Sei x H orthogonal zu allen Eigenunterräumen, x Eλ für λ σP (K) {0}. Sei weiter x = 1. Da dann x Hk = j=1,kEj folgt KxK|Hk = |λk+1|. Für k folgt Kx = 0 und damit x ker (K). □

4.2  Schmidt-Reihen, Spuren und Schattenklassen kompakter Operatoren

Sei H separabler Hilbertraum und K K(H) kompakt. Dann ist der Operator KK selbstadjungiert und nach Satz 4.1.2 existiert eine Folge von Projektoren Pk auf die endlichdimensionalen Eigenräume von KK sowie eine (möglicherweise endliche) Folge positiver Zahlen σk, so daß

KK = kσk2P k.
(4.1)

Die Zahlen σk heißen die Singulärwerte des Operators K.

Im folgenden sei σk geordnet, σk+1 σk, und die einzelnen σk seien entsprechend ihrer Vielfachheit wiederholt. Wir wählen eine aus Eigenvektoren bestehende Orthonormalbasis fk von ran ¯(KK) = ker (KK) = (ker K) = ran ¯(K) in H, d.h., es gelte

KKx = kσk2(x,f k)fk,H = ker K k span {fk}.
(4.2)

Da Kfk ein Eigenvektor von KK ist (KKKf k = σk2Kf k) und ebenso

(Kfk,Kf) = (KKf k,f) = σk2(f k,f) = σk2δ k,
(4.3)

gilt, bilden die ek = σk1Kf k ein Orthonormalsystem. Dieses ist vollständig im Abschluß des Bildes von K und es ergibt sich eine Darstellung des Operators K

Kx = kσk(x,fk)ek,
(4.4)

und ebenso von KK

KKx = kσk2(x,e k)ek,H = ker K k span {ek}.
(4.5)

4.2.1 Satz (Schmidt-Zerlegung kompakter Operatoren). Sei H Hilbertraum und K K(H) kompakt. Seien weiter σk die Singulärwerte des Operators K und ek sowie fk die zugeordneten Orthonormalbasen. Dann gilt

Kx = kσk(x,fk)ek,K = kσkek fk.
(4.6)

Diese Darstellung wird als Schmidt-Reihe des kompakten Operators K bezeichnet.

4.2.2 Korollar. Für K K(H) sei |K|K(H) definiert durch die Schmidt-Reihe

|K|x = kσk(x,fk)fk.
(4.7)

Sei weiter

Ux = k(x,fk)ek
(4.8)

die durch fkek und {fk}0 bestimmte partielle Isometrie. Dann gilt die Polardarstellung K = U|K|.

Im folgenden wollen wir uns kurz mit Klassen kompakter Operatoren auseinandersetzen, welche durch Bedingungen an das Abfallen ihrer Singulärwerte definiert werden. Wir schreiben σk(K) für den k-ten Singulärwert des Operators K, gibt es nur endlich viele Singulärwerte, so setzen wir σk(K) = 0 für alle weiteren k.

4.2.3 Definition.

  1. Sei p [1,). Dann ist die Schattenklasse2 𝔖p K(H) definiert als die Menge aller kompakten Operatoren K K(H), deren Singulärwerte3

    K𝔖pp = k=1σ k(K)p <
    (4.9)

    erfüllen.

  2. Sei nun K 𝔖1 und ϕk eine Orthonormalbasis von H. Dann wird

    trace K = k=1(Kϕ k,ϕk)
    (4.10)

    als Spur des Operators K bezeichnet.

Zwei Klassen haben eine besondere Bedeutung. Operatoren aus 𝔖2 werden als Hilbert–Schmidt-Operatoren bezeichnet, Operatoren aus 𝔖1 als Spurklasseoperatoren.

4.2.4 Proposition.

  1. Die Spur eines Spurklasseoperators ist von der gewählten Orthonormalbasis unabhängig.

  2. Sei O die Menge der Orthonormalsysteme von H. Dann gilt

    K𝔖1 = trace |K| = k(|K|ϕk,ϕk) = sup (ψk),(χk)O k|(Kψk,χk)|
    (4.11)

    für K K(H) und jede Orthonormalbasis ϕk von H.

