Funktionenräume

Wintersemester 2012/13

1 Vorbemerkungen: Was sind und was sollen Funktionenräume?

1.1 Wozu das Ganze

Will man Randwertprobleme der Form Δu=j=1nj2u=0,u(x)|Ω=h(x)C(Ω) für ein gegebenes Gebiet ΩRn mit glattem Rand Ω lösen, so ist die Suche nach den klassischen Lösungen, also Funktionen uC2(Ω) die diese Gleichung punktweise erfüllen, schwierig und ohne zusätzliche Voraussetzungen an h(x) im allgemeinen unlösbar. Die Behandlung vereinfacht sich, wenn man beobachtet, dass die Lösung (falls existent) j=1nΩ|ju(x)|2dxmin unter der Klasse aller Funktionen u(x) mit vorgegebenen Randwerten minimiert. Ersetzt man den Begriff der klassischen Differenzierbarkeit durch eine schwächere Forderung und die Klasse der gesuchten Lösungsfunktionen durch den Sobolevraum H1(Ω), so ist das Variationsproblem stets lösbar. Ziel der Vorlesung ist es, Grundtechniken im Umgang mit Sobolev- und allgemeineren Funktionenräumen zu erlangen.

1.2 Notation und Begriffsbildung

Funktionenräume sind spezielle Banach- oder Hilberträume, die sich dadurch auszeichnen, daß ihre Elemente auch ‘außerhalb’ ihres Raumes leben. Sei dazu im folgenden F ein (hier abstrakt nicht weiter spezifizierter) topologischer C-Vektorraum aller ‘Funktionen’ versehen mit der Struktur eines vollständigen toplogischen Hausdorff-Raumes. Wir nehmen also an, daß Addition und skalare Multiplikation stetig sind und die Topologie punktetrennend und vollständig ist.

In konkreten Situationen wird F zum Beispiel der Raum der stetigen Funktionen auf einem Gebiet, der Raum der lokal integrierbaren Funktionen oder ein Distributionenraum sein. Wir wollen hier vorerst aber weiterhin abstrakt bleiben.

Unter einem Funktionenraum soll im folgenden ein komplexer Banach-Raum A verstanden werden, der aus allen Funktionen fF besteht, welche eine definierende Bedingung der Form f|A< erfüllen. Dabei soll |A die folgenden Eigenschaften einer auf F definierten Normfunktion besitzen:

FR1

Es sei |A:F[0,]=R+{} mit f|A=0 genau dann, wenn f die Nullfunktion 0F ist, und λf|A=|λ|f|A,f+g|Af|A+g|A für alle Funktionen f,gF und Skalare λC.

Hierbei sei 0=0, 0+= und a=a+= für a(0,] gesetzt werden.

Damit wird A={fF:f|A<} versehen mit |A zu einem normierten Raum. Als zweites fordern wir, daß dieser stetig in F eingebettet ist.

FR2

Aus fk|A0 folgt fk0 in F.

Da F vollständig und die Einbettung stetig ist, konvergiert jede Cauchyfolge aus A in F. Damit der durch |A definierte Raum A vollständig ist, muß die Norm auf den so entstehenden Grenzelementen endlich sein. Dies fordert

FR3

Sei fk eine A-Cauchyfolge und f ihr Grenzwert in F. Dann gilt fA.

Als Konsequenz der umgekehrten Dreiecksungleichung in A ergibt sich direkt f|A=limkfk|A, die letzte Forderung ist notwendig, da die Anwendung der umgekehrten Dreiecksungleichung für Elemente aus F im Allgemeinen auf Ausdrücke der Form führt und wir explizit f|A< fordern müssen.

Die Normfunktion |A erfüllt hier einen doppelten Zweck, sie mißt sowohl die Größe der Funktion f als auch deren Zugehörigkeit zu einem Raum.

Hat man zwei solche Funktionenräume A und B gegeben, so sind AB und A+B wiederum Funktionenräume mit Normfunktionen f|AB=f|A+f|B und f|A+B=inff=g+h(g|A+h|B). Die Normeigenschaften sind offensichtlich, daß es sich bei den so definierten Räumen A+B und AB um Banachräume handelt ist eine elementare Übungsaufgabe. Die beiden so konstruierten Räume werden als Summe beziehungsweise Durchschnitt der Räume A und B bezeichnet.

Lemma 1.1. Seien A und B Funktionenräume. Dann gilt AB genau dann, wenn es eine Konstante C>0 mit f|BCf|A für alle fF gibt.

Proof. Die Ungleichung impliziert die Enthaltenseinsbeziehung direkt aus der Definition von A und B.

Der Beweis der Gegenrichtung nutzt tiefere Aussagen der Funktionalanalysis und ist hier nur der Vollständigkeit halber angegeben. Wir betrachten die identische Abbildung als Abbildung ABA. Diese ist offenbar bijektiv (da AB als Menge mit A übereinstimmt) und stetig, da f|Af|AB per definitionem gilt. Nach dem Satz über die offene Abbildung ist damit aber die Inverse dieser Abbildung stetig und deshalb existiert eine Konstante C mit f|A+f|B=f|ABCf|A. Also folgt 0f|B(C1)f|A und die Aussage ist bewiesen. ◻

Es sei darauf hingewiesen, daß für diese Aussage die Banachraumeigenschaft der Funktionenräume wesentlich ist.

Korollar 1.1. Sind A und B Funktionenräume, die als Mengen übereinstimmen, so sind ihre Normen äquivalent. Es gibt also eine Konstante C1 mit C1f|Af|BCf|A für alle fF.

1.3 Einfache Beispiele

Wir beginnen mit einigen Standardbeispielen von Funktionenräumen. Sei dazu ΩRn ein Gebiet und bezeichne F=C(Ω) die Menge der auf Ω stetigen komplexwertigen Funktionen. Der Raum Cb(Ω) der beschränkten stetigen Funktionen auf Ω ist dann definiert durch die Forderung f|Cb(Ω)=f=supxΩ|f(x)|<. Entsprechend definiert für kN f|Cbk(Ω)=|α|kαf|Cb(Ω)< den Raum der k-fach stetig differenzierbaren Funktionen. Hierbei nutzen wir die übliche Multiindexschreibweise, α=x1α1xnαn für α=(α1,,αn)N0n, wobei N0=N{0} und |α|=α1++αn, und vereinbaren, daß für nichtdifferenzierbare Funktionen die entsprechende Norm auf der rechten Seite sei.

Wir belassen es als Übungsaufgabe, zu zeigen, daß die Normeigenschaften gelten. Die Voraussetzung der Vollständigkeit ist erfüllt und alle so definierten Räume sind Banach-Räume.

Im folgenden setzen wir als F die Menge aller lokal integrierbaren Funktionen modulo Nullfunktionen auf einem Gebiet Ω. Dann definiert man für 1p< den Lebesgue-Raum Lp(Ω) durch f|Lp(Ω)=fp=(Ω|f(x)|pdx)1/p< gilt. Entsprechend sei L(Ω) durch f|L(Ω)=f=esssupxΩ|f(x)|< bestimmt. Um zu sehen, daß diese Definitionen sinnvoll sind, wären zuerst die Normeigenschaften nachzuweisen, die einzige nichttriviale Eigenschaft ist dabei die Dreiecksungleichung f+gp=(Ω|f(x)+g(x)|pdx)1/p(Ω|f(x)|pdx)1/p+(Ω|g(x)|pdx)1/p=fp+gp, welche als Minkowski-Ungleichung 1 aus der Höheren Analysis bekannt sein sollte. Die Vollständigkeit der Räume ist wiederum nachzuweisen oder schon bekannt.

Raumskale n sind Funktionenräume, die von einem oder mehreren reellen Parametern abhängen. Als Beispiel denke man an die eben genannten Lebesgue-Räume und deren Abhängigkeit vom Parameter p[1,]. Bei Raumskalen wird besonders deutlich, daß Funktionen ein ‘Eigenleben’ außerhalb konkreter Räume führen, Funktionenräume also nur zum ‘messen’ von Funktionen dienen.

So kann man für eine gegebene Funktion fragen, für welche p sie zu Lp(Ω) gehört. Auf dem ersten Blick überraschend ist die Tatsache, daß die Anwort auf diese Frage immer ein Intervall ist. Zum Beweis benötigen wir die Höldersche Ungleichung 2 fgr=(Ω|f(x)g(x)|rdx)1/r(Ω|f(x)|pdx)1/p(Ω|g(x)|qdx)1/q=fpfq für 1p+1q=1r. Besonders wichtig ist hier der Fall r=1, dann ist fgL1(Ω) und man spricht von zueinander dualen Indices p und q.

Lemma 1.2 (Riesz). Für 1r<s<t gilt Lr(Ω)Lt(Ω)Ls(Ω).

Proof. Es bleibt eine Ungleichung für die Normen zu beweisen. Wir nehmen der Einfachheit halber an t. Nach Vorausstzung existiert dann θ(0,1) mit 1s=θr+1θt und somit gilt nach der Hölderschen Ungleichung angewandt auf die Produktzerlegung |f(x)|=|f(x)|θ|f(x)|1θ Ω|f(x)|sds(Ω|f(x)|rdx)θ/r(Ω|f(x)|tdx)(1θ)/t, also fsfrθft1θ und die Behauptung folgt. Der Fall t= folgt direkt aus der Definition der Norm. ◻

Ungleichung [eq:1:conv-ineq] wird als Konvexitätsungleichung von Riesz3 bezeichnet.

Mit Raumskalen werden wir uns in Kapitel 4 noch einmal besonders befassen. Sie erlauben es, Aussagen auf (meist einfacher zu beweisende) Spezialfälle an Randpunkten zurückzuführen.

Als letztes ein etwas anders geartetes Beispiel. Sei dazu F die Menge der auf der offenen Kreisscheibe DC analytischen Funktionen. Dann definiert f|H(D)=f=supζD|f(ζ)| den Hardy-Raum 4 H(D). Dieser besteht aus allen beschränkten analytischen Funktionen und ist nach den abstrakten Bemerkungen aus dem ersten Abschnitt ein Banachraum. Er wird uns im Kapitel 3 wieder begegnen. Ersetzt man die Supremumsnorm durch eine Lp-Norm, so entstehen Spezialfälle sogenannter Bergman-Räume5.

1.4 Räume als Vervollständigungen

Bisher haben wir Funktionenräume durch die Bedingung f|A< aus einem umfassenden Raum zulässiger Funktionen ausgewählt. Oft nutzt man eine alternative, intrinsische, Charakterisierung und bertrachtet Funktionen welche sich in einem gewissen Sinne durch ‘schöne’ Funktionen approximieren lassen. Wir bleiben vorerst abstrakt und bezeichnen mit SF eine Menge ‘schöner’ Funktionen; in Anwendungen wird dies für reelle Funktionenräume oft ein Raum von C-Funktionen mit kompaktem Träger sein.

Dann heißt S dicht in A, falls für jedes fA eine Folge fkS mit limkfkf|A=0 existiert. Hat man dieselbe Menge S für mehrere betrachtete Funktionenräume, so lassen sich Aussagen über die Räume äquivalent als Ungleichungen für Funktionen aus S formulieren und damit oft einfacher beweisen. Ein Beispiel ist:

Lemma 1.3. Sei S in A und B dicht. Es gilt AB genau dann, wenn f|BCf|A für alle fS und eine Zahl C>0 gilt.

Hier sollen vorerst wieder die Lp-Räume als Beispiel dienen, allerdings mit der Einschränkung 1p<. Dann kann als Menge S die Menge der Treppenfunktionen

jJαj1Ej(x),αjC, für endliche Indexmengen J und Borel-meßbare beschränkte Mengen EjΩ genutzt werden. Diese ist (nach Konstruktion des Lebesgue-Integrals) dicht in Lp(Ω) für alle p[1,). Dies kann man zum Beispiel nutzen, um die vorher angesprochenen Hölder- und Minkowski-Ungleichungen auf entsprechende Ungleichungen für endliche Summen zurückzuführen.

Für unsere Zwecke ist es besser, dichte Teilmengen glatter Funktionen zu wählen. Im Falle des Lp(Rn) wählt man dazu die Menge der Schwartz-Funktionen 6, das heißt f gehört zu S(Rn) falls f beliebig oft differenzierbar ist und xαDβf(x)L(Rn) für alle Multi-Indices α,βN0n gilt. Dann ist S(Rn) dicht in Lp(Rn) für alle p[1,). Wir werden diese Aussage im nächsten Kapitel beweisen.

Der Schwartz-Raum ist besonders wichtig für Aussagen, die mit Hilfe der Fouriertransformation studiert werden sollen. Für fS(Rn) sei diese durch F±f(ξ)=(2π)n/2Rne±ixξf(x)dx definiert. Ebenso aus der Höheren Analysis bekannt sein sollte der

Satz 1.1. Es gilt F±:S(Rn)S(Rn) als Bijektion auf der Menge der Schwartz-Funktionen mit (F+)1=F.

Er hat eine interessante Konsequenz. Betrachtet man das L2-Innenprodukt der Schwartz-Funktionen F+f und g, so gilt (F+f,g)L2=RnF+f(ξ)g(ξ)dξ=RnRneixξf(x)g(ξ)dxdξ=RnRnf(x)eixξg(ξ)dξdx=(f,Fg)L2 und damit insbesondere mit der Inversionsformel F±f2=f2. Damit kann man die Fouriertransformation stetig von S(Rn) auf den Raum L2(Rn) fortsetzen. Die entstehende unitäre Abbildung bezeichnen wir wiederum mit F±. Weiterhin ist die Bezeichnung f^=Ff üblich.

Korollar 1.2 ( Plancherel 7). Die Fouriertransformation F± ist eine unitäre Transformation des L2(Rn), das heißt f^|L2=f|L2 für alle fL2(Rn).

Proof. Sei fkS(Rn) eine Folge von Schwartz-Funktionen mit fkf in L2(Rn). Dann ist fk insbesondere Cauchyfolge und somit existiert für ϵ>0 ein Nϵ mit f^kf^2=fkf2<ϵ für alle k,Nϵ. Also ist f^k eine Cauchyfolge in L2(Rn). Bezeichne f^ ihren Grenzwert. Dann folgt f^2=limkf^k2=limkfk2=f2 und die Aussage ist bewiesen. ◻

Die Menge der stetigen linearen Funktionale S(Rn)C bezeichnet man als Raum der temperierten Distribution en S(Rn). Dieser ist ein gutes Beispiel für den Raum F aller (verallgemeinerten) Funktionen und wird uns noch einige Male begegnen. Für Details verweisen wir wiederum auf die Höhere Analysis.

2 Sobolevräume

2.1 Schwache Ableitungen und Definition

Sei Cc(Rn) die Menge der glatten Funktionen mit kompaktem Träger, das heißt jede Funktion fCc(Rn) ist beliebig oft differenzierbar und es gibt eine Zahl R>0, so daß f(x)=0fu¨r alle x mit |x|R gilt. Solche Funktionen gibt es, ein Beispiel ist einfach mittels der glatten Abschneidefunktion χ+(r)={0,r0,e1/r,r>0, konstruierbar.

Sei ΩRn ein Gebiet , d.h., eine zusammenhängende offene Teilmenge. Weiter sei Cc(Ω) für eine offene Menge Ω die Menge aller glatten Funktionen mit kompaktem Träger innerhalb Ω. Weiter bezeichne Lloc1(Ω) die Menge aller meßbaren Funktionen f auf Ω modulo Nullfunktionen, für die φfL1(Ω) für alle φCc(Ω) gilt. Die Menge Lloc1(Ω) bezeichnet man als den Raum der lokal integrierbaren Funktionen. Er wird für uns im folgenden die Rolle des ‘Raumes aller Funktionen’ einnehmen.

Eine Funktion fLloc1(Ω) bezeichnen wir als schwach differenzierbar bzgl. der Ableitung α, falls eine Funktion gLloc1(Ω) mit Ωg(x)φ(x)dx=(1)|α|Ωf(x)αφ(x)dx für alle φCc(Ω) gibt.

Mit dem noch zu beweisenden

Lemma 2.1 ( Fundamentallemma der Variationsrechnung ). Sei gLloc1(Ω) lokal integrierbar. Gilt dann für alle φCc(Ω) Ωg(x)φ(x)dx=0, so ist g(x)=0 fast überall in Ω.

ergibt sich, dass die Funktion g in [eq:w-der] eindeutig bestimmt ist. Wir bezeichnen deshalb für schwach differenzierbares f die so bestimmte Funktion als die schwache Ableitung αf.

Die Definition ist sinnvoll, für jede klassisch k-fach differenzierbare Funktion stimmen klassische und schwache Ableitung überein. Auch dies ergibt sich direkt aus dem Fundamentallemma.

Wir beweisen das Fundamentallemma der Variationsrechnung. Dazu nutzen wir, dass stetige Funktionen in L1 dicht sind. Für gegebenes gL1(Ω) existiert also zu jedem ϵ>0 eine stetige Funktion hϵL1(Ω)C(Ω) mit Ω|g(x)hϵ(x)|dx<ϵ. Ein Beweis dieser Aussage verbleibt als Übungsaufgabe.

Beweis des Fundamental-Lemmas. Sei zuerst g als stetig vorausgesetzt. Ist dann g0, so existiert insbesondere ein x0Ω mit g(x0)0. Wegen Stetigkeit existiert also eine kleine Umgebung um x0 mit |g(x)||g(x0)|/2 und |argg(x)argg(x0)|π/4. Sei nun φCc(Ω) so gewählt, dass der Träger in dieser Umgebung enthalten ist, φ(x)0 und φ(x)dx=1 gilt. Dann ist das betrachtete Integral gerade ein Mittel über die Funktionswerte in dieser Umgebung und damit folgt nach Konstruktion |g(x)φ(x)dx|24|g(x0)|0.

Sei nun g allgemeiner eine lokal integrierbare Funktion, die nicht fast überall verschwindet. Wir wollen ein Teilgebiet ΩΩ als eigentliches Teilgebiet bezeichnen, wenn es eine kompakte Teilmenge KΩ mit ΩK gibt. Damit existiert nach Voraussetzung ein eigentliches Teilgebiet ΩΩ, so dass Ω|g(x)|dx0 gilt. Wir können g mit Konstanten multiplizieren und deshalb oBdA annehmen, dass Ω|g(x)|dx=Ω gilt. Zu jedem ϵ>0 finden wir nun eine stetige Funktion hϵ(x) mit Ω|g(x)hϵ(x)|dx<ϵΩ, nach Anwendung der umgekehrten Dreiecksungleichung folgt damit Ω|hϵ(x)|dx>(1ϵ)Ω, und es muss somit ein x0Ω mit |hϵ(x0)|>(1ϵ) geben. Also finden wir nach obiger Argumentation auch eine Funktion φCc(Ω) mit Träger um x0, φ(x)0 und φ(x)dx=1, so dass |Ωhϵ(x)φ(x)dx|>24(1ϵ). Also folgt nach Anwendung der umgekehrten Dreiecksungleichung und mit M=maxx|φ(x)| |Ωg(x)φ(x)dx||Ωhϵ(x)φ(x)dx|Ωφ(x)|g(x)hϵ(x)|dx>24(1ϵ)MΩϵ. Für ϵ klein genug ist die rechte Seite positiv und damit die Kontraposition des Fundamentallemmas gezeigt. ◻

Wir wollen das Fundamentallemma anwenden um einige elementare Eigenschaften schwacher Ableitungen zu beweisen. Es gilt

Korollar 2.1.

  1. Schwache Ableitungen sind, wenn sie existieren, fast überall eindeutig bestimmt.

  2. Ist eine Funktion klassisch differenzierbar, so ist sie auch schwach differenzierbar und die Ableitungen stimmen fast überall überein.

  3. Seien f,gLloc1(Ω) und μC. Dann gilt für alle αN0n α(f+μg)=αf+μαg, vorausgesetzt zwei der drei schwachen Ableitungen existieren.

  4. Angenommen f ist schwach differenzierbar bezüglich α und αf schwach differenzierbar bezüglich β. Dann ist f schwach differenzierbar bezüglich α+β und es gilt α+βf=β(αf).

Proof.

  1. Folgt direkt aus der Definition.

  2. Angenommen fCk(Ω) und |α|k ist ein gegebener Multiindex. Dann gilt für jedes φCc(Ω) mittels partieller Integration Ωf(x)αφ(x)dx=(1)|α|Ω(αf(x))φ(x)dx, und damit ist die klassische Ableitung αf eine schwache Ableitung. Nach dem Fundamentallemma ist aber die schwache Ableitung fast überall eindeutig bestimmt.

  3. Dies folgt wiederum direkt mit dem Fundamentallemma, Ωα(f(x)+μg(x))φ(x)dx=(1)|α|Ω(f(x)+μg(x))αφ(x)dx=(1)|α|Ωf(x)αφ(x)dx+μ(1)|α|Ωg(x)αφ(x)dx=Ω(αf(x))φ(x)dx+μΩ(αg(x))φ(x)dx=Ω(αf(x)+μαg(x))φ(x)dx.

  4. Analog impliziert Ωβ(αf)(x)φ(x)dx=(1)βΩαf(x)βφ(x)dx=(1)|α|+|β|Ωf(x)α+βφ(x)dx mit |α+β|=|α|+|β| die Behauptung.

 ◻

Beispiel 2.1. Auf R ist die Funktion f(x)=|x| nicht differenzierbar, aber sehr wohl schwach differenzierbar. Es gilt (wie leicht nachzurechnen ist) f(x)=signx={1,x>0,1,x<0. Eine zweite schwache Ableitung existiert nicht. Auf R{0} gilt 2f(x)=0, allerdings ist die Nullfunktion keine zweite schwache Ableitung da für alle φCc(R) f(x)φ(x)dx=signxφ(x)dx=2φ(0) gilt und dies nicht immer verschwindet.

Beispiel 2.2. Die Existenz höherer schwacher Ableitungen sagt im Allgemeinen nichts über die die Existenz niederer Ableitungen aus. Ein einfaches Beispiel im R2 ist die Funktion f(x1,x2)=signx1+signx2. Die Ableitungen x1f und x2f existieren beide nicht als schwache Ableitungen (siehe obiges Beispiel), trotz allem gilt (1,1)f=x1,x22f=0, da für alle Testfunktionen φCc(R2) f(x1,x2)x1,x22φ(x1,x2)dx1dx2=signx1x1,x22φ(x1,x2)dx2dx1+signx2x1,x22φ(x1,x2)dx1dx2=2x2φ(0,x2)dx22x1φ(x1,0)dx1=0.

Im folgenden benötigen wir noch ein weiteres Hilfsmittel, welches wie das Fundamentallemma aus der Dichtheit stetiger Funktionen in Lp(Rn) folgt. Die analoge Aussage ist für p= falsch. Warum?

Lemma 2.2 ( Stetigkeit im p-Mittel ). Sei fLp(Rn), 1p<. Dann gilt limρ0sup|y|ρ|f(x+y)f(x)|pdx=0.

Proof. Wir zeigen das ganze für p=1, der allgemeine Fall ist analog. Sei ϵ>0. Dann existiert eine stetige Funktion hϵ mit kompaktem Träger in BRϵ(0), so dass |f(x)hϵ(x)|dxϵ/3. Da hϵ sogar gleichmäßig stetig ist, gilt supxsup|y|ρ|hϵ(x+y)hϵ(x)|ω(ρ) mit limρ0ω(ρ)=0. Also gilt limρ0sup|y|ρ|hϵ(x+y)hϵ(x)|dxlimρ0|BRϵ+ρ(0)|ω(ρ)=0. Man kann also ρ so klein wählen, dass sup|y|ρ|hϵ(x+y)hϵ(x)|dxϵ/3. Da ausserdem |f(x+y)hϵ(x+y)|dxϵ/3 gilt, folgt die Behauptung mit der Dreiecksungleichung. ◻

Schwache Ableitungen haben etwas mit der Approximierbarkeit durch glatte Funktionen zu tun. Dies soll im folgenden gezeigt werden. Für jedes eigentliche Teilgebiet Ω gilt die Ungleichung dist(Ω,Ω)>0.

Satz 2.1 ( Approximationssatz für schwache Ableitungen ). Angenommen, fLloc1(Ω) ist schwach differenzierbar bezüglich α. Dann existiert eine Folge fkC(Ω) mit fkf und αfkαf in L1(Ω) für jedes eigentliche Teilgebiet ΩΩ.

Proof.

  1. Sei ψCc(Rn) mit Träger in B1(0), ψ(x)>0 und ψ(x)dx=1. Weiter sei für ρ>0 die Funktion ψρ(x)=ρnψ(x/ρ) definiert. Weiter definieren wir für dist(x,Ω)>ρ f~ρ(x)=Ωψρ(xy)f(y)dy=Ωψρ(y)f(xy)dy. Diese Funktion ist stetig, mit Mρ=maxyψρ(y) gilt |f~ρ(x)f~ρ(x)|Ωψρ(y)|f(xy)f(xy)|dyMρ|y|ρ|f(xy)f(xy)|dy0,xx, als Konsequenz der Stetigkeit im Mittel. Die Funktion ist ebenso beliebig oft differenzierbar da die Ableitungen βf~ρ(x)=Ωxβψρ(xy)f(y)dy=(1)|β|Ωyβψρ(xy)f(y)dy mit gleicher Argumentation als stetig erkannt werden.

    Sei weiter χρC(Ω) mit Träger in dist(x,Ω)>ρ und χρ(x)=1 für dist(x,Ω)>2ρ. Dann ist fρ(x)=χρ(x)f~ρ(x) durch Null zu einer glatten Funktion auf Ω fortsetzbar.

  2. Wir zeigen, dass für jedes eigentliche Teilgebiet Ω fρf|L1(Ω)0 für ρ0 gilt. Für ρ klein genug, ist fρ durch obiges Integral definiert. Es ist also zu zeigen, dass Ω|Ωψρ(y)f(xy)dyf(x)|dx gegen Null strebt. Nutzt man ψρ(y)dy=1, so ist dies äquivalent zu Ω|Ωψρ(y)(f(xy)f(x))dy|dxΩBρ(0)ψρ(y)|f(xy)f(x)|dydxMρsup|y|ρ|f(xy)f(x)|dx0,ρ0, unter Ausnutzung der Stetigkeit im Mittel.

  3. In einem letzten Schritt zeigen wir die Konvergenz der Ableitungen. Da wir f als schwach differenzierbar vorausgesetzt haben, gilt gα=αfLloc1(Ω). Weiterhin ist nach Definition der schwachen Ableitung und für xΩ, ρ klein, αfρ(x)=(1)|α|Ωyαψρ(xy)f(y)dy=Ωψρ(xy)gα(y)dy. Damit kann man aber Schritt 2 des Beweises anwenden und die Behauptung folgt.

 ◻

Die genutzte Argumentation geht auf Kurt Otto Friedrichs zurück, nach ihm wird das Verfahren Funktionen durch Faltungen mit den ψρ zu approximieren als Friedrichs-Glättung 8 bezeichnet.

Es gilt in gewissem Sinne die Umkehrung des gerade bewiesenen Satzes. Existiert zu gegebenem fLloc1(Ω) eine Folge fkC(Ω), so dass in allen L1(Ω) für eigentliche Teilgebieten ΩΩ die Folge fk gegen f konvergiert und αfk Cauchyfolge ist, so ist f schwach differenzierbar und αf der Grenzwert von αfk.

Damit kann man nun Sobolevräume auf Gebieten definieren.

Definition 2.1. Sei 1p und kN0. Wir definieren den Sobolev-Raum 9 Wk,p(Ω) als Menge aller k-fach schwach differenzierbaren Funktionen in Lp(Ω) mit schwachen Ableitungen in Lp(Ω), Wk,p(Ω)={fLloc1(Ω):αN0n,|α|kαfLp(Ω)}, versehen mit der Norm f|Wk,p(Ω)=(|α|kαfpp)1/p für p< und entsprechend f|Wk,(Ω)=max|α|kαf.

Die so definierten Räume sind Funktionenräume im Sinne der Einleitung, wobei man Lloc1(Ω) als ‘Raum aller Funktionen’ verwenden kann. Die Einbettungen Wk,p(Ω)Lp(Ω)Lloc1(Ω) sind alle stetig

Satz 2.2. Für jedes Gebiet Ω, alle 1p und alle kN ist Wk,p(Ω) ein Banachraum. Für p=2 handelt es sich um einen Hilbertraum mit Innenprodukt (f,g)Wk,2(Ω)=|α|kΩαf(x)αg(x)dx.

Proof. Die Normeigenschaften der angebenen Norm sind einfach nachzurechnen, zu zeigen wäre die Vollständigkeit. Sei dazu fiWk,p(Ω) eine Cauchyfolge. Dann sind αfi für |α|k Cauchyfolgen in Lp(Ω) und wegen der Hölder-Abschätzung g|L1(Ω)Ω1/qg|Lp(Ω),1p+1q=1, auch in jedem L1(Ω), ΩΩ eigentlich. Damit ist aber f schwach differenzierbar bezüglich aller α, |α|k; für alle φCc(Ω) gilt fi(x)αφ(x)dx=(1)|α|αfi(x)φ(x)dxf(x)αφ(x)dx=(1)|α|αf(x)φ(x)dx. Da die Lp(Ω) vollständig sind liegt die Grenzfunktion in Wk,p(Ω).

Für p=2 erzeugt das angegebene Skalarprodukt die Norm, es handelt sich also um einen Hilbertraum. ◻

Wir beschließen mit dem ersten Hauptsatz. Er liefert ein Approximationsresultat für Funktionen aus Sobolevräumen, welches wesentlich über das vorher bewiesene Lloc1-Resultat hinausgeht. Überraschend ist, dass man nichts über das Gebiet Ω voraussetzen muss.

Satz 2.3 ( Approximationssatz von Meyers und Serrin 10). Sei 1p< und kN. Dann existiert zu jedem fWk,p(Ω) eine Folge von Funktionen fiWk,p(Ω)C(Ω) mit limiffi|Wk,p(Ω)=0.

Proof. Für iN sei Ωi={xΩ:dist(x,Ω)>1/i,|x|<i}. Dann sind die Ωi offen und beschränkt und es gilt iΩi=Ω. Weiterhin sei Ui=Ωi+2(Ωi1)c, Ω0=Ω1= eine Überdeckung von Ω durch Streifen. Hilfsaussage: Damit existieren Abschneidefunktionen χiCc(Ui) mit χi0 und iχi(x)=1 in Ω.

Sei nun fWk,p(Ω) gegeben. Dann hat f~i=χifWk,p(Ω) kompakten Träger in Ui. Damit konvergiert aber ψρf~i gegen f~i in Wk,p(Ω). Analog zum Beweis der Lloc1-Approximationseigenschaft schwacher Ableitungen ergibt sich ψραf~i(x)αf~i(x)=Ωψρ(y)(αf~i(xy)αf~i(x))dy,ψραf~i(x)αf~i(x)psup|y|ραf~i(xy)αf~i(x)p0 als direkte Konsequenz der Stetigkeit im p-Mittel. Also existiert zu jedem ϵ>0 ein ρi, so dass ψρif~if~i|Wk,p(Ω)<2iϵ. Betrachtet man nun die Funktion g(x)=i=1ψρif~i(x), so gilt wegen der lokalen Endlichkeit der Summe gC(Ω) und nach Konstruktion und unter Ausnutzung von i=1f~i=f fg|Wk,p(Ω)i=1f~iψρif~i|Wk,p(Ω)ϵi=12i=ϵ.

Beweis der Hilfsaussage. Zu jedem xUi sei ri(x)=dist(x,Ui). Dann bilden die Kugeln Bx,i=Bri(x)(x) eine Überdeckung von Ui (da alle x enthalten sind) und nach Vereinigung über alle i auch eine von Ω. Sei nun Ki=Ωi+1Ωi. Dann ist Ki kompakt und iKi=Ω. Aufgrund der Kompaktheit existiert eine endliche Teilüberdeckung der {Bx,j:jN,xUj}, die schon Ki überdeckt. Vereinigt man alle so konstruierten endlichen Teilüberdeckungen für alle i, so erhält man eine Folge Bxm,jm von Kugeln. Diese ist lokal endlich und überdeckt Ω. Sei nun χxm,jmCc(Rn) mit Träger gleich Bxm,jm und χxm,jm(x)>0 für xBxm,jm. Dann ist τ(x)=mχxm,jm(x)>0,τC(Ω) da die Summe lokal endlich und jeweils mindestens ein Summand positiv ist und χi(x)=1τ(x)m:jm=iχxm,jm(x) erfüllt alle geforderten Eigenschaften. ◻

In Sobolevräumen gilt die Produktregel für schwache Ableitungen. Diese folgt direkt aus der Hölderschen Ungleichung in Verbindung mit dem soeben bewiesenen Approximationsresultat.

Korollar 2.2 ( Produktregel für schwache Ableitungen ). Sei fWk,p(Ω) und gWk,q(Ω). Dann ist das Produkt fgWk,r(Ω) für 0<1r=1p+1q1 und es gilt für |α|k α(fg)=βα(αβ)(αβf)(βg) fast überall in Ω.

Proof. Wir unterscheiden zwei Fälle. Sei zuerst p,q<. Dann kann sowohl f als auch g durch eine Folge fi,gi von glatten Funktionen im entsprechenden Sobolevraum approximiert werden und die Formel gilt für alle Approximanten. Mit Hölder gilt darüberhinaus α(figi)rβα(αβ)αβfipβgiq und somit figi|Wk,r(Ω)Ck,p,q,nfi|Wk,p(Ω)gi|Wk,q(Ω). Insbesondere konvergiert α(figi) in Lr(Ω) für i gegen α(fg) und die Behauptung folgt.

Ist nun p< und q=, so kann man diese Methode nicht nutzen und darf nur eine der Funktionen approximieren. Dies reicht, wir zeigen die Aussage nur für eine partielle Ableitung und verzichten auf das Induktionsargument zum Beweis der allgemeinen Produktformel. Sei dazu |α|=1 und fi eine Folge glatter Funktionen die f in Wk,p approximiert. Dann gilt für alle φCc(Ω) Ωα(fig)(x)φ(x)dx=Ωfi(x)g(x)αφ(x)dx=Ωg(x)(α(fiφ)(x)(αfi(x))φ(x))dx=Ω(fi(x)αg(x)+(αfi(x))g(x))φ(x)dx und damit α(fi(x)g(x))=(αfi(x))g(x)+fi(x)αg(x), |α|=1. Per Induktion folgt die allgemeine Produktformel und Grenzwertbildung für i zeigt die gesuchte Aussage. ◻

2.2 Sobolev-Räume auf dem Rn

Im folgenden soll der Spezialfall Ω=Rn betrachtet werden. Für diesen gilt eine einfacher zu beweisende und stärkere Approximationsaussage.

Satz 2.4. Die Menge Cc(Rn) ist dicht in Wk,p(Rn) für alle kN und 1p<.

Proof. Sei fWk,p(Rn). Wir definieren wiederum fρ(x)=Rnψρ(xy)f(y)dy. Dann ist (in Analogie zum Beweis des Approximationssatzes auf Seite ) fρWk,p(Rn)C(Rn) und es gilt fρf in Wk,p(Rn) für ρ0.

Hat f kompakten Träger, so auch fρ und die Aussage folgt. Deshalb zeigen wir in einem zweiten Schritt, dass sich alle Funktionen aus Wk,p(Rn) durch solche mit kompaktem Träger approximieren lassen. Sei dazu χR(x)=χ(x/R) mit χCc(Rn), χ(x)=1 für |x|1. Wir betrachten nun zu gegebenem fWk,p(Rn) die Funktionen f(R)(x)=χR(x)f(x). Dann gilt mit dem Satz über die majorisierte Konvergenz mit c|f(x)|p als Majorante limRff(R)pp=limR|(1χR(x))f(x)|pdx=0, entsprechend für die endlich vielen schwachen Ableitungen und unter Ausnutzung der Produktregel für schwache Ableitungen und der Minkowskiungleichung limRαfαf(R)plimR(|(1χR(x))αf(x)|pdx)1/p+β<α(αβ)limR(|αβχR(x)βf(x)|pdx)1/p=0, wobei zur Berechnung des Limes der Satz über die majorisierte Konvergenz mit den Majoranten c|βf(x)|p genutzt wurde. ◻

Insbesondere ist auch der Schwartzraum S(Rn) dicht in Wk,p(Rn) für alle k und 1p<.

2.2.1 Fouriercharakterisierung des Wk,2(Rn)

Im folgenden wollen wir den Satz von Plancherel ausnutzen, um den Raum Wk,2(Rn) charakterisieren. Dazu benötigen wir vorerst eine Beschreibung schwacher Ableitungen.

Lemma 2.3. Sei fWk,2(Rn) und |α|k. Dann gilt für Fouriertransformierte der Ableitung αf^(ξ)=(iξ)αf^(ξ).

Proof. Es genügt, die Aussage für fS(Rn) zu zeigen und obiges Dichtheitsresultat zu nutzen.

Sei also fiS(Rn) eine Folge von Schwartzfunktionen die in Wk,2(Rn) gegen f konvergiert. Dann gilt αfi^(ξ)=(2π)n/2eixξαfi(x)dx=(1)|α|(2π)n/2(xαeixξ)fi(x)dx=(iξ)αf^i(ξ). Mit Plancherel folgt nun fi2=f^i2 und αfi2=(iξ)αf^i2 und somit αf^=limiαfi^=limi(iξ)αf^i=(iξ)αf^ mit Grenzwerten jeweils im L2(Rn). ◻

Insbesondere ist |ξ||α|f^(ξ) immer im L2(Rn) für fWk,2(Rn) und |α|k.

Satz 2.5 ( Fouriercharakterisierung ). Der Raum Wk,2(Rn) besitzt die äquivalente Norm f2,k=(Rn(1+|ξ|2)k|f^(ξ)|2dξ)1/2.

Proof. Wegen Plancherel und obigem Lemma gilt f|Wk,2(Rn)2=|α|kRn|ξαf^(ξ)|2dξ und die Behauptung folgt direkt aus c(1+|ξ|2)k|α|k|ξα|2C(1+|ξ|2)k für geeignete Konstanten c,C>0. ◻

Oft nutzt man die Bezeichnung ξ=(1+|ξ|2)1/2, um die Schreibweise noch etwas abzukürzen.

Der gerade bewiesene Satz impliziert ein Darstellungsresultat für Sobolevfunktionen aus Wk,2(Rn). Mit der Dichtheit der Schwartz-Funktion S(Rn) ergibt sich

Korollar 2.3. fWk,2(Rn) genau dann, wenn g(ξ)=ξkf^(ξ)L2(Rn).

Proof. Wenn fWk,2(Rn) ist, folgt aus dem vorigen Satz sofort gL2(Rn). Sei nun giS(Rn) eine Folge von Schwartz-Funktionen, die gegen g in L2(Rn) konvergiert. Dann ist f^i(ξ)=ξkgi(ξ) ebenso Schwartz (warum?) und fi=F1[f^i] eine Folge von Schwartz-Funktionen die nach obigem Satz in Wk,2(Rn) konvergiert. Also gibt es ein zugehöriges f aus dem Sobolevraum. ◻

Ein solcher Satz ist praktisch um Aussagen über Sobolevfunktionen zu beweisen. Wir geben vorerst nur ein Beispiel einer solchen Aussage an, schwache Differenzierbarkeit impliziert Stetigkeit.

Korollar 2.4 ( Sobolevscher Einbettungssatz ). Sei k>n2. Dann ist jede Funktion fWk,2(Rn) stetig, strebt für |x| gegen Null und erfüllt fCk,nf2,k mit einer Konstanten Ck,n die von k und n abhängt.

Proof. Wir nutzen die Notation aus vorigem Korollar. Es ist f^(ξ)=ξkg(ξ) mit f2,k=g2. Für k>n2 ist nun ξk eine L2-Funktion und mit Ck,n=(2π)n/2ξk2=(2π)n/2(Rn(1+|ξ|2)kdξ)1/2 gilt somit als Konsequenz der Hölderschen Ungleichung f(2π)n/2f^1Ck,ng2=Ck,nf2,k. Stetigkeit und Abfallen der Funktion f ergibt sich nun direkt aus der Dichtheit von Cc(Rn) in W2,k(Rn). ◻

2.2.2 Fouriercharakterisierung der Wk,p(Rn) für 1<p<

Wir wollen den Spezialfall p=2 zum Anlass nehmen, eine allgemeinere Fouriercharakterisierung abzuleiten. Zum Beweis benötigen wir ein Resultat, auf welches wir in Kapitel 4 zurückkommen werden. Es ist tiefliegend und wird später bewiesen.

Satz 2.6 ( Hörmander–Mikhlin 11). Sei m(ξ)Cr(Rn{0}), r>n2, und gelte |αm(ξ)|C|ξ||α| für |α|<n2+1. Sei weiter Tmf(x)=(2π)nei(xy)ξm(ξ)f(y)dydξ für Schwartz-Funktionen fS(Rn) definiert. Dann gibt es für 1<p< eine Konstante Cp,n die von p und n abhängt, so dass TmfpCp,nfp gilt.

Die Aussage ist falsch für p=1 und p=. Sie gilt schon nicht für p=1 und m(ξ)=sign(ξ) (die Hilberttransformation 12). Dieses Beispiel wird uns in Kapitel 3 noch einmal begegnen.

Speziell für m(ξ)=ξk bezeichnen wir den Operator Tm als Gk. Die Familie der Gk wird als die der Bessel-Potential e13 bezeichnet. Sie erfüllen Gk+k=GkGk. Weiterhin gilt für den Laplace-Operator Δ=jj2 und alle Schwartzfunktionen f die Beziehung (1Δ)G2f=f.

Wir beweisen nun folgende Charakterisierung.

Satz 2.7 ( Calderon 14). Sei 1<p<. Dann gilt fWk,p(Rn) genau dann, wenn f=Gkg für ein gLp(Rn) gilt. Das g ist eindeutig bestimmt und durch fp,k:=gp wird eine äquivalente Norm auf Wk,p(Rn) definiert.

Proof. Sei gLp(Rn) gegeben, wir zeigen dass Gkg zum Sobolevraum Wk,p(Rn) gehört. Sei dazu gi eine Folge von Schwartz-Funktionen die in Lp gegen g konvergiert und sei weiter |α|k. Dann gilt αGkgi(x)=Fξx1[(iξ)αξkg^i(ξ)] und mα(ξ)=(iξ)αξk erfüllt für |α|k die Voraussetzungen des Multiplikatorensatzes von Hörmander–Mikhlin. Also gibt es eine Konstante C mit αGkgipCgip,|α|k und somit auch Gkgi|Wk,p(Rn)Cgip. Also konvergiert Gkgi gegen eine Sobolevfunktion fWk,p(Rn).