Beweis. (1) Sei K 𝔖1 und seien ek und fk die in der Schmidt-Reihe des Operators K auftretenden Orthonormalbasen. Sei ϕk eine beliebige Orthonormalbasis. Dann gilt

(Kϕ,ϕ) = ( kσk(ϕ,fk)ek,ϕ) = kσk(ϕ,fk)(ek,ϕ)
(4.12)

und wegen der Summierbarkeit der σk sowie der Quadratsummierbarkeit der Innenprodukte bezüglich gleichmäßig in k mit dem Satz von Fubini-Tonelli

=1(Kϕ ,ϕ) = k=1σ k =1(ϕ ,fk)(ek,ϕ) = k=1σ k(ek,fk).
(4.13)

(2) Die ersten beiden Identitäten folgen aus der Definition der Spurnorm sowie dem gerade bewiesenen. Es bleibt die letzte Identität, wir zeigen zwei Ungleichungen. Sei zuerst K K(H) derart, daß das Supremum endlich ist. Seien ek und fk die in der Schmidtreihe von K auftretendenen Orthonormalsysteme. Dann gilt mit der Polarzerlegung K = U|K|

trace |K| = k(|K|fk,fk) = k(UKf k,fk) = k(Kfk,ek) sup (ψk),(χk)O k|(Kψk,χk)|.
(4.14)
Sei nun K 𝔖1 und seien (ψk), (χk) O (nicht notwendig vollständige) Orthonormalsysteme. Dann gilt mit K = AB = U|K|12|K|12 für Hilbert-Schmidt-Operatoren A = U|K|12 und B = |K|12 und der Ungleichung von Cauchy–Schwarz

k|(Kψk,χk)| = k|(Bψk,Aχ k)| kBψkAχ k ( kBψk2) 12 ( kAχ k2) 12 B𝔖2A𝔖2 = K𝔖1.
(4.15)

4.2.5 Korollar. 𝔖1 ist Banachraum mit Norm 𝔖1.

Beweis. Die Normeigenschaften sind offensichtlich mit Ausnahme der Dreiecksungleichung. Für diese nutzen wir (4.11)

A + B𝔖1 = sup (ϕk),(ψk)O k|((A + B)ϕk,ψk)| sup (ϕk),(ψk)O k|(Aϕk,ψk)| + sup (ϕk),(ψk)O k|(Bϕk,ψk)| = A𝔖1 + B𝔖1.
(4.16)
Wegen Kx2 = (KKx,x) KKxx gilt K2 KKK2 und damit K2 = KK. Damit gilt K = σ1(K) und somit

KK𝔖1.
(4.17)

Jede Cauchyfolge Kn in 𝔖1 ist damit Cauchy in K(H) und konvergiert somit gegen einen kompakten Operator K. Wiederum mit (4.11) und dem Lemma von Fatou folgt

k|(Kϕk,ψk)| = k lim n|(Knϕk,ψk)|liminf n k|(Knϕk,ψk)| sup nKn𝔖1
(4.18)

und damit K 𝔖1(H) und analog die Konvergenz in 𝔖1(H),

k|((K Kn)ϕk,ψk)| = k lim m|((Km Kn)ϕk,ψk)| liminf m k|((Km Kn)ϕk,ψk)| sup mnKm Kn𝔖1 0,n ,
(4.19)
und damit die Behauptung. □

4.2.6 Korollar. 𝔖2 ist Hilbertraum mit Innenprodukt

(A,B)𝔖2 = trace (BA).
(4.20)

Beweis. Es gilt A 𝔖2 genau dann, wenn AA 𝔖 1. Damit ist klar, daß das Spurinnenprodukt (4.20) die 𝔖2-Norm erzeugt. Zu zeigen ist also wiederum nur die Vollständigkeit. Diese folgt analog aus der Charakterisierung

A𝔖22 = sup (ϕk),(ψk)O k|(Aϕk,Aψk)|
(4.21)

und dem Lemma von Fatou. □

Zum Schluß wollen wir noch einige allgemeine Eigenschaften der Schattenklassen zusammenfassen. Für Beweise sei auf die Literatur verwiesen.

4.2.7 Proposition.

  1. 𝔖p ist ein Banachraum mit Norm 𝔖p.

  2. Es gilt die Hölderungleichung für Schattenklassen

    AB𝔖r A𝔖pB𝔖q
    (4.22)

    für A 𝔖p und B 𝔖q und 1 r = 1 p + 1 q.

4.2.8 Satz (Lidskij4 ). Sei K 𝔖1. Dann gilt

trace K = λσ(K){0}λ dim ker ((λI K)(λ)).