Sei nun fWk,p(Rn). Wir approximieren f durch eine Folge fi von Schwartzfunktionen in der Wk,p(Rn)-Norm und wählen giS(Rn), so dass g^i(ξ)=ξkf^i(ξ). Wir müssen zeigen, dass gi in Lp(Rn) konvergiert, also insbesondere die Lp-Norm von gi durch die Sobolevnorm der fi abgeschätzt werden werden kann. Dazu nutzen wir m(ξ)=ξk(1+i|α|=kξα)C und stellen als erstes fest, dass m(ξ) keine Nullstellen besitzt und m(ξ) sowie seine Inverse 1m(ξ) die Voraussetzungen des Multiplikatorensatzes erfüllen. Also folgt T1mTmgipC~Tmgip=C~fi+i1k|α|=kαfipC~fi|Wk,p(Rn). Somit konvergiert gi und liefert die gesuchte Lp-Funktion.

Die obige Rechnung liefert insbesondere die Äquivalenz der Normen, beide dazu benötigte Abschätzungen wurden bewiesen. ◻

Die Voraussetzung 1<p< des Satzes ist notwendig. Die entsprechenden Aussagen sind sowohl für p=1 als auch für p= falsch.

Wir nutzen die soeben gegebene Charakterisierung, um Sobolevräume Wk,p(Rn) für k>0 reell und 1<p< zu definieren. Für p=1 beziehungsweise für p= definieren wir keine Sobolevräume mit nichtganzzahligen Exponenten.

Wir können sogar noch allgemeiner vorgehen, und Sobolevräume mit negativer Glattheit durch Ws,p(Rn)={fS(Rn):gLp(Rn)ξsf^(ξ)=g^(ξ)} für 1<p< und sR definieren. Für diese ist S(Rn) jeweils dichte Teilmenge und die Norm für Schwartzfunktionen fS(Rn) durch fp,s=gp=ξsf^|FLp(Rn),f|FLp(Rn)=Ff|Lp(Rn), gegeben. Alle so definierten Räume sind Funktionenräume in unserem Sinne.

2.2.3 Besselpotentiale und der Sobolevsche Einbettungssatz

Der Operator Gk kann als Faltung geschrieben werden. Es existiert also eine Funktion Gk, so dass Gkf=Gkf gilt. Im folgenden kann ausgenutzt werden, dass die Funktion Gk explizit angegeben werden kann. Wir verzichten auf das explizite und beweisen die wichtigen Eigenschaften direkt.

Lemma 2.4 ( Eigenschaften der Besselpotentiale ). Sei k>0 beliebig reell. Dann existiert eine Funktion GkL1(Rn) mit Gk^(ξ)=(2π)n/2ξk. Die Funktion Gk erfüllt

  1. GkC(Rn{0}) und Gk ist rotationssymmetrisch.

  2. Gk(x)CN|x|N für |x|1 und alle N.

  3. Für k>n ist Gk(x) stetig.

  4. Für k<n gilt Gk(x)γk,n|x|knfu¨|x|0.

  5. Für k=n gilt Gn(x)γ~nlog|x|fu¨|x|0.

Proof. Wir konstruieren nicht Gk direkt, sondern regularisieren Gk durch Faltung und berechnen die regularisierten Funktionen. Dies führt auf Gk(x)=limϵ0(2π)neixξξkχ(ϵξ)dξ mit χCc(Rn), χ(ξ)=1 für |ξ|1/2. Wir zeigen, dass der Grenzwert punktweise für x0 existiert und die erhaltene Funktion alle Eigenschaften erfüllt. Aus GkL1(Rn) folgt die Aussage über die Fouriertransformierte. Mit χ~=F1χ und χ~ϵ(x)=ϵnχ~(x/ϵ) gilt Gk^(ξ)=limϵ0Gkχ~ϵ^(ξ)=limϵ0ξkχ(ϵξ)=ξk unter Ausnutzung der L1L Stetigkeit der Fouriertransformation und der Fourierschen Inversionsformel.

Integrale der obigen Bauart werden als oszillierende Integrale bezeichnet. Die nachfolgenden Rechnungen sind typisch zum Behandeln solcher Ausdrücke. Für alle ϵ>0 und x0 kann man partiell integrieren und erhält wegen Δξeixξ=|x|2eixξ für alle N0 eixξξkχ(ϵξ)dξ=|x|2((Δξ)eixξ)ξkχ(ϵξ)dξ=|x|2eixξ((Δξ)ξkχ(ϵξ))dξ. Der letzte Integrand kann durch |Δξξkχ(ϵξ)|Cξk2 abgeschätzt werden. Für k+2>n liefert dies eine integrierbare Majorante und erlaubt die Berechnung des Grenzwertes für ϵ0 mittels majorisierter Konvergenz. Insbesondere ergibt sich direkt die Abschätzung 2. Für groß genug können Ableitung nach x und Integration vertauscht werden, woraus sich direkt 1 ergibt. Aussage 3 kennen wir schon.

Für Aussagen 4 und 5 benötigen wir eine genauere Analyse. Wir schreiben ξk als Summe |ξ|k+c1|ξ|k1+(+cnk(1χ(ξ))|ξ|n)+O(|ξ|n1). Das Restglied gehört zu L1(Rn), alle zu Lloc1(Rn). Das Restglied liefert somit direkt eine stetige Funktion nach Fouriertransformation. Die vorherigen sind zu berechnen. Nun gilt für Ik(x)=limϵ0(2π)neixξ|ξ|kχ(ϵξ)dξ offenbar Ik(δx)=limϵ0(2π)neiδxξ|ξ|kχ(ϵξ)dξ=δknlimϵ0(2π)neixξ|ξ|kχ(ϵξ)dξ=δknIk(x) vermittels der Substitution ξδξ, was zusammen mit der offensichtlichen Rotationssymmetrie auf Ik(x)=γk,n|x|kn führt. Die anderen Terme (bis eventuell auf den vorletzten) sind analog. Es bleibt also I~n(x)=limϵ0(2π)n(1χ(ξ))eixξ|ξ|nχ(ϵξ)dξ zu betrachten. Hier gilt entsprechend I~n(δx)=limϵ0(2π)n(1χ(ξ/δ))eixξ|ξ|nχ(ϵξ)dξ=I~n(x)+limϵ0(2π)n(χ(ξ)χ(ξ/δ))eixξ|ξ|nχ(ϵδ1ξ)dξ=I~n(x)+(2π)n(χ(ξ)χ(ξ/δ))eixξ|ξ|ndξ. Für x0 strebt das verbleibende Integral gegen eine Konstante γ~nlogδ+d. Wir wissen also für kleine x I~n(δx)=I~n(x)+γ~nlogδ+d+o(1), was zusammen mit der Rotationssymmetrie auf I~n(x)γ~nlog|x| führt. ◻

Korollar 2.5. Es gilt GkLp(Rn) genau dann, wenn k>nnp gilt.

Wir kommen zu einem weiteren Hauptresultat, dem Sobolevschen Einbettungssatz. Die Fälle mit p=1 benötigen eine leichte Modifikation, da wir für diese nur Räume ganzzahliger Glattheitsordnung definiert haben. Wir beginnen mit den einfachen Fällen, diese ergeben sich direkt aus der Faltungsdarstellung von Sobolev-Funktionen

Korollar 2.6 ( Sobolevscher Einbettungssatz ). Sei 1<p< und k>0.

  1. Sei kpn und pq<npnpk. Dann gilt Wk,p(Rn)Lq(Rn).

  2. Sei kp>n. Dann gilt Wk,p(Rn)L(Rn)C(Rn).

Proof. Beide Aussagen folgen direkt aus GkLp(Rn) für k>nnp verbunden mit der Youngschen Ungleichung für Faltungen15 fgrfpgq1r=1p+1q1. Ist kp<n, so ist k<n und GkLr(Rn) für r<nnk. Mit Youngscher Ungleichung folgt daraus aber für jedes f=GkgWk,p(Rn) die Abschätzung fqgpGkr=fp,kGkr,1q=1p+1r1>1p+nkn1=nkpnp. Für kp>n ist GkLq(Rn) mit 1p+1q=1 und somit gilt für jedes f=GkgWk,p(Rn) sofort fgpGkq=fp,kGkq und die Dichtheit der Cc-Funktionen impliziert Stetigkeit und Abfallen von f.

Beweis der Hilfsaussage: ( Young-Ungleichung ) Wir beschränken uns auf den Fall r<, der Fall r= war Übungsaufgabe. Sei also fLp(Rn) und gLq(Rn) und r wie oben. Dann gilt wegen rpr+pr=1=rppr+1r+rqqr unter mehrfacher Ausnutzung der Hölderschen Ungleichung |f(xy)g(y)|dy=|f(xy)|rpr|f(xy)|pr|g(y)|qr|g(y)|rqrdy=(|f(xy)|pdy)rprp(|f(xy)|p|g(y)|qdy)1r(|g(y)|qdy)rqrq und damit (|f(xy)g(y)|dy)rdxfprpgqrq|f(xy)|p|g(y)|qdydx=fprpgqrqfppgqq=fprgqr. ◻

Es verbleiben die scharfen Grenzfälle. Diese bilden den eigentlichen Sobolevschen Einbettungssatz. Wir zeigen hier eine einfachere Fassung, zu einer Funktion fLloc1(Rn) definieren wir die Verteilungsfunktion

μf(λ)={xRn:|f(x)|>λ}. als Maß der Menge großer Funktionswerte. Offenbar gilt dann f1=0μf(λ)dλ und entsprechend mit einer Substitution für 1p<. fpp=0μf(λ1/p)dλ=p0λpμf(λ)dλλ. Man kann auch aus der p-Norm die Verteilungsfunktion abschätzen. Es gilt fpp=|f(x)|pdx{|f(x)|>λ}|f(x)|pdxλpμf(λ), also insbesondere μf(λ)λpfpp. Dies kann man leicht abschwächen. Wir sagen, eine Funktion sei schwach Lp, falls [f]p,p=supλ>0λpμf(λ)< gilt. Im folgenden bezeichne Lp,(Rn) die Menge der schwachen Lp-Funktionen.

Achtung: Die linke Seite in [eq:weakLP] definiert keine Norm auf dieser Menge. Es gilt allerdings [f+g]p,2([f]p,+[g]p,). Schwache Lp-Räume sind Spezialfälle sogenannter Lorentz-Räume 16 Lp,q(Rn) definiert durch die Bedingungen p,q=(0λqμf(λ)q/pdλλ)1/q<. In dieser Notation gilt Lp(Rn)=Lp,p(Rn).

Satz 2.8 ( Sobolevscher Einbettungssatz ). Sei 1<p< und k>0 mit kp<n. Dann gilt Wk,p(Rn)Lp,(Rn) für p=npnpk.

Proof. Sei fWk,p(Rn). Dann gilt f=Gkg für ein gLp(Rn). Sei r>0 ein noch zu wählender Parameter. Dann gilt wegen der Rotationssymmetrie von Gk und dessen bekannten Abschätzungen mit p dual zu p für r<1 |y|>rGk(y)|g(xy)|dyCgp(rGk(ρ)pρn1dρ)1/pCgp(r2ρ(kn)pp1ρn1dρ)p1pCgprkn/p. Wir wählen r in Abhängigkeit von λ so, dass die letzte Zeile =λ/2 gilt. Damit impliziert aber λ<|f(x)||y|>rGk(y)|g(xy)|dy+|y|<rGk(y)|g(xy)|dy schon fr(x)=|y|<rGk(y)|g(xy)|dy>λ2 und wir erhalten wegen Gk1Br1C0rρkn+n1dρCrk somit die Behauptung μf(λ)μfr(λ/2)C(λ/2)pfrppC(λ/2)pGk1Br1pgppCλprkpgppCλnpnkpgpp ◻

Mit dem Interpolationssatz von Marcinkiewicz (siehe Kapitel 4) ergibt sich daraus sogar Wk,p(Rn)Lp(Rn), diese Aussage werden wir später noch beweisen.

2.3 Sobolev-Räume auf Gebieten

2.3.1 Lokale Einbettungssätze

Nun wollen wir zu Räumen auf Gebieten zurückkehren. Die erste Aussage betrifft eine Form der Gebietsmonotonie , es gilt für ΩΩ Wk,p(Ω)Wk,p(Ω) das heißt, f|Wk,p(Ω)f|Wk,p(Ω) für alle fLloc1(Ω).

Ist ΩΩ eigentliches Teilgebiet (also präkompakt als Teilmenge von Ω), so gilt sogar etwas mehr.

Satz 2.9 ( Lokaler Einbettungssatz ). Sei 1<p< und kN. Sei weiter ΩΩ eigentlich. Dann gelten die folgenden Einbettungsrelationen zusammen mit entsprechenden Normabschätzungen.

  1. Wk,p(Ω)W,q(Ω) für alle 1qp und k.

  2. Wk,p(Ω)Lq(Ω) falls pq<p=np/(nkp) und kpn.

  3. Wk,p(Ω)Cb(Ω) für kp>n.

Insbesondere sind alle Funktionen aus Wk,p(Ω) mit kp>n stetig.

Proof. Die erste Aussage folgt direkt mit Hölder, es gilt αf|Lq(Ω)Ω1q1pαf|Lp(Ω) für fWk,p(Ω) und |α|k. Für die beiden verbleibenden Aussagen sei χCc(Ω) mit χ(x)=1 für alle xΩ gewählt. Dann ist χfWk,p(Ω) mit χf(x)=f(x) in Ω und es gilt (trivial mit Null ausserhalb Ω fortgesetzt) χfWk,p(Rn). Damit ist aber der Sobolevsche Einbettungssatz anwendbar und liefert f|Lq(Ω)χfqCp,k,nχfp,kCp,k,nχf|Wk,p(Ω)Cp,k,nf|Wk,p(Ω) für kpn und entsprechend f|L(Ω)Cp,k,nf|Wk,p(Ω) für kp>n. ◻

Ist das Gebiet Ω beschränkt, so gilt die erste Aussage auch für das gesamte Gebiet.

Lemma 2.5. Sei Ω beschränkt. Dann gilt Wk,p(Ω)W,q(Ω) für 1qp und k.

Globale Einbettungen (in Räume auf dem Gebiet Ω) benötigen stärkere Voraussetzungen an das Gebiet. Allerdings kann man einfache globale Aussagen auf einem Teilraum des Wk,p(Ω) erzielen. Dazu definieren wir W0k,p(Ω)=Cc(Ω)Wk,p(Ω) als den Abschluß der Cc(Ω) Funktionen im Wk,p(Ω). Da für fCc(Ω) offenbar f|Wk,p(Ω)=f|Wk,p(Rn) gilt, ist jede Funktion aus W0k,p(Ω) durch Null auf ganz Rn fortsetzbar und die (ebenso bezeichnete Fortsetzung) erfüllt f|Wk,p(Rn)=f|Wk,p(Ω)fW0k,p(Ω). Damit kann man wiederum den Sobolevschen Einbettungssatz anwenden und erhält analog zum obigen Beweis

Satz 2.10 ( Einbettungssatz f"ur W0k,p(Ω) ). Sei 1<p< und kN. Dann gilt

  1. W0k,p(Ω)Lq(Ω) falls pq<p=np/(nkp) und kpn;

  2. sowie W0k,p(Ω)C0(Ω)={fC(Ω):f(x)=0,xΩ,undlim|x|f(x)=0} für kp>n.

Eine kurze Schlussbemerkung. Es ist einfach zu sehen, dass ein entsprechendes Resultat für Wk,p(Ω) anstatt W0k,p(Ω) im allgemeinen falsch sein muss. Dazu betrachte man ein ebenes Gebiet mit einer Spitze , Ωα={(x1,x2):0<x1<1,|x2|<x11+α} für α>0 und die Funktion f(x)=x1β für ein β>0. Diese gehört zu Lp(Ωα) falls 01x1pβ+α+1dx1=x1pβ+α+2|01< ist, also falls pβ<2+α. Sie gehört zu Wk,p(Ωα) falls sogar pβp(β+k)<2+α erfüllt ist. Für jedes p und k finden wir α,β>0, so dass dies gilt. Die Funktion ist aber nicht beschränkt. Hat das Gebiet nur eine Ecke und keine Spitze, gilt also α=0, so muss für obige Konstruktion pk<2pβ<2 gelten, was wiederum zum Sobolevschen Einbettungssatz passt.

2.3.2 Approximierbarkeit bis zum Rand

Wir wissen, dass für jedes Gebiet Ω die Menge C(Ω)Wk,p(Ω) in Wk,p(Ω) dicht ist. Die approximierenden glatten Funktionen können dabei allerdings am Rand singulär sein (und sind es für allgemeine Gebiete auch). Wir wollen nun der Frage nachgehen, wann die bis zum Rand glatten Funktionen C(Ω) dicht in Wk,p(Ω) sind. Dazu muss man Voraussetzungen an das Gebiet beziehungsweise an den Rand des Gebietes stellen.

Wir betrachten zuerst Gebiete, die als Epigraph einer stetigen Funktion dargestellt werden können.

Lemma 2.6. Sei h:Rn1R stetig und Ω={x=(x,xn)Rn:xn>h(x)}. Dann ist für alle 1p< und kN die Menge Wk,p(Ω)C(Ω) dicht in Wk,p(Ω).

Proof. Sei ϵ>0 und fWk,p(Ω). Dann existiert nach dem Satz von Meyers und Serrin eine Funktion fϵWk,p(Ω)C(Ω) mit ffϵ|Wk,p(Ω)ϵ/2. Wir betrachten nun die Translate fϵ,τ(x)=fϵ(x,xn+τ), also die um τ in xn-Richtung verschobenen Funktionen. Dann gilt mit Ωτ={xn>h(x)+τ} fϵ,τ|Wk,p(Ω)=fϵ|Wk,p(Ωτ)fϵ|Wk,p(Ω) und unter Ausnutzung der Stetigkeit im p-Mittel αfϵαfϵ,τpp=Ω|αf(x)αf(x+τen)|pdx0 für |α|k. Also kann man τ so klein wählen, dass fϵfϵ,τ|Wk,p(Ω)<ϵ/2 und somit ffϵ,τ|Wk,p(Ω)ϵ gilt. Nach Konstruktion ist die Funktion fϵ,τ aber auf ΩΩτ glatt. ◻

Wir sagen, ein Gebiet Ω ist lokal ein (Epi-)Graph, falls es zu jedem Randpunkt xΩ eine Umgebung xUxRn, eine Rotation RSO(n) und eine stetige Funktion h:Rn1R gibt, so dass UxΩ=Ux{x=Ry:h(y)<yn mit y=(y,yn)} gilt. Die Umgebungen Ux können dabei in den y-Koordinaten offenbar als Zylinder gewählt werden, Ux=R(B×I) für BRn1 offen und I offenes Intervall.

Weiterhin sei die Menge der glatten Funktionen mit kompaktem Träger im Abschluss Ω durch Cc(Ω)={f|Ω:fCc(Rn)} bezeichnet. Dann gilt folgender Satz.

Satz 2.11 ( Approximierbarkeit bis zum Rand ). Erfülle Ω die lokale Graphenbedingung. Dann ist Cc(Ω) dicht in Wk,p(Ω) für alle 1p< und kN.

Proof. Sei χCc(Rn) mit χ(x)=1 für |x|1 und χ(x)=0 für |x|>2. Dann gilt für fR(x)=f(x)χ(x/R) offenbar fRWk,p(Ω) und fRf in Wk,p(Ω) für R. Also findet man zu ϵ>0 ein R mit ffR|Wk,p(Ω)<ϵ/2 und es genügt dieses fR durch eine glatte Funktion zu approximieren.

Die Menge B2R(0)Ω ist relativ kompakt im Rn. Damit findet man eine endliche Überdeckung durch offene Teilmengen Uj, die entweder ganz im Inneren des Gebiets liegen oder auf denen (nach Rotation) das Gebiet als Epigraph einer Funktion geschrieben werden kann. Wir nehmen an, dass die den Rand schneidenden Mengen zylindrisch sind. Sei weiter ψjC(Rn) eine untergeordnete Partition, j=1Nψj(x)=χ(x/R) und fR,j(x)=f(x)ψj(x). Es genügt zu zeigen, dass jede dieser endlich vielen Funktionen durch entsprechende glatte Funktionen approximiert werden kann. Für die ganz im Innern liegenden offenen Mengen ist das klar, es existiert ein glattes f~R,jCc(Ω) mit fR,jf~R,j|Wk,p(Ω)<ϵ2N. Am Rand nutzt man das vorige Lemma. Wir finden also eine glatte Funktion f~R,j mit derselben Abschätzung, allerdings in der Sobolevnorm auf dem Hypergraphengebiet. Da fR,j kompakten Träger in Uj besitzt, kann f~R,j auch mit Träger in Uj gewählt werden und die Norm entspricht der Sobolevnorm im Gebiet.17

Damit liefert die Dreiecksungleichung fj=1Nf~R,jffR+j=1NfR,jf~R,j<ϵ und der Satz ist bewiesen. ◻

Nur einige kurze Bemerkungen. Der obige Satz ist auf viele Gebiete anwendbar, es gibt allerdings Gebiete die die Voraussetzungen nicht erfüllen. Zum Einen sind dies Gebiete mit internen Rändern, wie {(x1,x2)R2:x12+x22<1}((0,1)×{0}), für die die Aussage offenbar auch falsch ist. Hier kann der Satz gerettet werden, indem man den internen Rand doppelt zählt. Problematischer sind Gebiete mit kompliziert geformten Spitzen.

2.3.3 Fortsetzungssätze

Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, für welche Gebiete sich Funktionen fWk,p(Ω) zu Funktionen fextWk,p(Rn) fortsetzen lassen. Eine solche Fortsetzung ist offenbar nicht eindeutig, ihre Existenz impliziert aber sofort einen globalen Einbettungssatz. Wir sagen ein Gebiet Ω sei Wk,p-fortsetzbar, falls es eine Konstante C>1 und zu jedem fWk,p(Ω) ein fextWk,p(Rn) mit fext|Wk,p(Rn)Cf|Wk,p(Ω) gibt.

Satz 2.12 ( Globaler Einbettungssatz ). Angenommen, Ω ist Wk,p-fortsetzbar. Dann gilt für 1<p< und kN0

  1. Wk,p(Ω)Lq(Ω) falls pq<p=np/(nkp) und kpn;

  2. Wk,p(Ω)Cb(Ω)=L(Ω)C(Ω) für kp>n.

Wir beginnen mit einem Spezialfall, dem Halbraum Ω=R+n={x=(x,xn)Rn:xn>0}. Sei nun fWk,p(R+n). Wir konstruieren die Fortsetzung fext durch eine Art Spiegelung und setzen fext(x,xn)=j=1kcjf(x,λjxn) mit noch zu bestimmenden Konstanten cj und λj. Die Formel sollte mindestens für Ck1(R+n)-Funktionen korrekt sein und eine Ck1-Fortsetzung liefern. Dazu müssen die ersten k1 partiellen Ableitungen n stetig sein, es muss also (1)j=1kλjcj=1 für =0,1,,k1 gelten. Die Koeffizientenmatriz dieses linearen Gleichungssystems ist die Vandermonde-Matrix, (111λ1λ2λkλ1k1λ2k1λkk1)(c1c2ck)=(11(1)k1), die Determinante der Matrix gerade ij(λiλj). Damit ist dieses Gleichungssystem ist eindeutig lösbar falls die λj paarweise verschieden sind und bestimmt die Koeffizienten cj.

Lemma 2.7. Der Halbraum R+n ist Wk,p-fortsetzbar und die gerade konstruierte Fortsetzung fext gehört zu Wk,p(Rn).

Proof. Sei fWk,p(R+n) und bezeichne fext(x,xn)=j=1kcjf(x,λjxn) mit den gerade bestimmten Konstanten cj und λj=j. Wir approximieren f durch eine in Wk,p(R+n) konvergente Folge fiCk(R+n)Wk,p(R+n) und betrachten die Folge der Fortsetzungen fi,extCk1(Rn). Diese gehören zu Wk,p(Rn).

Dabei gilt für |α|k αfi,extpαfi|Lp(R+n)+j=1k|cj|λjαn1αfi|Lp(R+n), also insbesondere fi,ext|Wk,p(Rn)Ckfi|Wk,p(R+n). Damit ist die Fortsetzung stetig und fi,ext konvergiert für i gegen die Fortsetzung fext im Wk,p(Rn). ◻

Wir sagen, das Gebiet Ω besitze eine Cm-Rand, falls es lokal der Graph einer Cm-Funktion ist. Solche Gebiete kann man lokal am Rand geradebiegen.

Lemma 2.8. Sei Ω Gebiet mit Cm-Rand. Dann existiert zu jedem xΩ eine Umgebung xUxRn und ein Cm-Diffeomorphismus ΦxCm(Ux;Rn), welcher UxΩ bijektiv auf VR+n für eine offene Menge V abbildet, Φx(x)=0 erfüllt und für den detΦx=1 auf Ux gilt.

Proof. Nach Rotation gilt lokal UxΩ=Ux{x=Ry:yn>h(y)}, es bleibt Φx(x)=(y,ynh(y))R1x für x=Ry zu setzen. ◻

Die auftretenden Diffeomorphismen sind noch zu verstehen. Dazu nutzen wir folgendes Lemma, ein Beweis verbleibt als Übung.

Lemma 2.9. Seien Ω und Ω~ Ck-diffeomorphe Gebiete und sei Φ:ΩΩ~ ein Ck-Diffeomorphismus mit 0<c0|detΦ(x)|C für alle xΩ und supxΩ||αΦ(x)||< fu¨r alle |α|k. Dann erfüllt die Inverse Φ1:Ω~Ω die Abschätzungen supyΩ~||αΦ1(y)||< und es gilt weiterhin 1Cf|Wk,p(Ω~)fΦ|Wk,p(Ω)Cf|Wk,p(Ω~) für alle 1p und kN mit einer entsprechenden Konstanten C>0.

Wir beweisen nur folgende Aussage. Der Beweis ist einfach und konstruktiv, die Voraussetzungen aber viel zu strikt.

Satz 2.13 ( Fortsetzungssatz ). Sei Ω ein beschränktes Gebiet mit Cm-Rand. Dann ist Ω Wk,p-fortsetzbar für alle 1p< und km.

Proof. Wegen der Beschränktheit des Gebietes ist Ω kompakt und es existiert eine endliche Überdeckung des Randes durch offene Mengen, in denen nach Rotation der Rand Graph einer Cm-Funktion ist. Wir wählen eine untergeordnete Partition der Eins und zerlegen fWk,p(Ω) entsprechend. Es genügt damit, jede einzelne dieser Funktionen fortzusetzen.

Dazu betrachten wir ein fWk,p(Ω~) mit kompaktem Träger auf einem Epigraphen Ω~={x:xnh(x)} für hCm. Wir nutzen den Diffeomorphismus des vorletzten Lemmas um Ω~ in R+n zu deformieren und setzen die Bildfunktion entsprechend vom Halbraum fort. Der Träger der Fortsetzung kann wiederum kompakt in der entsprechenden offenen Menge der Überdeckung gewählt werden. Obiges Lemma liefert die Äquivalenz der Normen; nach Zurückdeformieren sind wir also wirklich im Wk,p(Rn) mit ensprechender Normabschätzung und die Summe der Fortsetzungen liefert die gesuchte Funktion. ◻

Und jetzt noch der allgemeine Fall. Wir sagen ein Gebiet ist global Lipschitz , falls es ein ϵ>0 und ein M gibt, so dass für jeden Randpunkt xΩ die Menge Bϵ(x)Ω nach Rotation lokaler Epigraph einer Lipschitzfunktion ist, Bϵ(x)Ω=Bϵ(x){x=Rxy:yn>hx(y)}, wobei RxSO(n) und hx eine Lipschitzfunktion mit Lipschitzkonstanten M |hx(ζ)hx(η)|M|ζη|,ζ,ηRn1. Damit gilt der Steinsche Fortsetzungssatz18 (für einen Beweis siehe , Kapitel VI.3.3.).

Satz 2.14 ( Steinscher Fortsetzungssatz ). Angenommen, das Gebiet Ω ist global Lipschitz. Dann ist Ω Wk,p-fortsetzbar für alle 1p und alle kN.

Es gilt sogar leicht mehr, es existiert ein Fortsetzungsoperator, der für alle in Betracht kommenden Räume funktioniert.

Übersicht über Resultate zu Wk,p(Ω)-Räumen
Aussage Voraussetzungen
an p, k an Ω
dichte C(Ω)Wk,p(Ω) in Wk,p(Ω) 1p< keine
Teilmengen (Meyers und Serrin; 1965)
Cc(Ω) in Wk,p(Ω) 1p< lokaler Graph
Fortsetzung resRnΩWk,p(Rn)=Wk,p(Ω) 1p global Lipschitz
(Stein; 1970)
Einbettung Wk,p(Ω)C0(Ω) kp>n global Lipschitz
Wk,p(Ω)Lq(Ω) pq<p global Lipschitz
p=npnkp
Wk,p(Ω)Lp(,)Ω) 1<p< global Lipschitz
(Sobolev; 1938)

2.4 Sobolev-Slobodeckij-Räume auf Gebieten

2.4.1 Definition

Ein kurzer Exkurs zu Räumen mit nichtganzzahliger Glattheitsordnung. Wir beschränken uns auf den Hilbertraumfall p=2 und starten mit dem schon bekannten Raum Hs(Rn)=Ws,2(Rn)={fS(Rn):fHs2=ξsf^(ξ)22<} für sR. Die Bezeichnung Hs(Rn) hat sich für diesen Raum eingebürgert.

Der Schwartzraum S(Rn) ist dann Teilmenge des Hs(Rn), die Einbettungen S(Rn)Hs(Rn)S(Rn) sind beide stetig. Bezüglich der S-S-Dualität sind Hs(Rn) und Hs(Rn) zueinander dual. Genauer gilt

Lemma 2.10. Sei T(Hs(Rn)) eine stetige Linearform, T:Hs(Rn)C. Dann ist T:S(Rn)C eine temperierte Distribution und diese erfüllt THs(Rn).

Proof. Da die Einbettung S(Rn)Hs(Rn) stetig ist, ist T:S(Rn)Hs(Rn)C stetig und somit eine temperierte Distribution. Bezeichnet man diese wiederum mit T, so bleibt THs(Rn) zu zeigen.

Wir führen diese Aussage auf den Rieszschen Darstellungssatz19 im L2(Rn) zurück. Sei dazu fHs(Rn) und f^(ξ)=ξsf~(ξ) mit dem eindeutig bestimmten f~L2(Rn). Wegen der Isometrie fHs=f~2 ist die Abbildung T~:f~Tf stetig somit existiert nach dem Rieszschen Darstellungssatz im L2(Rn) ein g~, so dass für alle fS(Rn) Tf=T~f~=(f~,g~)L2=f~(ξ)g~(ξ)dξ=ξsf^(ξ)g~(ξ)dξ=F+T,f^=T,f mit T^(ξ)=ξsg~(ξ) gilt. Nach Konstruktion gehört T zu Hs(Rn). ◻

Ausgehend vom Hs(Rn) kann man nun Räume auf Gebieten konstruieren.

Definition 2.2.

  1. Sei FRn abgeschlossen. Dann bezeichne HFs={fHs(Rn):suppfF} die Menge der in F getragenen Distributionen aus dem Raum Hs(Rn).

  2. Sei ΩRn ein Gebiet. Dann bezeichne Hs(Ω)={f|Ω:fHs(Rn)} die Menge der Einschränkungen von Hs-Distributionen auf das Gebiet Ω versehen mit der Norm g|Hs(Ω)=inff:g=f|Ωf|Hs(Rn).

  3. Der Abschluss der Cc(Ω)-Funktion im Hs(Ω) wird als H0s(Ω)=Cc(Ω)Hs(Ω) bezeichnet.

Diese Menge HFs bildet einen linearen Teilraum des Hs(Rn) und ist wegen der stetigen Einbettung Hs(Rn)S(Rn) abgeschlossen. Wir versehen sie mit der induzierten Hilbertraumtopologie. Sei nun Ω ein Gebiet. Dann stimmen für zwei Funktionen f,gHs(Rn) die Einschränkungen f|Ω und g|Ω genau dann überein, wenn wenn ihre Differenz fgHRnΩs erfüllt. Also kann man den Raum Hs(Ω) der Einschränkungen als Quotientenraum Hs(Ω)=Hs(Rn)/HRnΩs(HRnΩs) auffassen. Bezeichnet PFs die Orthogonalprojektion des Hs(Rn) auf den HFs (Orthogonalität bezüglich des Hilbertraums Hs(Rn)), so gilt f|Ω|Hs(Ω)=(1PRnΩs)f|Hs(Rn). Dass das Infimum in der Normdefinition für den Hs(Ω) ist also insbesondere ein Minimum.

Als erstes sollen diese Räume mit den bisher betrachteten in Beziehung gesetzt werden. Sei dazu s=kN. Dann sind die Sobolevinnenprodukte in Hk(Rn) lokal, (f,g)Hk(Rn)=(1+|ξ|2)kf^(ξ)g^(ξ)dξ=j=0k((Δ)jf(x))g(x)dx und es gilt Hk(Ω)Wk,2(Ω),kN, da für gHk(Ω) mit g=f|Ω wegen der Gebietsmonotonie g|Wk,2(Ω)f|Wk,2(Rn)Cf|Hk(Rn) gilt und somit g|Wk,2(Ω)Cg|Hk(Ω) folgt. Ist Ω global Lipschitz, so gilt als Konsequenz des Steinschen Fortsetzungssatzes Hk(Ω)=Wk,2(Ω),kN, da jede Funktion aus Wk,2(Ω) zu einer auf dem gesamten Raum definierten Sobolevfunktion fortgesetzt werden kann. Für Gebiete mit Rändern die keine Lipschitzbedingung erfüllen, enthält der Hk(Ω) weniger Funktionen als der Sobolevraum Wk,2(Ω), man mache sich dies am Beispiel eines Gebiets mit einer Spitze klar.

Die Lokalität des Innenprodukts impliziert weiter, dass für F,GRn abgeschlossen und separiert HFkHkHGk im Hk(Rn) orthogonal sind. Damit ist die Fortsetzung einer Cc(Ω)-Funktion durch Null aber auch die Fortsetzung minimaler Norm und H0k(Ω)=W0k,2(Ω) für alle Gebiete Ω. Hier ist kN0 wesentlich!

Die folgenden Aussagen gelten für beliebige Gebiete.

Lemma 2.11.

  1. Es existiert ein isometrischer Fortsetzungsoperator EΩs:Hs(Ω)Hs(Rn). Zusammen mit der Restriktion resΩ:Hs(Rn)ff|ΩHs(Ω) gilt EΩsresΩ=1PRnΩs,resΩEΩs=1.

  2. Cc(Ω) ist dicht in Hs(Ω) für alle sR.

Proof.

  1. Jede Funktion aus f|ΩHs(Ω) ist Einschränkung einer Funktion fHs(Rn). Zerlegt man diese mit dem Projektionssatz in f=PRnΩsf+(1PRnΩs)f, so gilt nach Definition der Norm f|Ω|Hs(Ω)=(1PRnΩs)f|Hs(Rn), und die Abbildung EΩs:f|Ω(1PRnΩs)f ist eine Isometrie. Sie ist wohldefiniert, stimmen zwei Funktionen f und g auf Ω überein, so gilt fgHRnΩs und somit (1PRnΩs)f=(1PRnΩs)g.

  2. Sei fHs(Ω) und f~=EΩsf die isometrische Fortsetzung. Dann existiert wegen der Dichtheit von S(Rn) in Hs(Rn) eine Funktion f~ϵS(Rn) mit f~f~ϵ2,s<ϵ. Also folgt f|Ωfϵ|Ω|Hs(Ω)=(ffϵ)|Ω|Hs(Ω)f~f~ϵ2,s<ϵ

 ◻

Oft benötigt man Zerlegungen der Eins um Aussagen zu lokalisieren. Das ist in Räumen ganzzahliger Glattheit trivial, in den Hs(Rn)-Räumen muss man das noch beweisen. Dazu folgendes Lemma.

Lemma 2.12. Sei χC0(Rn). Dann ist für alle sR die Abbildung Hs(Rn)fχfHs(Rn) stetig.

Proof. Dazu nutzen wir die Peetre-Ungleichung 20 ξs2|s|ξη|s|ηs. Damit gilt aber unter Ausnutzung der Youngschen Ungleichung und für beliebige fS(Rn) χf2,s=ξ2s|χf^(ξ)|2dξ(2π)n/22|s||ξη|s|χ^(ξη)ηsf^(η)dη|2dξ(2π)n/22|s|(ξ|s||χ^(ξ)|dξ)2(η2s|f^(η)|2dη)Csf2,s und wegen der Dichtheit von S(Rn) im Sobolevraum somit auch für beliebige fHs(Rn). ◻

Korollar 2.7. Sei nun FRn kompakt und χjC0(Rn), j=1,,N mit jχj(x)=1 auf F gegeben. Dann existiert eine Konstante C mit 1Cf2,sjχjf2,sCf2,s für alle fHFs.

Proof. Die zweite Ungleichung folgt direkt aus vorigem Lemma. Für die erste nutzt man, dass f=jχjf gilt und wendet die Dreiecksungleichung an. ◻

Dualitätsbeziehungen. Die Räume Hs(Ω) und HΩs sind für viele Gebiete zueinander dual. Dazu genauer, es gilt

Lemma 2.13. Sei T:Hs(Ω)C ein stetiges lineares Funktional. Dann bestimmt EΩsT,f=T,f|Ω eine isometrische Fortsetzung EΩsT(Hs(Rn))Hs(Rn) mit Träger in Ω.

Proof. Nach Konstruktion gilt EΩs=resΩ, also sind Linearität und Beschränkheit der Fortsetzung klar. Wir schreiben f=(1PRnΩs)f+PRnΩsf=f1+f2. Dann gilt EΩsT,f=T,f|Ω=EΩsT,f1. Wegen f|Hs(Rn)f1|Hs(Rn)=f|Ω|Hs(Ω) ergibt sich daraus die Isometrie der Fortsetzung.

Es bleibt die Trägereigenschaft. Sei dazu fCc(RnΩ). Dann gilt EΩsT,f=T,f|Ω=0 und EΩsT verschwindet auf RnΩ, ist also in Ω getragen. ◻

Wir können stetige Linearformen auf Hs(Ω) als Distributionen in D(Ω) auffassen und obiges Lemma besagt gerade, dass diese auf S(Rn) fortsetzbar sind. Die Fortsetzung ist eine Isometrie von (Hs(Ω)) in HΩs, allerdings nicht immer surjektiv. Eine schwache Voraussetzung an das Gebiet ist hier nötig.

Satz 2.15. Angenommen, Ω erfüllt die lokale Graphenbedingung. Dann sind (Hs(Ω)) und HΩs zueinander dual.

Proof. Wir skizzieren den Beweis nur. Damit die Fortsetzung surjektiv ist, muss es zu jedem SHΩs ein T(Hs(Ω)) mit S=EΩsT geben. Angenommen, dies gilt. Dann folgt aus f=(1PRnΩs)f+PRnΩsf=f1+f2 EΩsT,f=S,f=S,f1+S,f2=EΩsT,f1+S,f2=!EΩsT,f1 und damit S,f2=0.

Es muss also für jedes fHRnΩs und jedes SHΩs die Beziehung S,f=0 gelten. Das ist eine Aussage über die ‘Größe’ des Randes Ω. Sei dazu vorerst Ω={(x,xn):xn>h(x)} Epigraph einer stetigen Funktion h:Rn1R, SHΩs und fHRnΩs kompakt getragen. Für ϵ>0 sei fϵ(x)=f(x,xn+ϵ) die um ϵ in das Gebiet RnΩ hineingeschobene Funktion. Dann gilt (da die Träger disjunkt sind) S,fϵ=0, ebenso ffϵ2,s2=ξ2s|(1eiϵξn)f^(ξ)|2dξ0,ϵ0 nach majorisierter Konvergenz und somit wegen der Stetigkeit von S auf Hs(Rn) S,f=limϵ0S,fϵ=0.

Für ein beliebiges Gebiet Ω mit lokaler Graphenbedingung zerlegt man f entsprechend mit einer Partition der Eins und wendet obige Argumentation auf jedes der Teile an. ◻

Die Voraussetzung, dass Ω lokaler Epigraph ist, ist wesentlich. Ein einfaches Beispiel wäre ein Gebiet mit innerem Rand, z.b. Ω={(x1,x2):x12+x22<1}[0,1]×{0}. Dann ist Ω={(x1,x2):x12+x221} die abgeschlossene Kreisscheibe und das Komplement RnΩ={(x1,x2):x12+x221}([0,1]×{0}). Betrachtet man nun die Diracsche Deltadistribution δ,f=f(0), so gilt δHRnΩs für s>n2. Allerdings existieren Funktionen fCc(Ω)HΩs mit δ,f0. Somit kann der Dualraum von Hs(Ω) nicht der HΩs sein!

(Linearformen auf dem Hs(Ω) müssen für s>n2 sogar von stetigen Funktionen herrühren, die auf dem internen Rand verschwinden. Auf dem äußeren Rand tun das Funktionen aus HΩs für s>n2 sowieso, sie sind ja stetig.)

Die bisher betrachtete Norm auf Hs(Ω) ist nur schwer zu berechnen. Ist s0 und Ω global Lipschitz, so kann man eine äquivalente Norm angeben. Sei dazu |f|μ,Ω:=(ΩΩ|f(x)f(y)|2|xy|n+2μdxdy)1/2 die Slobodeckij-Seminorm 21. Dann gilt

Satz 2.16. Sei Ω global Lipschitz und s0.

  1. Ist kN0, so ist die Norm in Hk(Ω) äquivalent zur Wk,2(Ω)-Norm.

  2. Ist s=k+μ mit kN0 und μ(0,1), so ist die Norm in Hk(Ω) äquivalent zu 1Cf|Hs(Ω)2f|Wk,2(Ω)2+|α|=k|αf|μ,Ω2Cf|Hs(Ω)2.

Die erste Aussage ist nur eine erneute Fassung des Steinschen Fortsetzungssatzes. Für die zweite benötigt man die allgemeinere Fassung des Fortsetzungssatzes nach Rychkov22 und kann die Aussage auf das entsprechende Äquivalenzresultat im Rn zurückführen.