Bemerkung zum Beweis. Der Originalbeweis nutzt Jordan-Normalformen kompakter Operatoren, alternative Beweise die Theorie der Fredholmdeterminanten z det (I + zK) als holomorphe Funktionen in z und die Identität trace K = d dz det (I + zK) |z=0.
Siehe Gohberg–Krein, §III.8, Theorem 8.4. □

4.2.9 Satz (Dualitätssätze). Sei H Hilbertraum. Dann gilt K(H) = 𝔖 1, d.h., zu jeder stetigen Linearform ϕ : K(H) existiert ein Spurklasseoperator T 𝔖1 derart, daß

ϕ,K = trace (TK)

für alle K K(H) gilt. Entsprechend gilt 𝔖1 = L(H) und 𝔖p = 𝔖 q für pq = p + q und 1 < p < .

Beweis. Siehe Gohberg–Krein, §III.12, Theorem 12.1 und 12.3. □

4.3  Das analytische Spektralkalkül

Banachalgebren

Wir wollen die Aussagen etwas abstrakter fassen und uns nicht auf die Banachalgebra L(V ) der beschränkten Operatoren eines Banachraumes V beschränken. Sei dazu für das folgende A eine komplexe Banachalgebra mit Eins. Das Einselement wollen wir mit 1 bezeichnen. Durch

λλ1 A,λ1 = |λ|
(4.1)

wird der Körper kanonisch in die Algebra A eingebettet.

4.3.1 Definition. Sei x A. Dann bezeichnet man die Menge

ρ(x) = {λ |(λ x)1 A}
(4.2)

als Resolventenmenge von x und ihr Komplement σ(x) = ρ(x) als Spektrum von x. Auf der Resolventenmenge definiert man die Funktion

Rx : ρ(x) λ(λ x)1 A,
(4.3)

die Resolvente von x.

4.3.2 Beispiel. Speziell für die Banachalgebra A = L(V ) ergibt sich als Resolventenmenge ρ(A) für ein A L(V ) die Menge aller λ , für die λI A stetig invertierbar ist. Das Spektrum σ(A) kann man in diesem Falle in Teile untergliedern. Entweder ist λI A nicht injektiv, dann ist λ Eigenwert. Die Menge σP (A) der Eigenwerte wird als Punktspektrum bezeichnet. Oder, λI A ist injektiv. Dann kann λI A nicht surjektiv sein (da es ja sonst nach dem Satz von Banach über den inversen Operator stetig invertierbar wäre). Also ist entweder ran (λI A) dichter Teilraum von V oder der Abschluß von ran (λI A) ist ein echter Teilraum. Im ersten Falle gehört λ zum kontinuierlichen Spektrum σc(A), im zweiten Falle zum residualen Spektrum σr(A).

4.3.3 Beispiel. Wählt man als Banachalgebra die Calkin-Algebra A = L(V )K(V ), so erhält man für einen Operator A (bzw. seine Äquivalenzklasse [A]K) als Resolventenmenge den sogenannten Fredholmbereich von A und als Spektrum das essentielle (Wolf-) Spektrum5

σw(A) = {λ |[λI A]K nicht invertierbar in L(V )K(V )}.
(4.4)

Es gilt σw(A) σ(A), letzteres das Spektrum aus Beispiel 4.3.2. Betrachtet man speziell nur kompakte Operatoren K K(V ), V unendlichdimensional, so ist σw(K) = σw(0) = {0}.

Die in L(V )K(V ) invertierbaren Operatoren sind nach dem Satz von Atkinson (Satz 3.5.4) gerade die Fredholmoperatoren.

Von besonderer Bedeutung ist das essentielle (Weyl-) Spektrum6

σe(A) = {λ |λI A Fredholm mit  ind (λI A) = 0}.
(4.5)

Es gilt σw(A) σe(A) σ(A) und nach Schechter7 auch

σe(A) = KK(V )σ(A + K).
(4.6)

4.3.4 Beispiel. Setzt man für A die Banachalgebra C(X) der stetigen Funktionen auf dem Kompaktum X, so ergibt sich für das Spektrum des Elementes f C(X) genau der Wertebereich der Funktion, σ(f) = f[X].

4.3.5 Lemma. Es gilt σ(x) {λ ||λ|x}. Weiterhin gilt für |λ| > x

Rx(λ) = λ1(1 λ1x)1 = k=0λk1xk.
(4.7)

(Dabei sei x0 = 1 gesetzt.)