2.4.2 Spursätze

Sei vorerst R+n der Halbraum und fHs(R+n). Ist s groß genug (z.B. s>n2), dann kann f auf den Rand des Halbraums Rn1=R+n eingeschränkt werden. Es liegt also nahe, zu fragen, welche Regularität diese Einschränkung besitzt. Die Antwort ist verblüffend einfach. Sei dazu für glattes f γ0:Cc(R+n)ff|Rn1Cc(Rn1) die Spurabbildung am Rand Rn1=R+n.

Lemma 2.14. Sei s>12. Dann kann die Abbildung γ0 stetig zur Spurabbildung

γ0:Hs(R+n)Hs12(Rn1) fortgesetzt werden. Diese ist surjektiv.

Proof. Schritt 1, Stetigkeit: Die erste Aussage ist eine Stetigkeitsaussage, es genügt die entsprechende Abschätzung für den auf Cc(R+n) definierten Spuroperator zu beweisen. Sei dazu vorerst fCc(Rn). Dann liefert die Fouriersche Inversionsformel γ0f(x)=(2π)n/2eixξf^(ξ,ξn)dξdξn und somit γ0f^(ξ)=(2π)1/2f^(ξ,ξn)dξn. Dies kann man mit Cauchy-Schwarz abschätzen. Es gilt |γ0f^(ξ)|212π(ξ2sdξn)(ξ2s|f^(ξ,ξn)|2dξn) und mit der Substitution ξn=ξt, ξ=ξt, für alle s>12 ξ2sdξn=ξ2s+1t2sdt=Msξ2s+1. Also folgt nach Integration über ξ γ0f|Hs12(Rn1)2=ξ2s1γf^(ξ)dξMs2πξ2s|f^(ξ,ξn)|2dξndξ=Ms2πf|Hs(Rn). Also kann man γ0 zu einer stetigen Abbildung Hs(Rn)Hs12(Rn1) fortsetzen. Verknüpft mit dem (isometrischen) Fortsetzungsoperator ergibt dies aber gerade die gesuchte Spurabbildung.

Da Cc(R+n) dicht in Hs(R+n) ist, ist der Spuroperator von der gewählten Fortsetzung unabhängig.

Schritt 2, Surjektivität: In einem zweiten Schritt bleibt die Surjektivität des Spuroperators Hs(Rn)Hs12(Rn1). Sei dazu gHs12(Rn1) mit s>12. Wir zeigen, dass dann durch f(x)=(2π)(n1)/2g^(ξ)θ(ξxn)eixξdξ,xRn für eine Abschneidefunktion θCc(R) mit θ(t)=1 für |t|1 eine entsprechende Fortsetzung mit γ0f=g definiert ist. Das geschieht in zwei Schritten. Sei zuerst gCc(Rn1). Dann ist obiges Integral sinnvoll und es gilt auf Grund der Fourierschen Inversionsformel γf(x)=f(x,0)=(2π)(n1)/2g^(ξ)eixξdξ=g(x). Weiterhin ist die Zuordnung gf stetig zwischen Sobolevräumen. Mit der Fouriersche Inversionsformel folgt f^(ξ)=(2π)1/2g^(ξ)eixnξnθ(ξxn)dxn=g^(ξ)ξ1θ^(ξ1ξn) und somit f|Hs(Rn)2=ξ2s|g^(ξ)|2ξ2|θ^(ξ1ξn)|2dξdξn=|g^(ξ)|2ξ2s1t2s|θ^(t)|2dtdξ=Csg|Hs12(Rn1) unter Ausnutzung der Substitution ξn=ξt. Damit ist aber obiger Fortsetzungsoperator stetig und liefert eine Rechtsinverse zum Spuroperator γ0. ◻

Nun noch der allgemeine Satz. Wir beschränken uns auf Gebiete mit glattem Rand , sonst kann man auf dem Rand selbst nicht alle Sobolevräume definieren.

Lemma 2.15. Seien Ω und Ω~ diffeomorphe Gebiete und Φ:ΩΩ~ ein Diffeomorphismus mit 0<c0|detΦ(x)|C für alle xΩ sowie supxΩ||αΦ(x)||<fu¨r alle αN0n. Dann gibt es zu jedem sR eine Konstante Cs, so dass 1Csf|Hs(Ω~)fΦ|Hs(Ω)Csf|Hs(Ω~) für alle fHs(Ω~) gilt.

Beweisskizze. Ein Diffeomorphismus mit diesen Bedingungen ist in Umgebungen Ω und Ω~ der Gebiete Ω und Ω~ fortsetzbar. Wir nehmen eine in der Umgebung Ω~ von Ω~ getragene Abschneidefunktion χ, welche auf Ω~ identisch gleich 1 ist und betrachten die Fortsetzung χ(x)EΩ~sf(x)Hs(Rn) und die entsprechend mit dem Diffeomorphismus transformierte Funktion χ(Φ(x))EΩ~sf(Φ(x)). Dabei ist nach Konstruktion 1Csχ(x)EΩ~sf(x)2,sEΩ~sf(x)2,s=f|Hs(Ω~)χ(x)EΩ~sf(x)2,s und ebenso fΦ|Hs(Ω)χ(Φ(x))EΩ~sf(Φ(x))2,s. Aus der Diffeomorphieäquivalenz der Hs(Rn)-Norm würde also sofort fΦ|Hs(Ω)Csf|Hs(Ω~) folgen. Die andere Ungleichung ergibt sich direkt durch Nutzung des Diffeomorphismus Φ1.

Es bleibt die Äquivalenz der entsprechenden Hs(Rn)-Normen zu zeigen. Für s=kN folgt dies aus dem entsprechenden Resultat für Wk,2(Rn), für s=k aus Dualität. Die verbleibenden Fälle folgen daraus vermittels reeller oder komplexer Interpolation (siehe Kapitel 4). ◻

Damit kann man aber auf beliebigen Mannigfaltigkeiten Sobolevräume definieren, indem man diese mit einer Partition der Eins in Kartengebiete zerlegt und damit auf Gebiete des Rn reduziert. Mit dieser Definition gilt nun

Satz 2.17 ( Spursatz ). Sei Ω ein Gebiet mit kompaktem C-Rand Γ=Ω. Dann ist für s>12 der Spuroperator γ0:Hs(Ω)Hs12(Γ) beschränkt und surjektiv.

2.4.3 Kompakte Einbettungen

Wir benötigen eine Anleihe aus der Funktionalanalysis. In einem (separablen) Hilbertraum H ist die Einheitskugel schwach folgenkompakt, das heißt aus jeder Folge fjH mit fj|H kann eine Teilfolgen fjk ausgewählt werden, so dass (fjk,g)H(f,g)H für ein fH und alle gH gilt. Wir werden dies im folgenden nutzen um ein Kompaktheitskriterium für Hs(Ω)-Räume zu beweisen. Es sei noch darauf hingewiesen, dass für Banach- und Hilberträume Folgen- und Überdeckungskompaktheit äquivalent sind.

Ziel dieses Abschnitts ist der folgende Satz.

Satz 2.18 ( Rellich’scher Auswahlsatz 23). Sei Ω beschränkt. Dann ist die Einbettung Hs(Ω)L2(Ω) für s>0 kompakt. Jede Folge fnHs(Ω) mit supnfn|Hs(Ω)< besitzt also eine in L2(Ω) konvergente Teilfolge.

Zum Beweis benötigen wir einen weitereren wichtiger Satz verpackt in folgendem Lemma.

Lemma 2.16 ( Kompaktheitskriterium im L2 ). Sei hC(R+) positiv, monoton wachsend mit limrh(r)=. Dann ist die Teilmenge Mh={fL2(Rn):|f(x)|2h(|x|)dx1und|f^(ξ)|2h(|ξ|)dξ1} kompakt im L2(Rn).

Proof. Schritt 1: Sei fjMh eine Folge. Sei weiter in einem ersten Schritt mit gemeinsamem kompakten Träger suppfjK. Da fj2M gleichmäßig beschränkt ist, existiert eine in L2(Rn) schwach konvergente Teilfolge. Wir bezeichnen diese wieder mit fj. Für diese gilt (da eξ=xeixξL2(K)) |f^j(ξ)|=(2π)n/2|(fj,eξ)L2(K)|Cfj2CM|f^j(ξ)f^i(ξ)|=(2π)n/2|(fjfi,eξ)L2(K)|0,i,j. Die Folge der Funktionen f^j(ξ) konvergiert also punktweise. Wir zeigen, dass damit auch fj in L2(Rn) konvergiert. Dazu nutzen wir Plancherel und erhalten fjfi22=f^jf^i22=|ξ|r|f^j(ξ)f^i(ξ)|2dξ+|ξ|>r1h(|ξ|)h(|ξ|)|f^j(ξ)f^i(ξ)|2dξ|ξ|r|f^j(ξ)f^i(ξ)|2dξ+4h(r). Da f^j(ξ) gleichmäßig beschränkt ist und punktweise konvergiert, strebt der erste Summand gegen Null für i,j. Für r groß wird der zweite beliebig klein. Damit ist aber fj eine Cauchy-Folge in L2(Rn). Damit ist aber die Teilmenge Mh,K={fMh:suppfK} kompakt.

Schritt 2: Sei Br die Kugel vom Radius r und χr eine in B2r getragene Abschneidefunktion mit χ(x)=1 für xBr und 0χ(x)1. Dann gilt für alle fMh fχrf22=|x|>r|(1χr(x))f(x)|2dxsup|x|>r(1χr(x))2h(|x|)1h(r) sowie unter Ausnutzung der Youngschen Ungleichung (und für moderat wachsende submultiplikative24 h mit h(|ξ|)Chh(|ξη|)h(|η|)) h(|ξ|)|χrf^(ξ)|2dξ=ch(|ξ|)|χr^(ξη)f^(η)dη|2dξ=c|h(|ξη|)χr^(ξη)h(|η|)f^(η)dη|2dξcCh(h(|ξ|)|χr^(ξ)|dξ)2(h(|η|)|f^(η)|2dη)=C<. Damit existiert aber zu jedem ϵ>0 ein K, so dass Mh in einer ϵ-Umgebung der kompakten Menge CMh,KL2(Rn) liegt. Damit ist aber Mh selbst kompakt. ◻

Beweis des Auswahlsatzes von Rellich. Sei s>0 und ΩRn beschränkt, sowie χCc(Rn) mit χ(x)=1 für xΩ. Sei weiter fkHs(Ω) mit fk|Hs(Ω)1. Wir betrachten die Folge f~k(x)=χ(x)EΩsfk(x)Hs(Rn) mit gemeinsamem kompakten Träger. Auf diese Folge kann voriges Lemma angewandt werden, sie besitzt also eine in L2(Rn) konvergente Teilfolge. Die Einschränkung dieser Folge auf Ω ist die gesuchte in L2(Ω) konvergente Teilfolge von fk. ◻

Die Voraussetzung der Beschränktheit von Ω ist nicht erforderlich. Wichtig ist ein gleichmäßiges Abklingen der Funktionen im Unendlichen. Wir formulieren wiederum einen Satz der sich direkt aus obigem Lemma ableiten läßt.

Satz 2.19 ( Rellich ). Angenommen, das Gebiet Ω besitzt endliches Volumen, Ω<. Dann ist für s>0 die Einbettung HΩsL2(Ω) kompakt.

Proof. Wir zeigen die Aussage wiederum für s=0. Sei also fkHΩs eine Folge mit fk|Hs(Rn)1. Wir wollen auf fk obiges Lemma anwenden. Offenbar erfüllt fk^(ξ) eine gewichtete L2(Rn)-Bedingung, (das ist ja gerade die Definition des Hs(Rn)), es bleibt eine entsprechende Bedingung für fk(x) zu zeigen. Dazu nutzen wir den Sobolevschen Einbettungssatz, es ist fkq<C beschränkt für 2<q<2nn2s und damit nach Hölder |x|>r|fk(x)|2dxΩBr(0)12/qfkq20 gleichmäßig in k. Damit liegt fk aber in einem gewichteten L2 und das obige Lemma liefert die Existenz einer konvergenten Teilfolge. ◻

Für s>0 und s12,32,, kann der Raum HΩs mit H0s(Ω) identifiziert werden. Dies wollen wir hier nicht zeigen, für einen Beweis siehe das Buch von McLean.

Zur Vollständigkeit noch folgender Satz. Er folgt aus dem Satz von Arzela–Ascoli und hätte ebenso zum Beweis verwendet werden können.

Satz 2.20 ( Fréchet–Kolmogorov–Riesz 25). Eine Teilmenge BLp(Rn), 1p<, ist relativ kompakt genau dann, wenn sie

  1. beschränkt ist, supfBfp<;

  2. gleichmäßig abklingt, d.h., limRsupfB|x|R|f(x)|pdx=0 gilt; und

  3. gleichgradig im p-Mittel stetig ist limh0supfB|f(x+h)f(x)|pdx=0.

Der Satz von Fréchet–Kolmogorov–Riesz impliziert insbesondere, dass die Einschränkungen Ws,p(Rn)Lp(Ω) für s>0 und beschränkte Ω kompakt sind.

Damit kann man aber nun zeigen, dass alle Nicht-Grenzfälle des Sobolevschen Einbettungssatzes kompakt sind. Wir formulieren eine Fassung, überlassen den Beweis aber als Übung.

Satz 2.21 ( Rellich–Kondrachov 26). Sei das Gebiet Ω beschränkt. Sei weiter für ein 1p< und s>0 eine Folge fjWs,p(Rn) mit supjfj|Ws,p(Rn)< gegeben.

  1. Ist s>np, so besitzt die Folge fj|Ω eine in C(Ω) konvergente Teilfolge.

  2. Ist s<np und pq<p=npnsp. Dann besitzt die Folge fj|Ω eine in Lq(Ω) konvergente Teilfolge.

2.5 Anwendungen

Wir wollen kurz drei typische Anwendungen von Sobolevräumen skizzieren. Funktionen sind hier der Einfachheit halber reell.

Variationsproblem e. Sei ΩRn ein Gebiet mit glattem Rand und fH12(Ω). Dann ist f Randwert einer Funktion f~H1(Ω) und wir können nach allen Funktionen uf~+H01(Ω) suchen, für die das Funktional J(u)=j=1nΩ|ju(x)|2dx minimal wird. Ist das Gebiet Ω beschränkt, so gilt für alle in Betracht kommenden u die Friedrichssche Ungleichung (siehe Übung) Ω|u(x)|2dxCJ(u) und jede Minimalfolge für J(u) ist in H1(Ω) beschränkt. Sie besitzt damit eine schwach konvergente Teilfolge und für deren schwachen Grenzwert u gilt J(u)J(u+ϵφ) für alle Testfunktionen φCc(Ω). Da die rechte Seite als Funktion von ϵ differenzierbar ist, folgt daraus aber 0=j=1nju(x)jφ(x)dx und damit ist u schwache Lösung des Randwertproblems Δu=0,γ0u=f.

Dirichlet-Problem 27 für den Laplace-Operator. Das Dirichlet-Problem ist die Aufgabe, zu gegebenem f eine Funktion uH01(Ω) mit Δu=f zu finden. Ist das Gebiet beschränkt, so gilt wiederum eine Friedrichssche Ungleichung 28 Ω|u(x)|2dxCJ(u) für alle uH01(Ω). Damit erzeugt aber das Innenprodukt (u,v)=j=1nΩju(x)jv(x)dx die Hilbertraumstruktur des H01(Ω). Weiß man nun, dass f durch φΩφ(x)f(x)dx eine stetige Linearform auf dem H01(Ω) erzeugt (weil zum Beispiel fL2(Ω) oder fH1(Ω) ist), so existiert nach dem Rieszschen Darstellungssatz genau ein u mit (u,φ)=Ωφ(x)f(x)dx für alle φH01(Ω). Speziell für φCc(Ω) ist dies aber gerade die schwache Formulierung des Dirichlet-Problems und somit u dessen (eindeutig bestimmte) Lösung.

Neumann-Problem 29 für den Laplace-Operator. Betrachtet man die schwache Formulierung [eq:2.5.11] auf ganz H1(Ω) und fordert die Gleichung für alle φH1(Ω), so ist das dabei entstehende Problem nicht eindeutig lösbar. Jede konstante Funktion u erfüllt die Bedingung.

Allerdings gilt für uH1(Ω) auf beschränkten Gebieten Ω eine Poincare-Ungleichung 30 Ω|u(x)uΩ|2dxCj=1nΩ|ju(x)|2dx,uΩ=1Ωu(x)dx. Damit erzeugt das -Innenprodukt auf Hvm1(Ω)={uH1(Ω):uΩ=0} die Hilbertraumstruktur und der Rieszsche Darstellungssatz impliziert die eindeutige Lösbarkeit von [eq:2.5.11] auf diesem Teilraum. Dieses Problem wird als Neumann-Problem für den Laplace-Operator bezeichnet.

Seine Lösung u ist bezüglich Δ schwach differenzierbar und es gilt [eq:2.5.7]. Statt der Dirchlet-Randbedingung erfüllen die Lösungen aber eine sogenannte freie Randbedingung. Man kann zeigen, dass Lösungen im H2(Ω) sind und am Rand die schwache äußere Normalenableitung verschwindet.

3 Räume analytischer Funktionen

3.1 Hardy-Räume

3.1.1 Definition und Randwertcharakterisierung

Hardyräume und Fourierreihen. Sei fL2(π,π) gegeben. Dann besitzt f die Reihendarstellung f(t)=kZck(f)eikt mit den komplexen Fourier-Koeffizienten ck(f)=12πππeiktf(t)dt. Im folgenden betrachten wir den Teilraum H~2={f:k<0ck(f)=0}. Wir schreiben im folgenden kurz ck für die Koeffizienten ck(f).

Betrachtet man statt der reellen Variablen t die komplexe Variable z=eit, so wird die Fourierreihe [eq:3:FReihe] formal zur Potenzreihe φ(z)=k=0ckzk. Diese Potenzreihe hat Konvergenzradius größer oder gleich 1, da für die Fourier-Koeffizienten die Abschätzung |ck(f)|12πππ|f(t)|dt12πf2 und somit für ihren Konvergenzradius 1R=lim supk|ck|k1 gil. Sie stellt damit eine analytische Funktion auf D={zC:|z|<1} dar. Wir bezeichnen die Menge der so erhaltenen analytischen Funktionen mit H2(D).

Weiter bezeichne A(D) die Menge aller auf der offenen Kreisscheibe D holomorphen Funktionen.

Lemma 3.1. Der Raum H2(D) besteht aus allen φA(D) mit supr<1ππ|φ(reit)|2dt<. Weiterhin gilt limr1φ(reit)=f(t) in L2(π,π).

Proof. Sei φA(D) mit der MacLaurin-Reihe φ(z)=k=0ckzk. Dann gilt für alle r<1 auf Grund der Parseval-Identität 31 für Fourierreihen ππ|φ(reit)|2dt=2πk=0|ck|2r2k. Mit dem Satz über die monotone Konvergenz (angewandt auf Reihen) folgt also supr<1ππ|φ(reit)|2dt=2πlimr1k=0|ck|2r2k=2πk=0|ck|2 und [eq:3:H2-cond] ist äquivalent zu k=0|ck|2<,d.h.f(t)=k=0ckeiktL2(π,π).

Weiterhin folgt aus dem Satz über die majorisierte Konvergenz |φ(reit)f(t)|2dt=2πk=0(rk1)2|ck|20,r1 und das Lemma ist bewiesen. ◻

Der Hardy-Raum 32 H2(D) besteht also gerade aus all den analytischen Funktionen in D, die ihre Randwerte auf T=D im L2-Sinne annehmen. Die Cauchysche Integralformel erlaubt natürlich die Rekonstruktion der Funktion aus ihren Randwerten (warum?), allerdings ist für unsere Zwecke die nachfolgende Poissonsche Integraldarstellung 33 besser.

Sei g analytisch in einer Umgebung von D. Dann gilt g(z)=12πππeiθ+zeiθzg(eiθ)dθ+ig(0). Der dabei auftretende Integralkern wird als komplexer Poissonkern bezeichnet.

Proof. Es gilt mit der Formel für die geometrische Reihe eiθ+zeiθz=1+zeiθ1zeiθ=1+2k=1zkeikθ lokal gleichmäßig in |z|<1 und θR. Ist nun g(z)=k=0ckzk, so folgt 12πππeinθg(eiθ)dθ=14πππeinθ(g(eiθ)+g(eiθ))dθ=k=014πππeinθ(ckeikθ+ckeikθ)dθ={c0,n=0,12cn,n=1,2,. und somit 12πππeiθ+zeiθzg(eiθ)dθ=c0+1πk=1zkππeikθg(eiθ)dθ=g(z)ic0=g(z)ig(0). Damit ist die (komplexe) Poissonsche Integralformel gezeigt. ◻

Im folgenden bezeichne Pr(tθ)=(eiθ+reiteiθreit) den reellen Poissonkern . Damit gilt g(z)=12πππPr(tθ)g(eiθ)dθ und somit wegen g=(ig) auch g(z)=12πππPr(tθ)g(eiθ)dθ. Nach Addition beider Formeln erhält man die reelle Poissonsche Integralformel g(reit)=12π02πPr(tθ)g(eiθ)dθ für alle in einer Umgebung von D analytische Funktionen. Diese wird im folgenden von besonderer Bedeutung sein, der Poissonkern ist dabei nur nur reellwertig sondern besitzt darüberhinaus besondere Approximationseigenschaften.