Beweis. Neumannreihe. □

Eine Funktion f : A die sich lokal durch eine in A konvergente Potenzreihe

f(λ) = k=0x k(λ λ0)k,|λ λ 0| < r
(4.8)

mit Koeffizienten xk A schreiben läßt, wollen wir als analytisch bezeichnen. Das Majorantenkriterium (Satz 1.1.17) liefert für den Konvergenzradius r die Darstellung

1 r = limsup kxk1k.
(4.9)

4.3.6 Satz. Sei x A. Dann gelten die folgenden Aussagen:

  1. Die Resolventenmenge ρ(x) ist offen und die Resolvente Rx ist analytisch.

  2. Das Spektrum σ(x) ist nichtleer und kompakt.

  3. Es gilt

    sup λσ(x)|λ| = rx = limsup nxn1n.
    (4.10)

    Die Zahl rx wird als Spektralradius von x bezeichnet.

Beweis.  [1.] Sei λ0 ρ(x) und λ so, daß |λ λ0|Rx(λ0) < 1. Dann gilt

Rx(λ) = Rx(λ0) k=0((λ 0 λ)Rx(λ0))k,
(4.11)

da wegen (λ x) = (λ0 x) + (λ λ0)

(λ x)Rx(λ) = (λ x)Rx(λ0) k=0((λ 0 λ)Rx(λ0))k = (λ0 x)Rx(λ0) k=0((λ 0 λ)Rx(λ0))k + (λ λ 0)Rx(λ0) k=0((λ 0 λ)Rx(λ0))k = k=0((λ 0 λ)Rx(λ0))k R x(λ0) k=0(λ 0 λ)k+1R x(λ0)k = 1

gilt. Also ist Rx in λ0 analytisch. Weiter sieht man, daß ρ(x) offen ist. [2.] Damit ist σ(x) als Komplement der offenen Menge abgeschlossen. Wegen Lemma 4.3.5 ist das Spektrum beschränkt, also kompakt. Um zu zeigen, daß das Spektrum nichtleer ist, wenden wir den Satz von Liouville aus der Funktionentheorie an. Sei dazu ϕ A. Dann ist die Funktion

ρ(x) λϕ,Rx(λ)
(4.12)

analytisch und wegen λRx(λ) = λ(λ x)1 1 für λ in λ = regulär. Wäre ρ(x) = , so müßte ϕ,Rx(λ) für jedes ϕ konstant sein. Dann wäre aber auch Rx konstant (Trennungseigenschaften, Hahn–Banach). Widerspruch! [3.] Durch (4.7) ist eine Laurentreihe der Resolvente gegeben. Analog zur Funktionentheorie zeigt man, daß auf dem (inneren) Rand des Konvergenzgebietes ein λ existieren muß, in das Rx nicht analytisch fortgesetzt werden kann. Dieses muß also zu σ(x) gehören. □

4.3.7 Proposition. Die Resolvente Rx erfüllt die Resolventengleichung

Rx(λ) Rx(μ) = (λ μ)Rx(μ)Rx(λ)
(4.13)

für λ,μ ρ(x). Insbesondere gilt

λRx(λ) = Rx(λ)2.
(4.14)

Integrale mit Werten in einer Banachalgebra, Integraldarstellungen

Sei nun Γ eine glatte Kurve endlicher Länge innerhalb von und f : Γ A stetig. Dann kann man das komplexe A-wertige Kurvenintegral

Γf(λ)dλ A
(4.15)

in vollkommener Analogie zum -wertigen Riemann-Integral definieren, die entsprechenden Riemannschen Summen konvergieren in A. Wir skizzieren kurz eine mögliche Konstruktion:8

Sei ϕ A. Dann ist λ ϕ,f(λ) stetig und es existiert damit das komplexe Kurvenintegral entlang der Kurve Γ. Wie man sofort sieht ist die Zuordnung

Ψ : ϕΓϕ,f(λ)dλ
(4.16)

linear in ϕ und wegen

|Γϕ,f(λ)dλ| |Γ|ϕA max λΓf(λ)A,
(4.17)

|Γ| die Länge der Kurve Γ, ist Ψ A. Wir zeigen, daß sogar Ψ A gilt. Sei dazu λ : [0, 1] Γ eine Parametrisierung der Kurve. Das komplexe Kurvenintegral ist Grenzwert seiner Riemannschen Summen,