Lemma 3.2 ( Eigenschaften des Poissonkerns ). Es gelten

  1. die Darstellung Pr(t)=1r212rcost+r2 und damit Pr(t)>0 für alle r<1 und alle t;

  2. die Integralformeln 12πππPr(t)dt=1,12πππ|Pr(t)|2dt=1+r21r2;

  3. für jedes δ>0 gilt limr1supt[δ,π]Pr(t)=0;

  4. für jede stetige Funktion fCper(π,π) gilt limr1ππPr(t)f(t)dt=2πf(0).

(Beweis als Übung)

Satz 3.1 ( Poissonsche Integraldarstellung ). Sei φH2(D) und sei fH~2 durch [eq:3.1.7] definiert. Dann gilt die Poissonsche Integralformel φ(reit)=12π02πPr(tθ)f(θ)dθ.

Proof. Es gilt für ρ<1 und r<1 die Poissonsche Integralformel (für φ(ρz)) φ(rρeit)=12πππPr(tθ)φ(ρeiθ)dθ. Weiterhin gilt PrL2(π,π) und somit kann der Grenzwert für ρ1 gebildet werden; es gilt φ(reit)=limρ1φ(rρeit)=limρ112πππPr(tθ)φ(ρeiθ)dθ=12π02πPr(tθ)f(θ)dθ. unter Ausnutzung von φ(ρei)f in L2(π,π). ◻

Für p2 definiert man die Hardyräume entsprechend durch gleichmäßige Schranken an die p-Normen über konzentrische Kreise in D.

Definition 3.1. Sei nun p[1,). In Analogie zum letzten Abschnitt definieren wir den Raum Hp(D) durch die Forderung φ|Hp(D)=supr<1(ππ|φ(reit)|pdt)1/p<,p< für analytische Funktionen φA(D). Weiter sei H(D) die Menge der beschränkten analytischen Funktionen aus A(D), φ|H(D)=supzD|φ(z)|.

Es gilt folgender (auf den ersten Blick vielleicht überraschende) Satz. Die Voraussetzung φA(D) ist in jedem Schritt notwendig, nicht jede durch ein Poissonintegral dargestellte Funktion ist auch holomorph. (Dazu muß der Randwert zum reellen Hardyraum H~p gehören, siehe Abschnitt 3.2.1).

Satz 3.2 ( Randwertcharakterisierung des Hp(D) ). Sei 1<p<. Dann sind äquivalent

  1. φA(D) und es gilt wlimr1φ(reit)=f(t) schwach in Lp(π,π).

  2. φA(D) und es gilt φ(reit)=12π02πPr(tθ)f(θ)dθ für ein fLp(π,π).

  3. φA(D) und es gilt limr1φ(reit)=f(t) in der Lp-Norm.

  4. φHp(D).

Beweisskizze. [12] Für analytische Funktionen φA(D) gilt die (skalierte) Poissonsche Integralformel φ(ρreit)=12πππPρ(tθ)φ(reiθ)dθ für alle ρ<1 und r<1. Da der Poissonkern zu Lp(π,π) gehört, impliziert schwache Konvergenz punktweise in ρ und t φ(ρeit)=limr1φ(ρreit)=12πππPρ(tθ)f(θ)dθ und damit [2].

[23] Der Poissonkern ist positiv und hat Integral 1. Damit gilt mit der Minkowski-Ungleichung für Integrale fφ(rei)p=12πππPr(θ)(f(t)f(tθ))dθp12πππPr(θ)ff(θ)pdθ12π(|θ|δ+|θ|δ)Pr(θ)ff(θ)pdθ. Das erste Integral strebt gegen Null, da Pr(θ)0 gleichmäßig in |θ|δ für r1. Wegen der Stetigkeit im p-Mittel kann man das zweite Integral durch 12π|θ|δPr(θ)ff(θ)pdθsup|θ|<δff(θ)p0,δ0 abschätzen. Damit folgt aber [3].

[34] folgt, da normkonvergente Folgen auch in der Norm beschränkt sind.

[41] Da Lp(π,π) separabel und reflexiv ist, besitzt jede beschränkte Folge eine schwach konvergente Teilfolge (Satz von Banach-Alaoglu in separablen Räumen). Für diese Teilfolge kann man die Argumentation aus dem ersten Schritt anwenden, es gilt also die Poissonsche Integraldarstellung von φ durch den schwachen Grenzwert. Da dieser damit aber auch (starker) Randwert ist, sind die schwachen Grenzwerte eindeutig und die schwache Konvergenz folgt. ◻

Bemerkung: Für p=1 scheint die Aussage falsch. Um obige Beweismethode zu retten, muss man hier in der Poissonschen Integraldarstellung [eq:3:PoissonInt] Maße statt Funktionen f zulassen. Dann gilt φ(reit)=12πππPr(tθ)dμ(θ) mit einem (eindeutig bestimmten) komplexwertigen Maß μ und φ(reit)μ(t) für r1 als schwach-* Grenzwert im Raum der beschränkten Radonmaße. Zum Beweis genügt wiederum der Satz von Alaoglu, allerdings diesmal im Raum der Maße, in welchen L1 stetig eingebettet ist. Der L1 ist bezüglich schwach-* Konvergenz nicht abgeschlossen. Das täuscht, wir werden im nächsten Abschnitt zeigen, dass selbst im H1(D) Randwerte im L1-Sinn angenommen werden.

3.1.2 Faktorisierung von Hardyfunktionen

Wir beginnen mit einem auf den ersten Blick technisch erscheinenden Lemma. Es wird uns helfen, Abschätzungen für Nullstellen analytischer Funktionen anzugeben.

Lemma 3.3 ( Jensensche Formel 34). Sei φ analytisch mit Konvergenzradius größer r, φ(0)0, und seien α1,,αN die Nullstellen von φ gezählt mit Vielfachheit. Dann gilt |φ(0)|k=1Nr|αk|=exp(12πππlog|φ(reit)|dt).

Proof. Sei |αk|<r für km und |αm+1|==|αN|=r. Dann ist ψ(z)=φ(z)k=1mr2αkzr(αkz)k=m+1Nαkαkz analytisch in einer Umgebung der Kreisscheibe |z|r und nach Konstruktion nullstellenfrei. Also ist auch die Funktion logψ(z) analytisch und es gilt mit der Mittelwerteigenschaft für deren Realteil log|ψ(z)| log|ψ(0)|=12πππlog|ψ(reit)|dt. Weiter ist |ψ(0)|=|φ(0)|k=1mr|αk|=|φ(0)|k=1Nr|αk| und mit αk=reitk, k>m, log|ψ(reit)|=log|φ(reit)|k=m+1Nlog|1ei(ttk)|. Die Behauptung folgt damit aus ππlog|1eit|dt=Tlog(1z)zdz=0. ◻

Korollar 3.1. Sei φA(D). Dann gilt für alle r<1 log|φ(0)|12πππlog|φ(reit)|dt.

Proof. In der Jensenschen Formel ist kr|αk|1. ◻

Korollar 3.2. Sei φA(D). Dann ist für alle monoton wachsenden konvexen Funktionen Φ:RR das Integral 12πππΦ(log|φ(reit)|)dt monoton wachsend bezüglich r.

Beweisskizze. Die Mittelwerteigenschaft charakterisiert harmonische Funktionen. Damit impliziert das vorige Korollar, dass log|φ(z)| stets kleiner ist als die durch die Randwerte log|φ(reit)| auf dem Kreis |z|r definierte harmonische Funktion. Also gilt log|φ(rρeit)|12πππPr(tθ)log|φ(ρeiθ)|dθ. Die Jensensche Ungleichung für konvexe Funktionen impliziert damit aber (wegen Pr(t)>0 und Pr(t)dt=2π) zusammen mit der Monotonie von Φ Φ(log|φ(rρeit)|)Φ(12πππlog|φ(reit)|dt)12πππPr(tθ)Φ(log|φ(ρeiθ)|)dθ, und somit nach nochmaliger Integration und Vertauschen der Integrationsreihenfolge die Behauptung, ππΦ(log|φ(rρeit)|)ππ(12πππPr(tθ)dt)=1Φ(log|φ(ρeiθ)|)dθ ◻

Korollar 3.3. Sei φHp(D) mit p(1,) und fH~p der zugehörige Randwert. Dann gilt φ|Hp(D)=supr<1(ππ|φ(reit)|pdt)1/p=fp.

Proof. Die Funktion seps ist konvex für alle in Betracht kommenden p, also ist das Supremum tatsächlich ein Limes. Da wir schon wissen, dass Randwerte in Lp angenommen werden, folgt die Behauptung. ◻

Wir betrachten zuerst einen Raum der analog zu Hardy-Räumen definiert ist und Aussagen über die Verteilung der Nullstellen erlaubt. Hier und im folgenden bezeichne log+(s)=max{0,logs}.

Definition 3.2. Mit N(D) bezeichnen wir die Menge aller analytischen Funktionen φA(D) mit supρ<1exp(ππlog+|φ(ρeit)|dt)<.

Die Menge N(D) wird als Nevanlinna-Klasse 35 bezeichnet. Es gilt H(D)Hp(D)N(D) für alle p.

Satz 3.3 ( Konvergenz von Blaschkeprodukten ). Sei φN(D) und sei αkD die Folge der von Null verschiedenen Nullstellen der Funktion φ. Dann gilt k|αk|>0(d.h.,k(1|αk|)<) und das unendliche Blaschke-Produkt 36 B(z)=kαkz1αkz|αk|αk konvergiert lokal gleichmäßig in D und definiert eine Funktion aus H(D).

Proof. Hat φ in z=0 eine Nullstelle der Ordnung m, so betrachten wir zmφ(z), was wiederum zu N(D) gehört. Wir können also annehmen, dass φ(0)0 gilt. Sei weiter n(r) die Zahl der Nullstellen vom Betrag kleiner oder gleich r und seien die Nullstellen vom Betrag her geordnet. Dann gilt mit der Jensenschen Formel |φ(0)|k=1n(r)r|αk|=exp(12πππlog|φ(reit)|dt). Nach Voraussetzung ist die rechte Seite gleichmäßig in r beschränkt. Es gibt also eine Konstante C, so dass für nn(r) |φ(0)|k=1nr|αk||φ(0)|k=1n(r)r|αk|C und damit k=1n|αk|C1|φ(0)|rn. Mit n folgt die erste Behauptung.

Betrachtet man nun endliche Blaschke-Produkte, so gilt für alle |z|r<1 und hinreichend große k logkαkz1αkz|αk|αk=klogαkz1αkz|αk|αk und |logαkz1αkz|αk|αk|c|1αkz1αkz|αk|αk|=c|αk+|αk|z(1αkz)αk|(1|αk|)c1+r1r(1|αk|). Damit konvergiert aber die Reihe der Logarithmen auf jedem Kreis |z|r für r<1 gleichmäßig und somit auch das unendliche Produkt. Weiterhin sind alle Faktoren betragsmäßig kleiner 1 und damit |B(z)|1. ◻

Lemma 3.4. Sei BH(D) ein Blaschke-Produkt. Dann gilt limr1|B(reit)|=1 in Lp(π,π) für alle 1<p<.

Proof. Für endlich viele Nullstellen ist die Aussage trivial, wir nehmen also an, dass B(z) unendlich viele Nullstellen in D besitzt. Da |B(z)|1 gilt, folgt die Behauptung aus B|Hp(D)p=limr1ππ|B(reit)|pdt=2π für p<. Wir nutzen die Monotonie des Integrals bezüglich r, B|Hp(D)p2π|B(0)|p. Schreibt man nun B(z)=Bn(z)Rn(z) mit Bn(z) dem Blaschke-Produkt über die ersten n betragsmäßig kleinsten Nullstellen α1,,αn, so gilt |Rn(0)|=|αn+1αn+2| und wegen Bn(eit)=1 B|Hp(D)p=Rn|Hp(D)p2π|Rn(0)|p=2π|αn+1αn+2|p. Für n strebt das Produkt der Nullstellen gegen 1 und die Behauptung folgt. ◻

Damit kommen zu einigen Hauptresultaten über Hardy-Räume.

Korollar 3.4 ( Faktorisierung von Hardy-Funktionen ). Sei φHp(D), p[1,), und BH(D) das Blaschke-Produkt über die Nullstellen von φ. Dann ist der Quotient ψ=φ/BHp(D) eine Hardy-Funktion ohne Nullstellen mit ψ|Hp=φ|Hp.

Proof. Wir nutzen die Zerlegung von B(z) des letzten Beweises und schreiben φ(z)=Bn(z)Rn(z)ψ(z) mit einer offenbar holomorphen Funktion ψA(D). Damit ist (wegen der Monotonie des Integrals bezüglich r und |Bn(reit)|1 gleichmäßig in t für r1) φ|Hpp=limr1ππ|φ(reit)|pdt=Rnψ|Hpp. Da weiterhin |Rn(z)ψ(z)| punktweise monoton gegen |ψ(z)| strebt, folgt mit dem Satz über monotone Konvergenz für r<1 ππ|ψ(reit)|pdt=supnππ|Rn(reit)ψ(reit)|pdtφ|Hpp und damit ψ|Hpφ|Hp. Das Lemma ist gezeigt, die umgekehrte Richtung φ|Hp=Bψ|Hpψ|Hp folgt direkt aus |B(z)|1. ◻

Bemerkung: So kann man auch mehr zeigen; ist φN(D) und B(z) das Blaschke-Produkt über die Nullstellen von φ, so ist ψ=φ/BN(D) und besitzt dieselbe Schranke [eq:3:N-bound] wie φ. (Man verifiziere dies!)

Korollar 3.5. Sei φH1(D). Dann existieren zwei Funktionen ψ1,ψ2H2(D) mit φ=ψ1ψ2.

Proof. Sei φ(z)=ψ(z)B(z) die Faktorisierung von φ. Dann folgt die Behauptung mit ψ1(z)=ψ(z), ψ2(z)=ψ1(z)B(z). ◻

Korollar 3.6. Sei φH1(D). Dann werden die Randwerte im L1-Sinn angenommen, es gilt also limr1φ(reit)=f(t) in L1(π,π).

Proof. Man zerlegt φ in ein Produkt von zwei H2-Funktionen. Für diese gilt L2-Konvergenz für Randwerte und die Behauptung folgt mit der Hölderschen Ungleichung. ◻

Korollar 3.7 ( Riesz 37). Sei μ ein komplexes und periodisches Maß mit μ^(k)=eiktdμ(t)=0 für k=1,2,. Dann ist μ absolutstetig bezüglich des Lebesguemaßes.

Proof. Wir betrachten das Poissonintegral φ(reit)=12πππPr(tθ)dμ(θ). Dies erfüllt φ(rei)1μ. Weiterhin gilt |μ^(k)|μ und damit φ(z)=n=0μ^(k)zk auf D. Also folgt φ(z)H1(D), φ(rei)μ, und somit dμ(t)=f(t)dt mit dem Grenzwert f aus [eq:3:H1RW] ◻

Zum Schluss noch ein tiefer Satz.

Satz 3.4 ( Beurling-Faktorisierung 38). Sei φN(D) und BH(D) definiert durch das Blaschke-Produkt über die Nullstellen von φ. Dann gilt φ(z)=φin(z)φout(z) mit einer inneren Funktion φin und einer äußeren Funktion φout. Diese sind durch φin(z)=B(z)exp(12πππeiθ+zeiθzdμ(θ))φout(z)=exp(12πππeiθ+zeiθzf(θ)dθ). für ein reelles 2π-periodisches Radon-Maß μ, welches singulär bezüglich des Lebesgue-Maßes ist, und eine Funktion fL1(π,π) bestimmt.

Beweisskizze. Sei φN(D) und sei B(z) das Blaschke-Produkt über die Nullstellen von φ. Dann ist ψ(z)=φ(z)/B(z)N(D) nullstellenfrei und somit log|ψ(z)| harmonisch. Also gilt die Poissonsche Integralformel log|ψ(rρeit)|=12πππPr(tθ)log|ψ(ρeiθ)|dθ für alle ρ<1 und r<1. Wir wollen ρ1 streben lassen. Da log|ψ(0)|=12πππlog|ψ(reit)|dt unabhängig von r ist, folgt aus der Nevanlinna-Bedingung [eq:3:N-bound] sogar supr<1ππ|log|ψ(reit)||dt< und somit ist log|ψ(rei)| in L1(π,π) gleichmäßig beschränkt. Damit existiert aber nach dem Satz von Alaoglu eine schwach-* konvergente Folge mit einem reellen Radon-Maß ν als Grenzwert und es folgt die Poissonsche Integraldarstellung log|ψ(reit)|=12πππPr(tθ)dν(θ). Die Eigenschaften des Poissonkerns implizieren die Eindeutigkeit des Grenzwerts und somit die schwach-* Konvergenz log|ψ(rei)|ν.

Die Behauptung folgt nun durch Anwenden des Lebesgueschen Zerlegungssatzes auf ν, es existieren also ein eindeutig bestimmtes Maß μ welches singulärstetig zum Lebesgue-Maß ist und nach dem Satz von Radon-Nikodym eine Dichtefunktion fL1(π,π) mit dν(θ)=f(θ)dθ+dμ(θ) und die Behauptung folgt. ◻

Bemerkung: Diese Faktorisierung ist fundamental für die Charakterisierung invarianter Unterräume des Shift-Operators auf 2(N). Identifiziert man den 2 mit dem Hardy-Raum H2(D), so ist der Shift-Operator gerade H2(D)φ(z)zφ(z)H2(D) und jeder nichttriviale invariante Unterraum Y{0} ist durch Nullstellen oder Nullrandwerte der darin enthaltenen Funktionen charakterisierbar. Genauer gilt zu jedem solchen Y existiert eine innere Funktion φinH(D), so dass Y=φinH2(D)={φin(z)ψ(z):ψH2(D)} gilt. Bis auf Faktoren ist φin(z) eindeutig bestimmt. (Siehe Rudin, Kap. 17)

Übersicht zu Hardy-Räumen auf D und C+ für 1<p<
Hp(D) Hp(C+)
Definition φA(D) mit φA(C+) mit
supr<1ππ|φ(reit)|pdt< supy>0|φ(x+iy)|pdx<
Poissonintegrale φA(D) erfüllt φA(C+) erfüllt
φ(reit)=12πππPr(tθ)φ(eiθ)dθ φ(x+iy)=1πy(xt)2+y2φ(t)dt
Randwerte φ(reit)f(t) in Lp(π,π) φ(x+iy)φ(x) in Lp(R)
Blaschke-Faktoren Bα(z)=αz1αz|α|α bα(z)=αzαz|α2+1|α2+1
Nullstellenzerlegung φHp(D) erfüllt φHp(C+) erfüllt
φ(z)=αBα(z)ψ(z) mit ψHp(D) φ(z)=αbα(z)ψ(z) mit ψHp(C+)
Übersicht zu Hardy-Räumen auf D und C+ für 1<p<, Fortsetzung
Hp(D) Hp(C+)
Satz von φH2(D) genau dann, wenn φH2(C+) genau dann, wenn
Paley–Wiener fL2(π,π) mit f^(k)=0, k=1,2, φL2(R) und φ^(ξ)=0, ξ<0
Satz von μ per. Radonmaß mit μ^(k)=0, k=1,2, μ endliches Radonmaß mit μ^(ξ)=0, ξ0
M. Riesz impliziert dμ=f(t)dt mit fL1(π,π) impliziert dμ=f(t)dt mit fL1(R)
Hardy-Ungleichung φH1(D) erfüllt φH1(C+) erfüllt
k=0|f^(k)|1+k12ππf(t)dt 0|φ^(ξ)|ξdξ12|φ(x)|dx

3.2 Reelle Hardy-Räume

3.2.1 H~p und die Hilbert-Transformation

Die (reellen)39 Hardy-Räume H~p sind für die Behandlung singulärer Integraloperatoren von Bedeutung. Wir wollen dies hier nur kurz skizzieren. Eine Funktion fLp(π,π) gehört genau dann zum reellen Hardy-Raum H~p, wenn die durch das Poissonintegral φ(reit)=12πππPr(tθ)f(eiθ)dθ definierte Funktion holomorph ist, also ebenso φ(reit)=12πππ1+rei(tθ)1rei(tθ)f(eiθ)dθ+iφ(0) gilt. Damit kann man aber f durch f ausdrücken, es muß also f(eit)=limr112πππ1+rei(tθ)1rei(tθ)f(eiθ)dθ+12πππf(θ)dθ gelten. Der erste Term ist dabei ein Hauptwertintegral mit dem Hilbert-Kern H(t)=1+eit1eit=cott2, die sogenannte Hilberttransformation . Die schon bekannten Abschätzungen und die Eigenschaften des Poissonkerns implizieren damit, dass auf dem (nun reellen und reellwertigen) Raum H~p, p[1,), die Hilberttransformation beschränkt ist. Es gilt sogar mehr:

Satz 3.5 ( Abbildungseigenschaften der Hilberttransformation ). Die Hilbert-Transformation Hf(t)=p.V.12πππH(tθ)f(θ)dθ ist

  1. beschränkte als Abbildung H~pH~p;

  2. beschränkt als Abbildung Lp(π,π)Lp(π,π) für alle 1<p<;

  3. nicht beschränkt auf L1(π,π) und L(π,π).

Proof. [1.] Wir fassen den Hardy-Raum als Banach-Raum über R auf und schreiben H~p=H~piH~pH~pH~p. Da |φ(0)|φ|Hp gilt, ist der Teilraum H~0p={fH~p:φ(0)=0} abgeschlossen und in ihm die Zuordnung ff bijektiv. Dieser Teilraum ist aber gerade der Graph der Hilbert-Transformation (bezüglich obiger Zerlegung des Raums) und somit diese nach dem Satz vom abgeschlossenen Graphen beschränkt.

[2.] Dies ist ein auf M. Riesz zurückgehende Satz, wir geben den Originalbeweis. Weiter genügt es, den Beweis für 1<p<2 zu führen.40 Sei also fLp(π,π) mit f(t)0 und f0. Sei weiter φ durch das komplexe Poisson-Integral definiert, φ(z)=12πππeiθ+zeiθzf(θ)dθ,|z|<1. Es genügt zu zeigen, dass φHp(D).

Dann gilt φ(z)>0 und die Funktion φ(z)p ist holomorph (und so gewählt, dass φ(0)p>0). Sei weiter γ eine reelle Zahl mit 0<γ<π/2 und pγ>π/2 und weiterhin Ir={t:|argφ(reit)|<γ}. Dann gilt auf Ir |φ(z)|<φ(z)(cosγ)1 und somit 12πIr|φ(reit)|pdt(cosγ)pφ(rei)pp(cosγ)pfpp.

Weiterhin gilt da φp harmonisch und auf Irc negativ ist (φ(0))p=12πππ(φ(reit)p)dt12πIr|φ(reit)|pdt(cosγ)pfpp.

Auf dem Komplement Irc gilt andererseits |φ(z)|p(φ(z)p)cos(pγ)1 (wobei beide Faktoren negativ sind) und wegen [eq:3:eee] 12πIrc|φ(reit)p|dt(1+(cosγ)p)fpp. Zusammengefasst erhält man daraus 12πππ|φ(reit)|pdt((cosγ)p(cospγ)1(1+(cosγ)p))fpp und damit φ|Hpcpfp mit einer von p abhängenden Konstanten cp. Linearität erlaubt die Ausweitung auf beliebige komplexwertige f (mit der vierfachen Konstanten).

[3.] Für p= folgt dies direkt vermittels φ(z)=ilog1+z1z. Dann ist |φ(z)|π2, aber φ(z) unbeschränkt. Der Fall p=1 folgt aus der Dualität, wäre H auf L1 beschränkt, so müsste für fL1(π,π) und gL(π,π) |Hg,f|=|g,Hf|cgf1 gelten und H wäre auch auf L beschränkt. ◻

Bemerkung: Auf R wäre dies einfacher zu sehen, die Hilberttransformation multiplizert im Fourierbild mit signξ, was die Stetigkeit in ξ=0 verletzt. Im hier behandelten periodischen Fall muss man sich Beispiele zu Fourierreihen anschauen. So bestimmt k=2cosktlogk=limr1k=2rkeiktlogk eine Funktion in L1(π,π). Die zugeordnete Hilberttransformierte k=2sinktlogk=limr1k=2rkeiktlogk ist aber nicht integrierbar. Beides können wir hier nicht ohne weiteres beweisen.

Korollar 3.8. Es gilt Lp(π,π)=H~p für alle 1<p<.

Für p=1 ist dies falsch und somit der H~1 der einzige wirklich interessante Hardy-Raum.

3.2.2 H~p(Rn) und Riesz-Transformationen

Nur ein kurzer Exkurs zum höherdimensionalen Fall. Der (reelle) Hardy-Raum H~p(Rn) wurde intensiv von Fefferman41 und Stein studiert und besteht aus den Randwerten von speziellen in R+n+1 harmonischen Funktionen u. Wir folgen dem Buch von Stein zu singulären Integralen bzw. zur harmonischen Analysis und bezeichnen Variablen in R+n+1(x,t) mit xRn. Mitunter schreibt man x0 für t um Formeln einfacher zu machen.

Seien nachfolgend uj:R+n+1R differenzierbare reellwertige Funktionen. Wir bezeichnen diese als zueinander konjugiert, wenn sie ein verallgemeinertes Cauchy–Riemann-System

j=0nujxj=0,ujxk=ukxj,jk erfüllen. Dies implizert insbesondere Δuj=0 und die Funktionen uj sind somit harmonisch . Im Folgenden betrachten wir die vektorwertige Funktion Φ(x,t)=(u0(x,t),u1(x,t),,un(x,t)) und sagen ΦHp(R+n+1), 1p<, falls supt>0Rn|Φ(x,t)|pdx< gilt. Eine vektorwertige Funktion, deren Komponenten das System [eq:3:nd-CR] erfüllen, heißt monogenes System .

Wiederum gilt eine Poissonsche Integraldarstellung der Funktionen uj durch entsprechende Randwerte, für p>1 ist der Beweis vollkommen analog zu dem im ersten Abschnitt gegebenen. Es gilt

Satz 3.6 ( Poissonsche Integraldarstellung ). Sei ΦHp(R+n+1), 1p<. Dann konvergieren limt0Φ(x,t)=Φ(x),limtΦ(x,t)=0 in Lp(Rn;Rn+1) und es gilt die Poissonsche Integraldarstellung42 Φ(x,t)=RnPt(xy)Φ(y)dyPt(x)=cntnx/tn1. Darüberhinaus erfüllen die Randwerte Φ(x)=(u0(x),,un(x)) uj(x)=Rju0(x)=cnp.V.Rnxjyj|xy|n+1u~0(y)dy. Sind umgekehrt ujLp(Rn) Funktionen mit [eq:3:R-trafo], so definiert [eq:3:poisson-nd] ein monogenes System aus Hp(R+n+1).

Im folgenden Beweis beschränken wir uns auf den Fall p>1, dieser ist im wesentlichen analog zum Vorgehen im eindimensionalen Fall. Der Fall p=1 benötigt andere Hilfsmittel, da wir hier keine Produktformeln nutzen können.

Beweis für 1<p<. Schritt 1. Sei w:R+n+1R harmonisch und gelte eine Schranke der Form suptw(,t)p<. Sei weiter χC0(Rn) mit 0suppχ. Dann ist F1[χ]w ebenso harmonisch und es gilt für die partielle Fouriertransformation bezüglich x t2χ(ξ)w^(ξ,t)=|ξ|2χ(ξ)w^(ξ,t) und damit (da e±t|ξ|χ(ξ)C(Rn)) χ(ξ)w^(ξ,t)=et|ξ|χ(ξ)w^+(ξ)+et|ξ|χ(ξ)w^(ξ),w^±D(Rn0). Betrachtet man nun die beiden Summanden getrennt und bezeichnet diese entsprechend mit wχ,±(x,t), so ist wχ,+(,t) für w0 unbeschränkt in S(Rn) und wχ,(,t)0 in S(Rn). Also muss w^+(ξ)=0 auf Rn{0} gelten.

Damit bestimmen die Randwerte w(x,0) aber die harmonische Funktion w. Sind f,gLp(Rn) mit f^(ξ)=g^(ξ) auf Rn{0}, so folgt supp(f^g^){0} und somit ist fg ein Polynom. Das einzige in Lp liegende Polynom ist aber das Nullpolynom und damit f=g.

Betrachtet man nun Poissonintegrale w(x,t)=RnPt(xy)f(y)dy für gegebenes fLp(Rn), so sind die entstehenden Funktionen harmonisch und erfüllen (da Pt(x)>0 für t>0 gilt und Pt(x)dx=1 gesetzt wurde) limt0w(x,t)=f(x),limtw(x,t)=0 in Lp(Rn). Damit gilt aber (wegen der Eindeutigkeit aus Schritt 1) für jede Komponente uj eines monogenen Systems uj(x,t+t0)=RnPt(xy)uj(y,t0)dx. Es bleibt der Grenzwert für t00 zu betrachten. Da Lp(Rn) für 1<p< reflexiv ist, folgt aus der gleichmäßigen Schranke an die Lp-Norm die Existenz einer Folge tk0 für uj(x,tk)u~j(x) in schwach in Lp konvergiert. Damit folgt aber wegen Pt(x)Lq(Rn) zusammen mit der Stetigkeit harmonischer Funktionen uj(x,t)=RnPt(xy)u~j(y)dx und damit uj(,t)u~j in der Lp-Norm. Wir bezeichnen den Grenzwert deshalb mit uj und haben die Poissonsche Integraldarstellung gezeigt.

Für p=1 folgt analog die schwach-* Konvergenz im Raum der beschränkten Radonmaße, uj(x,t)dxdμj, und die entsprechende Randintegraldarstellung uj(x,t)=RnPt(xy)dμj(y) durch Maße als Randwerte.

Sei nun ΦHp(R+n+1) ein monogenes System mit den Komponenten uj(t,x). Für ξ0 gilt dann im Fourierbild u^j(ξ,t)=et|ξ|u^j(ξ). Das verallgemeinerte Cauchy–Riemann-System kann damit aber in den Randkomponenten geschrieben werden. Es muss also |ξ|u^0(ξ)ij=1nξju^j(ξ)=0,ξju^k(ξ)=ξku^j(ξ) gelten. Dies ist ein lineares Gleichungssystem, welches u^j(ξ) durch u^0(ξ) bestimmt, es folgt |ξ|u^0(ξ)=ij=1nξju^j(ξ)=ij=1nξj2ξku^k(ξ)=i|ξ|2ξku^k(ξ) und damit u^j(ξ)=iξj|ξ|u^0(ξ),ξ0. Die Behauptung folgt nun durch Fourierrücktransformation. Es gilt limt0Rneixξt|ξ|iξj|ξ|dξ=cnxj|x|n+1, da die entstehende Distribution als oszillierendes Integral außerhalb der Null glatt ist, homogen vom Grad n sein muss und sich entsprechend unter orthogonalen Transformationen der x bzw. ξ verhält.

Angenommen, die Funktionen ujLp(Rn) erfüllen [eq:3:R-trafo] und Φ ist durch [eq:3:poisson-nd] definiert. Dann sind die Komponenten von Φ harmonisch und die Eigenschaften des Poissonkerns liefern die gesuchte Schranke an die Lp-Normen. Weiterhin impliziert Schritt 3 rückwärts gelesen die (distributionelle) Gültigkeit des verallgemeinerten Cauchy–Riemann-Systems und der Satz ist für 1<p< bewiesen. ◻

Beweisskizze für p=1. Für p=1 liefern die Schritte 3 und 4 entsprechende Aussagen für die nach Schritt 2 existierenden Maße μj, es gilt also μj=Rjμ0. Es wäre zu zeigen, dass diese absolutstetig sind oder (was äquivalent dazu ist), dass die Randwerte im L1-Sinn angenommen werden. Dazu betrachtet man zu ΦH1(R+n+1) die Maximalfunktion Φ(x)=supt>0|Φ(x,t)| und zeigt, dass ΦL1(Rn) gilt. Der Satz über die majorisierte Konvergenz liefert daraus sofort limt0Φ(t,x)=Φ(x) in L1(Rn) und die Aussage ist gezeigt.

Bleiben die Eigenschaften der Maximalfunktion. Diese wird nur kurz skizziert. Ist ΦH1(Rn+1), so impliziert das verallgemeinerte Cauchy–Riemann-System, dass |Φ|r, rn1n, subharmonisch43 ist (Δ|Φ|rcr|Φ|r2|Φ|20) und für t gegen Null strebt. Damit folgt |Φ(x,t+ϵ)|rRnPt(xy)|Φ(y,ϵ)|rdy. Wir wählen n1n<r<1. Dann ist nach Voraussetzung |Φ(,ϵ)|r gleichmäßig beschränkt in Lq für q=1/r>1. Aufgrund der Reflexivität existiert eine Folge ϵk0 mit |Φ(,ϵk)|rh schwach in Lq und somit |Φ(x,t)|rRnPt(xy)h(y)dy. Damit folgt aber unter Ausnutzung der Lq-Beschränktheit der Maximalfunktion des Poissonintegrals44 Φ(x)rsupt>0RnPt(xy)h(y)dy=h(x)Lq(Rn) und die Behauptung folgt. ◻

Wir bezeichnen im folgenden die Menge der nullten Komponenten der Randwerte von Hp(R+n+1)-Funktionen mit H~p(Rn). Die Riesztransformationen Rj sind beschränkt auf Lp(Rn) für 1<p< (dies folgt zum Beispiel aus dem Multiplikatorensatz von Hörmander–Mikhlin oder dem Interpolationssatz von Marcinkiewicz, vgl. Kapitel 4), damit gilt H~p(Rn)=Lp(Rn) für diese p.

Für den H~1(Rn)=H~1(Rn)iH~1(Rn) bleibt folgende Charakterisierung

Korollar 3.9. Es sind äquivalent

  1. fH~1(Rn).

  2. fL1(Rn) und die Riesz-Transformationen erfüllen RjfL1(Rn).

  3. fL1(Rn) und f(x)=supt|Ptf(x)| erfüllt fL1(Rn).

Weiter gilt

Korollar 3.10 ( Riesz ). Sei μ0 ein beschränktes Radonmaß. Sind dann μj=Rjμ0 für alle j=1,,n ebenso beschränkte Radonmaße (d.h. gelte |ξ|μ^j(ξ)=iξjμ^0(ξ) für ξ0 für solche Maße μj), so sind alle μj absolutstetig und es existieren fjL1(Rn), j=0,,n mit dμj(t)=fj(t)dt.

4 Interpolationstheorie und Raumskalen

Interpolationstheorie in Raumskalen erlaubt Aussagen über Operatoren in zwischen zwei Räumen liegenden Interpolationsräumen. So kann man zwischen Lp-Räumen mit verschiedenen p oder Sobolevräumen mit verschiedener Glattheit interpolieren.

4.1 Klassische Interpolationsätze

4.1.1 Der Satz von Riesz–Thorin

Der Interpolationssatz von Riesz und Thorin ist der klassische Interpolationssatz schlechthin. Er trifft Aussagen über Operatoren zwischen Lp-Räumen für verschiedene Exponenten p.

Seien dazu (Ωj,Bj,μj), j=1,2, zwei σ-endliche Maßräume und Lp(Ωj,dμj) die Räume der p-integrierbaren komplexwertigen Funktionen auf Ωj. Die σ-Endlichkeit impliziert, dass für 1p< die Menge der Treppenfunktionen T(Ωj,dμj) dicht im Raum Lp(Ωj,dμj) ist; dies wird im folgenden explizit genutzt werden.

Satz 4.1 ( Riesz–Thorin 45). Seien p0,p1,q0,q1[1,], {p0,p1},{q0,q1}{1},{}, und seien weiter Tj:Lpj(Ω1,dμ1)Lqj(Ω2,dμ2),j=0,1 beschränkte Operatoren für die T0f(x)=T1f(x) f.ü. für alle fT(Ω1,dμ1) gilt. Sei weiter θ(0,1) und 1p=1θp0+θp1,1q=1θq0+θq1. Dann existiert genau ein beschränkter Operator Tθ Tθ:Lp(Ω1,dμ1)Lq(Ω2,dμ2) welcher auf T(Ω1,dμ1) mit T1 und T2 übereinstimmt. Dieser erfüllt TθpqT1p0q01θT1p1q1θ.

Proof. Sei für hLq(Ω2,dμ2) und gLq(Ω2,dμ2), qq=q+q h,g=Ω2f(y)g(y)dμ2(y). Dann gilt bekanntlich hq=sup{|h,g|:gq=1} und T:Lp(Ω1,dμ1)Lq(Ω2,dμ2) ist beschränkt, falls Tpq=sup{|Tf,g|:fp=gq=1}<.

Aufgrund der Dichtheit der Treppenfunktionen, können wir um folgenden fT(Ω1,dμ1) und gT(Ω2,dμ2) annehmen und es reicht die gesuchte Schranke an |Tf,g| zu beweisen. Dazu nutzen wir komplexe Analysis und definieren für 0z1 1p(z)=1zp0+zp1,1q(z)=1zq0+zq1. und setzen für xΩ1 beziehungsweise yΩ2 φ(x,z)=|f(x)|p/p(z)f(x)/|f(x)|,ψ(y,z)=|g(y)|q/q(z)g(y)/|g(y)|. Dann folgt φ(,z)Lpj(Ω1,dμ1) und ψ(,z)Lqj(Ω2,dμ2), sowie Tφ(,z)Lqj(Ω2,dμ2) jeweils stetig in z und mit nur von z abhängender Norm. Damit sind insbesondere die Normen auf dem Streifen 0z1 beschränkt. Weiter sind φ und ψ komplex differenzierbar für 0<z<1 und erfüllen ebenso zφ(,z)Lpj(Ω1,dμ1) und zψ(,z)Lqj(Ω2,dμ2), somit ebenso z(Tφ(,z))Lqj(Ω2,dμ2). Damit ist die Funktion F(z)=Tφ(,z),ψ(,z) aber analytisch im Streifen 0<z<1 und stetig auf 0z1. Weiter gilt φ(,it)p0=|f|p/p0p0=fpp/p0=1,φ(,1+it)p1=|f|p/p1p1=fpp/p1=1 sowie entsprechend für ψ ψ(,it)q0=ψ(,1+it)q1=1. Nach Voraussetzung wissen wir damit |F(it)|Tφ(,it)q0ψ(,it)q0T0p0q0,|F(1+it)|Tφ(,1+it)q1ψ(,1+it)q1T1p1q1. Weiter ist φ(,θ)=f und ψ(,θ)=g, also F(θ)=Tf,g. Der nachfolgend angegebene Hadamardsche 3-Linien-Satz impliziert damit aber sofort die Behauptung |F(θ)|=|Tf,g|T1p0q01θT1p1q1θ für alle fT(Ω1,dμ1) und gT(Ω2,dμ2) mit Norm 1. Damit ist T stetig fortsetzbar als Operator Lp(Ω1,dμ1)Lq(Ω2,dμ2) und der Satz bewiesen. ◻

Lemma 4.1 ( Hadamardscher Dreiliniensatz 46). Sei F(z) analytisch in 0<z<1 und beschränkt und stetig auf dem Abschluss des Streifens 0z1. Dann impliziert |F(it)|M0,|F(1+it)|M1 für alle tR die Abschätzung |F(θ+it)|M01θM1θ für alle tR.

Proof. Setzt man für ϵ>0 und λR Fϵ(z)=eϵz2+λzF(z), so ist die entstehende Funktion analytisch und erfüllt Fϵ(z)0, z± zusammen mit |Fϵ(it)|M0 und |Fϵ(1+it)|M1eϵ+λ. Damit liefert das Maximumprinzip |Fϵ(z)|max{M0,M1eϵ+λ} und für ϵ0 folgt |F(θ+it)|eϵ(θ2t2)max{M0eθλ,M1e(1θ)λ+ϵ}max{M0ρθM1ρ1θ} mit ρ=eλ. Die rechte Seite wird minimal für M0ρθ=M1ρ1θ, d.h., ρ=M0/M1, und die Behauptung folgt. ◻

Es bleibt, Beispiele für die Anwendung des Satzes zu geben. Sie sind alle klassisch und als Aussagen im Verlaufe der Vorlesung teilweise benutzt worden.

Eine erste Anwendung ist die Beschränktheit der Fouriertransformation zwischen Lp-Räumen.

Satz 4.2 ( Hausdorff–Young-Ungleichung 47). Die Fouriertransformation F ist ein stetiger linearer Operator Lp(Rn)Lp(Rn) für alle 1p2 und erfüllt Ffp(2π)n(1p12)fp.

Proof. Für p=p=2 gilt der Satz von Plancherel, Ff2=f2, sowie Ff=(2π)n/2supξ|Rneixξf(x)dx|(2π)n/2f1. Damit folgt die Behauptung mit dem Satz von Riesz–Thorin. ◻

Als zweites Beispiel geben wir einen kurzen Beweis der Faltungsungleichung. Man mache sich eine Skizze für die Beweisschritte in einem 1/p1/q–Diagramm.

Satz 4.3 ( Young-Ungleichung ). Seien fLp(Rn) und gLq(Rn) mit 1r=1p1q=1p+1q10. Dann gilt fgLr(Rn) sowie fgrfpgq.

Proof. Es bleibt wiederum Grenzfälle zu betrachten. Es gilt für p=q=r=1 fg1f1g1, wie man für nichtnegative Funktionen sofort mit Hilfe des Satzes von Fubini zeigen kann. Weiter gilt offensichtlich für p=1 und q= fg=supx|f(xy)g(y)dy|f1g. Damit liefert aber Riesz–Thorin L1LpLp mit der entsprechenden Ungleichung (hier nach Vertauschen der Indices) fgpfpg1. Weiterhin gilt die Hölder-Ungleichung und damit für p=q und r= fgfpgp. Damit kann man wiederum Riesz–Thorin anwenden und die Behauptung folgt. ◻

Man kann Riesz–Thorin auch nutzen, um auf Räumen mit verschiedenen Maßen zu interpolieren. Dazu benötigt man allerdings positive Dichtefunktionen bezüglich gemeinsamer σ-endlicher Maße.