ϕ,f(λ(tj))λ(t j)(tj+1 tj) Γϕ,f(λ)dλ
(4.18)

für immer feiner werdende Zerlegungen des Intervalls [0, 1]. Also auch

ϕ, f(λ(tj))λ(t j)(tj+1 tj) Ψ,ϕϕ A
(4.19)

und damit

f(λ(tj))λ(t j)(tj+1 tj)Ψ
(4.20)

in A. Dann ist jede der Riemannschen Summen in der konvexen Hülle

conv{f(λ(t))λ(t) : t [0, 1]}
(4.21)

enthalten. Nutzt man die Hilfsaussage

4.3.8 Lemma (Kompaktheitssatz von Mazur). Sei X Banachraum und M X kompakt. Dann ist die konvexe Hülle convM relativ kompakt.

so existiert eine in A normkonvergente Teilfolge von Riemannschen Summen.9 Die Eindeutigkeit des schwach-* Grenzwertes impliziert, daß diese gegen Ψ konvergiert, insbesondere also Ψ conv¯{f(λ(t))λ(t) : t [0, 1]}A gilt.

4.3.9 Satz (Dunford10 ). Sei Γ glatte Kurve endlicher Länge in und f : Γ A stetig. Dann existiert genau ein Element Γf(λ)dλ A, für welches

ϕ,Γf(λ)dλ =Γϕ,f(λ)dλ
(4.22)

für jedes ϕ A gilt.

Da damit alle Integrale auf rein komplexe Kurvenintegrale zurückgeführt worden sind, kann man somit für analytische Funktionen f : Ω A Integralsätze der Funktionentheorie anwenden. Der Schritt zurück erfolgt mit den Trennungssätzen nach Hahn–Banach. Als Anwendung der Cauchyschen Integralformeln auf die Laurent-Reihe (4.7) ergeben sich für deren Koeffizienten

4.3.10 Proposition. Sei Γ eine glatte Kurve die σ(x) einmal positiv umläuft. Dann gilt

xk = 1 2πi ΓλkR x(λ)dλ
(4.23)

für alle k = 0, 1, 2,

Beweis. Sei ϕ A. Dann gilt

ϕ,Rx(λ) = k=0λk1ϕ,xk.
(4.24)

Das ist eine Laurent-Reihe auf |λ| > rx. Damit gilt für den Koeffizienten ϕ,xk vor λk1 die Darstellung durch das Cauchy-Integral

ϕ,xk = 1 2πi Γλkϕ,R x(λ)dλ = 1 2πiϕ, ΓλkR x(λ)dλ.
(4.25)

Da lineare Funktionale punktetrennend sind, folgt die Aussage. □

Damit haben wir eine Darstellung für Polynome in x. Wir wollen diese auf in einer Umgebung des Spektrums analytische Funktionen ausweiten.

4.3.11 Definition. Sei f in einer Umgebung von σ(x) analytisch und Γ endliche Vereinigung geschlossener positiv orientierter glatter Kurven um σ(x) (innerhalb dieser Umgebung). Dann sei

f(x) = 1 2πi Γf(λ)Rx(λ)dλ.
(4.26)

4.3.12 Satz (Dunford). Sei x A. Seien f,g in einer Umgebung von σ(x) analytisch, α,β . Dann gilt

  1. (αf + βg)(x) = αf(x) + βg(x)

  2. (fg)(x) = f(x)g(x)

Sei fn Folge analytischer Funktionen in einer (gemeinsamen) Umgebung von σ(x). Konvergiert fn in dieser Umgebung gleichmäßig gegen f, so konvergiert fn(x) gegen f(x) in der Banachalgebra A.

Beweis. Es ist nur (2) zu zeigen, der Rest ist klar. Dazu nehmen wir an, daß Γ1 vollständig im Innern von Γ2 liegt. Dann gilt

f(x)g(x) = 1 4π2 Γ1f(λ)Rx(λ)dλ Γ2g(μ)Rx(μ)dμ = 1 4π2 Γ1 Γ2f(λ)g(μ)(μ λ)1(R x(λ) Rx(μ))dμdλ = 1 2πi Γ1f(λ)Rx(λ) { 1 2πi Γ2 g(μ) μ λdμ}dλ 1 2πi Γ2g(μ)Rx(μ) { 1 2πi Γ1 f(λ) μ λdλ}dμ = 1 2πi Γ1f(λ)g(λ)Rx(λ)dλ = (fg)(x).

Dabei nutzt man aus, daß

Γ1 f(λ) μ λdλ = 0
(4.27)

gilt, da μ außerhalb von Γ1 liegt und der Integrand somit im Innern der Kurve Γ1 analytisch ist.

Die Stetigkeit des Integralkalküls folgt aus (4.17) in der Form

f(x)|Γ| 2π max λΓRx(λ) max λΓ|f(λ)|.
(4.28)

4.3.13 Korollar (Spektraler Abbildungssatz). Sei f analytisch in einer Umgebung von σ(x). Dann ist

σ(f(x)) = f[σ(x)].
(4.29)

Beweis. Sei f analytisch in einer Umgebung von σ(x).

Sei λ σ(x). Betrachtet man nun

g(μ) = f(λ) f(μ) λ μ ,
(4.30)

so ist damit g analytisch in einer Umgebung von σ(x) (für λ = μ gilt f(λ) = f(μ)) und es gilt f(λ) f(x) = (λ x)g(x) = g(x)(λ x). Wäre f(λ) f(x) invertierbar, so auch (λ x) mit Inverser (λ x)1 = g(x)(f(λ) f(x))1 = (f(λ) f(x))1g(x), Widerspruch. Also ist f(λ) σ(f(x)).

Sei λ σ(f(x)) und λf[σ(x)]. Sei nun

g(μ) = 1 f(μ) λ,
(4.31)

dann ist g analytisch in einer Umgebung von σ(x) und somit folgt g(x)(f(x) λ) = (f(x) λ)g(x) = 1, Widerspruch. □

4.3.14 Beispiel. Ein Grund, warum wir Analytizität nur in der Umgebung von σ(x) gefordert haben, ist, daß wir nun Elemente x A nach Zusammenhangskomponenten des Spektrums σ(x) zerlegen können. Gilt σ(x) = σ1(x) σ2(x) mit disjunkten kompakten Mengen σ1(x) und σ2(x) , σ1(x) σ2(x) = , so ist die Funktion

fi(λ) = { 1,λ σi(x), 0,λ σ(x) σi(x)
(4.32)

in eine Umgebung des Spektrums analytisch fortsetzbar. Setzt man nun pi = fi(x), so gilt pi2 = p i und σ(pix) = σ(xpi) = σi(x) {0}. Weiter gilt p1 + p2 = 1 und x = p1x + p2x stellt die gesuchte Zerlegung dar.

4.3.15 Beispiel. Sei K K(V ) kompakt. Dann besagt der Spektralsatz von Riesz–Schauder, daß σP (K) {0} aus abzählbar vielen Eigenwerten λi besteht. Zu jedem dieser Eigenwerte λi gehörte ein Projektionsoperator Pi auf ker ((λiI K)), Kettenlänge von λiI K. Dieser ist durch

Pi = 1 2πi ΓRK(λ)dλ
(4.33)

gegeben. Dabei umläuft Γ (nur) den Eigenwert λi einmal in positivem Sinn. Das kann man auch anders schreiben,

Pi = Res(RK,λi).
(4.34)

Zusammen mit dem Residuensatz ergibt sich

K = i=1NKP i + RN
(4.35)

mit einem Restterm RN für den σ(RN) = σ(K) {λ1,,λN} gilt. Im Allgemeinen gilt nicht RN 0 für N .

4.3.16 Beispiel. Eine Anwendung dieses Spektralkalküls kann es sein, Lösungen von Evolutionsgleichungen zu berechnen. Wir wollen nur ein Beispiel betrachten. Sei V Banachraum und A L(V ) beschränkter Operator. Gesucht ist eine (Fréchet-) differenzierbare11 Funktion f : V , für welche

f Af = g,f(0) = f 0 V
(4.36)

zu einem vorgegebenen stetigen g : V gilt. Die Lösung dieser abstrakten Differentialgleichung ist dann durch

f(t) = etAf 0 +0te(tτ)Ag(τ)dτ
(4.37)

gegeben. Es gilt σ(etA) = {etλ : λ σ(A)}, entsprechend σw(etA) = {etλ : λ σ w(A)}.

Interessanter wird dieses Beispiel für unbeschränkte Operatoren und führt dann zur Theorie der Operatorhalbgruppen und der Spektraltheorie sektorieller Operatoren (mit Anwendungen für partielle Differentialgleichungen).