Satz 4.4 ( Interpolationssatz von Stein und Weiss 48). Seien p0,p1,q0,q1[1,], {p0,p1},{q0,q1}{1},{}, ωj(x)>0 μ1-f.ü., ϖj(x)>0 μ2-f.ü., und seien weiter Tj:Lpj(Ω1,ωj(x)dμ1(x))Lqj(Ω2,ϖj(x)dμ2(x)),j=0,1 beschränkte Operatoren für die T0f(x)=T1f(x) f.ü. für alle fT(Ω1,dμ1) gilt. Sei weiter θ(0,1) und 1p=1θp0+θp10,1q=1θq0+θq10 und ωθ(x)=ω0(x)1θω1(x)θ,ϖθ(x)=ϖ0(x)1θϖ1(x)θ. Dann existiert genau ein beschränkter Operator Tθ Tθ:Lp(Ω1,ωθ(x)dμ1(x))Lq(Ω2,ϖθ(x)dμ2(x)) welcher auf T(Ω1,dμ1) mit T1 und T2 übereinstimmt. Dieser erfüllt TθpqT1p0q01θT1p1q1θ.

Proof. Wir bemerken nur die Unterschiede im Beweis: Man steckt die Dichtefunktion mit in die Funktionen φ und ψ, setzt also φ(x,z)=|f(x)|p/p(z)f(x)|f(x)|ωθ(x)1/p(z) und entsprechend ψ(y,z)=|g(y)|q/q(z)g(x)|g(x)|ϖθ(x)1/q(z) Die Argumentation bleibt dieselbe. ◻

Eine typische Anwendung betrifft die Sobolevräume Hs(Rn). Diese sind isometrisch zu L2(Rn,ξ2sdξ). Also folgt direkt (allerdings mit Schwartz-Funktionen als genutzte dichte Teilmenge)

Korollar 4.1. Seien sj,tjR, j=0,1 und seien Tj:Hsj(Rn)Htj(Rn) zwei beschr"ankte Operatoren, welche auf Schwartz-Funktionen S(Rn) übereinstimmen. Dann gibt es zu sθ=(1θ)s0+θs1 und tθ=(1θ)t0+θt1, θ(0,1) genau einen beschränkten Operator Tθ:Hsθ(Rn)Htθ(Rn), welcher ebenso auf S(Rn) mit den Operatoren Tj übereinstimmt. Dieser erfüllt Tθ2,sθ2,tθT02,s02,t01θT12,s12,t1θ.

Beispiel 4.1. Multiplikation mit Funktionen aus Bk(Rn)={fCk(Rn):|α|\lkαfL} ist beschränkt auf Hs(Rn) für alle ksk. Dies folgt aus der (offensichtlichen) Tatsache für s=k, einem Dualitätsargument für s=k und dann durch Interpolation.

4.1.2 Der Interpolationssatz von Marcinkiewicz

Es gibt ein zweites fundamentales Interpolationsresultat, welches keine komplexe Analysis nutzt.

Für eine komplexwertige messbare Funktion f auf einem Maßraum (Ω,B,μ) definiert man die Verteilungsfunktion 49 μf(λ)=μf(λ;μ)=μ({xΩ:|f(x)|>λ}). Damit gilt (siehe [eq:2.2.42] und [eq:2.2.43]) fpp=p0λpμf(λ)dλλ und [f]p,=supλ>0λμf(λ)1/pfp.

Eine Abbildung T messbarer Funktionen von (Ω1,B1,μ1) nach (Ω2,B2,μ2) heißt sublinear , falls |T(f1+f2)(x)||Tf1(x)|+|Tf2(x)| punktweise fast überall gilt. Eine sublineare Abbildung heißt vom schwachen (p,q)-Typ , falls es eine Konstante C mit q,Cfp für alle Treppenfunktionen fLp(Ω1,dμ1) gibt und entsprechend vom starken (p,q)-Typ falls TfqCfp gilt. Dies verallgemeinert den Begriff eines beschränkten Operators LpLp. Die jeweils kleinsten dabei zulässigen Konstanten werden als (p,q)-Norm beziehungsweise als schwache (p,q)-Norm des sublinearen Operators bezeichnet. Man beachte: schwacher (p,)-Typ ist dasselbe wie starker (p,)-Typ.

Angewandt auf lineare Operatoren besagt der nachfolgende Interpolationssatz von Marcinkiewicz50, dass die Interpolation von Operatoren von schwachem (pj,pj)-Typ beschränkte Operatoren auf allen dazwischenliegenden Räumen liefert. Genauer gilt

Satz 4.5 ( Marcinkiewicz ). Sei T sublinear vom schwachen Typ (pj,qj), j=0,1, für gegebene 1pjqj und q0q1. Dann ist T vom starken (pθ,qθ)-Typ für alle 1pθ=1θp0+θp1,1qθ=1θq0+θq1 mit θ(0,1).

Proof. OBdA sei p0p1 und sei fLp(Ω1,dμ1) mit p0pp1. Für eine Zahl ρ>0 betrachten wir die Zerlegung f=f0,ρ+f1,ρ,f1,ρ(x)={f(x),|f(x)|ρρeiargf,sonst. Dann gilt |f1,ρ|=min{|f|,ρ} und |f|=|f0,ρ|+|f1,ρ|. Weiter gilt nach Konstruktion μf1,ρ(σ)=μf(σ),0σρ,μf1,ρ(σ)=0,σ>ρ,μf0,ρ(σ)=μf(σ+ρ),σ>0. Damit ist f0,ρL1LpLp0 und f1,ρLpLLp1.

Setzt man nun h0,ρ=Tf0,ρ und h1,ρ=Tf1,ρ, so gilt wegen der Sublinearität für h=Tf schon |h||h0,ρ|+|h1,ρ|. Also gilt für λ>0 die Ungleichung |h(x)|>2λ an mindestens all den Punkten x an denen |h0,ρ(x)|>λ und |h1,ρ(x)|>λ gilt. Also folgt für die zugehörigen Verteilungsfunktionen (für q1<) μh(2λ)μh0,ρ(λ)+μh1,ρ(λ)M0q0λq0f0,ρp0q0+M1q1λq1f1,ρp1q1. Die rechte Seite hängt dabei natürlich von der Wahl von ρ ab, die Hauptidee des Beweises ist die richtige Wahl von ρ in Abhängigkeit von λ. Wir nutzen die Verteilungsfunktionen zur Abschätzung der Norm hq, hqq=q0λq1μh(λ)dλ=q2q0λq1μh(2λ)dλ, das dabei auftretende Integral erfüllt weiter (für p1<) 0λq1μh(2λ)dλM0q00λqq01(Ω1|f0,ρ(x)|p0dμ1(x))q0/p0dλ+M1q10λqq11(Ω1|f1,ρ(x)|p1dμ1(x))q1/p1dλM0q0p0q0/p00λqq01(0σp01μf(σ+ρ(λ))dσ)q0/p0dλ+M1q1p1q1/p10λqq11(0ρ(λ)σp11μf(σ)dσ)q1/p1dλ in Abhängigkeit der Wahl von ρ=ρ(λ). Der Beweis besteht nun in der Abschätzung der beiden auftretenden Integrale. Wir unterscheiden einige Fälle:

Fall 1: p0<p1 und q0<q1. Wir setzen ρ=(λ/κ)1/δ mit noch zu bestimmenden Konstanten κ,δ>0. Dann gilt für die beiden abzuschätzenden Integrale (nennen wir sie P und Q) durch die umgekehrte Hölder-Ungleichung (Dualität von Lp-Räumen) Pp0/q0=supχ000λqq01(ρ(λ)(σρ(λ))p01μf(σ)dσ)χ0(λ)dλQp1/q1=supχ100λqq11(0ρ(λ)σp11μf(σ)dσ)χ1(λ)dλ jeweils mit 0λqqj1(χj(λ))qj/(qjpj)dλ1,j=0,1.

Das erste abzuschätzende Doppelintegral erfüllt (wegen (σρ)p01σp01) 0λqq01(ρ(σρ)p01μf(σ)dσ)χ0(λ)dλ0σp01μf(σ)0κσδλqq01χ0(λ)dλdσ0σp01μf(σ)(0κσδλqq01dλ)p0/q0(0κσδλqq01(χ0(λ))q0/(q0p0)dλ)(q0p0)/q0dσκ(qq0)p0/q0(qq0)p0/q00σp01+δ(qq0)p0/q0μf(σ)dσ unter Ausnutzung der Hölderschen Ungleichung und von q>q0. Entsprechend gilt für das zweite 0λqq11(0ρσp11μf(σ)dσ)χ1(λ)dλ0σp11μf(σ)κσδλqq11χ1(λ)dλdσ0σp11μf(σ)(κσδλqq11dλ)p1/q1(κσδλqq11(χ1(λ))q1/(q1p1)dλ)(q1p1)/q1dσκ(qq1)p1/q1(q1q)p1/q10σp11+δ(qq1)p1/q1μf(σ)dσ Wählt man nun51 δ=q0(pp0)p0(qq0)=q1(p1p)p1(q1q), so sind die Exponenten in beiden Integralen gerade p1 und wir haben hqqq2q(M0q0p0q0/p0(qq0)1κqq0(p1fpp)q0/p0+M1q1p1q1/p1(q1q)1κqq1(p1fpp)q1/p1) gezeigt. Bleibt die Wahl von κ. Diese erfolgt so, dass in beiden Summanden sowohl die Exponenten von Mj als auch von fpp gleich sind. Der Ansatz κ=M0αM1βfppγ führt damit auf q0+α(qq0)=α(qq1),β(qq0)=q1+β(qq1),γ(qq0)+q0/p0=γ(qq1)+q1/p1 und damit auf κ=M0q0/(q0q1)M1q1/(q1q0)fpp(q1/p1q0/p0)/(q1q0). Dies liefert wegen q0(q1q)q(q1q0)=1θ,q1(qq0)q(q1q0)=θ,(q1/p1q0/p0)(qq0)q1q0+q0p0=...=qp die Behauptung hqCM0(1θ)M1θfp mit einer von pj, qj und θ abhängenden Konstanten C.

Fall 2: p0<p1 und q0>q1. Hier wählt man δ entsprechend negativ und beachtet, dass dann die Integrationsgrenzen (0,σδ) und (σδ,) nach dem Vertauschen der Integrale ausgetauscht werden. Der Rest ist analog.

Fall 3: p0=p1. Dies ist einfacher und verbleibt als Übung. Hier reicht ρ unabhängig von λ.

Fall 4: q0<q1= und p0<p1=. Hier wählt man ρ=λ/M1. Dann gilt esssup|h1,ρ|M1esssup|f1,ρ|λ und damit μh(2λ)μh0,ρ(λ)M0q0λq0f0,ρp0q0 und es bleibt nur ein einziges Integral abzuschätzen. Dies verbleibt ebenso als Übung.

Fall 5: q0<q1= und p0<p1<. Hier wählt man ρ ebenso, dass μh1,ρ(λ)=0 gilt. Nach Voraussetzung ist esssup|h1,ρ|M1f1,ρp1=M1(p10ρ(λ)σp11μf(σ)dσ)1/p1. Für ρ=(λ/κ)1/δ mit δ=(p1p)/p1 und κ=cM1fpp/p1 ist dies kleiner als λ falls M1p1p10ρσp11μf(σ)dσλp1=κp1ρp1p und damit insbesondere falls M1p1p1ρp1p0σp1μf(σ)dσcp1M1p1fppρp1p, also cp1p1/p gilt. Damit bleibt wiederum nur ein Integral abzuschätzen und die Behauptung folgt analog zum vorherigen Fall. ◻

Bemerkung: Die Normabschätzung für den interpolierten Operator ist hier schlechter als bei Riesz–Thorin, dafür sind die Voraussetzungen am Rand des Interpolationsintervalls auch viel schwächer. Weiterhin funktioniert die hier gezeigte Argumentation auch für reellwertige Funktionen, während die Räume für den Satz von Riesz und Thorin komplex sein müssen.

Eine erste Anwendung sind Maximalabschätzungen. Dazu definieren wir zu einer messbaren Funktion auf dem Rn die Hardy–Littlewood Maximalfunktion 52 Mf(x)=supr>01Brx+Br|f(y)|dy als Supremum über alle Mittelwerte über Kugeln um x. Dann ist die Zuordnung fMf sublinear und es gilt Mff. Tiefer ist nachfolgender Satz. Die zweite Aussage folgt direkt aus der ersten und dem Interpolationssatz von Marcinkiewicz.

Satz 4.6 ( Hardy–Littlewood ).

  1. M ist vom schwachen (1,1)-Typ.

  2. M ist vom starken (p,p)-Typ für alle 1<p.

Beweisskizze. Es bleibt, die erste Aussage zu zeigen. Diese folgt aus dem Überdeckungssatz von Vitali. Sei Eλ={x:Mf(x)>λ} und E~λEλ kompakt. Nach Definition existiert also für xE~λ eine Kugel B um x mit B<1λB|f(y)|dy. Da E~λ kompakt ist, finden wir somit eine endliche Familie solcher Kugeln die E~λ überdeckt. Aus dieser wählen wir mit dem Lemma von Vitali eine disjunkte Teilfamilie aus und erhalten für diese E~λ3nk=1mB(j)3n1λEλ|f(x)|dx. Die zweite Ungleichung ergibt sich dabei direkt aus der Disjunktheit. Bildet man das Supremum über alle kompakten E~λEλ, so folgt Eλ3n1λ|f(x)|dx. und damit die Behauptung. ◻

Lemma 4.2 ( Vitali’s Überdeckungslemma 53). Sei ERn messbar und EjB(j) mit endlich vielen Bällen B(j)=Brj(xj). Dann existiert eine disjunkte Teilfamilie B1,,Bm mit BiBj= für ij und k=1mBk3nE.

Proof. Sei B1 ein Ball mit maximalem Radius. Sei weiter B2 ein Ball mit maximalem Radius aus der Menge der Bälle, die B1 nicht berühren, und entsprechend Bj maximal unter den Bällen, die B1,,Bj1 nicht berühren. Dies wird fortgesetzt, bis sich kein solcher Ball mehr findet. Dann berühren die restlichen Bälle, welche die in der Menge enthalten sind. Weiter haben diese auch Radien die jeweils kleiner sind. Die Aussage folgt. Jeder Ball mit Radius kleiner r, der Br(x) berührt, liegt offenbar innerhalb B3r(x) und die auf das dreifache vergrößerten Bälle Bj überdecken schon E. ◻

Für den n-dimensionalen Poissonkern Pt(x) gilt die Abschätzung supt>0|Ptf|CMf und die Poissonsche Maximalfunktion ist ebenso vom schwachen (1,1)-Typ.

Weitere Anwendungen liefern die Riesz- und Hilberttransformationen. Diese sind ebenso vom schwachen (1,1)-Typ. Zusammen mit ihren Symmetrieeigenschaften folgt Lp-Beschränktheit auf allen 1<p<. Statt dies direkt zu zeigen, kann man den nachfolgend wieder angegebenen Satz von Hörmander und Mikhlin anwenden.

Allgemeiner kann man den Multiplikatorensatz von Hörmander–Mikhlin mit dem Satz von Marcinkiewicz beweisen, dafür muss wiederum gezeigt werden, dass jeder so konstruierte Operator vom schwachen (1,1)-Typ ist. Dies soll der Vollständigkeit halber hier noch angefügt werden.

Wir benötigen zuerst ein Lemma zum geeigneten Zerlegen von L1-Funktionen.

Lemma 4.3 ( Calderon–Zygmund-Zerlegung 54). Sei fL1(Rn) und λ>0. Dann existieren Würfel Qj, j=1,2,, mit disjunktem Inneren und Kanten parallel zu den Koordinatenachsen, so dass λ<1QjQj|f(x)|dx2nλ, zusammen mit |f(x)|λ,xjQj gilt.

Proof. Wir überdecken die Menge {|f(x)|>λ} durch Würfel Qj(0) mit paarweise disjunktem Inneren und Qj(0)|f(x)|dxλQj(0). In einem nächsten Schritt teilt man die Würfel in 2n Teilwürfel halber Kantenlänge und nummeriert diese als Qj(1). Dann gilt entweder Qj(1)|f(x)|dxλQj(1)oderQj(1)|f(x)|dx>λQj(1). Im ersten Fall teilt man die Würfel weiter, im zweiten erfüllt der Würfel schon [eq:4:Qj1] und wird zur Familie der Qj hinzugenommen. Punkte, die am Ende nicht durch Würfel überdeckt sind gehören entweder nicht zur ersten Generation und erfüllen |f(x)|λ trivialerweise oder liegen in einer Familie von Würfeln Qjk(k) mit Qjk(k)0 und Qjk(k)|f(x)|dxλQjk(k) für alle k. Nach dem Lebesgueschen Differentiationssatz folgt daraus |f(x)|λ f.ü. auf dieser Menge und das Lemma ist gezeigt. ◻

Satz 4.7 ( Hörmander–Mikhlin ). Sei m(ξ) eine beschränkte und auf Rn{0} differenzierbare Funktion mit |αm(ξ)|Cα|ξ||α|,0|α|n2+1. Dann ist der durch Tmf(x)=Fξx1[m(ξ)f^(ξ)]=(2π)nei(xy)ξm(ξ)f(y)dydξ,fS(Rn) definierte Operator stetig fortsetzbar auf Lp(Rn), 1<p<.

Beweisskizze. Es gilt Tm:L2(Rn)L2(Rn) als direkte Konsequenz des Satzes von Plancherel. Weiterhin ist Tm=Tm und damit implizert die Beschränktheit auf Lp(Rn) die auf Lp(Rn). Damit ist der Satz bewiesen, wenn wir zeigen können, dass Tm vom schwachen (1,1)-Typ ist.

Sei also fL1(Rn) und λ>0. Sei weiter Qj eine Familie von Würfeln mit den Eigenschaften aus dem vorherigen Lemma. Damit zerlegt man f in zwei Teile f0(x)={f(x)Qj1Qjf(x)dx,xQj,j=1,2,0,sonst sowie f1(x)=f(x)f0(x). Nach Konstruktion gilt f1L(Rn). Wegen μTmf(2λ)μTmf0(λ)+μTmf1(λ)=μ0(λ)+μ1(λ) genügt es für beide Teile separat Abschätzungen für die Verteilungsfunktion zu beweisen. Für f1 kann man die L2-Beschränktheit von Tm nutzen, es gilt λ2μ1(λ)Tmf122Cf122=C0jQj1|Qjf(x)dx|2+RnjQj|f(x)|2dxC0λ(j|Qjf(x)dx|+RnjQj|f(x)|dx)C0λf1 unter Ausnutzung der Eigenschaften der Qj. Für f0 nutzen wir eine weitere Zerlegung μ0(λ){|Tmf0(x)|λ}j(2Qj)+j(2Qj), wobei 2Qj der Würfel doppelter Kantenlänge mit gleichem Mittelpunkt ak und gleicher Ausrichtung im Raum sei. Es gilt wiederum nach Konstruktion der Qj j(2Qj)2njQj2nλ1f1, Für den ersten Term benötigen wir die Voraussetzungen des Multiplikatorensatzes und behaupten, dass diese für den Faltungskern K=F1mS(Rn) Rnj2Qj|K(xy)K(xak)|dxC,yQk mit einer von k unabhängigen Konstanten C gilt. Damit folgt (da f0 auf Qk verschwindende Mittelwerte besitzt) Rnj2Qj|Tmf0(x)|dxkQk(Rnj2Qj|K(xy)K(xak)|dx)f0(y)dyCkQk|f0(y)|dyCf1 und somit μ0(λ)(C+2n)λ1f1.

Es bleibt die Aussage zum Faltungskern K zu zeigen. Sei dazu φC0(Rn{0}) nichtnegativ und mit Träger suppφ={ξ:21|ξ|2} so gewählt, dass kZφ(2kξ)=1,ξ0, gilt (eine dyadische Zerlegung der Eins). Sei weiter mk(ξ)=m(ξ)φ(2k) und Kk=F1mkC(Rn)L2(Rn). Dann genügt es zu zeigen, dass |x|2δ|Kk(xy)Kk(x)|dxCmin{δ2k,(δ2k)1/2} für alle |y|δ gilt, die gesuchte Aussage folgt dann nach Summation über k (was insbesondere auch beweist, dass K selbst lokal integrierbar ist für x0) und entsprechendes Verschieben.

Die Ungleichung von Cauchy-Schwarz zusammen mit dem Satz von Plancherel implizieren zum Einen für alle |y|δ (mit Konstanten C die nur vom Multiplikator m, aber nicht von k oder δ abhängen) |x|2δ|Kk(xy)Kk(x)|dx2|x|δ|Kk(x)|dxC(|x|δ|2kx|2Ldx)1/2(|x|δ|2kx|2L|Kk(x)|2dx)1/2C(δ2k)n/2L2kn/2(2k1<|ξ|<2k+1|α|=L22k|α||Dαmk(ξ)|2dξ)1/2C(δ2k)n/2LC(δ2k)1/2 mit L=n/2+1. Andererseits gilt für alle |y|δ |x|2δ|Kk(xy)Kk(x)|dx01|yKk(xτy)|dxdτCδj=1njKk1Cδj=1n(2kx2Ldx)1/2(2kx2L|jKk(x)|2dx)1/2Cδj=1n2kn/2(2k1<|ξ|<2k+1|α|L22k|α||Dαξjmk(ξ)|2dξ)1/2Cδ2k und damit ist die gesuchte Aussage gezeigt. ◻

4.2 Abstrakte Interpolationsmethoden

Die bisher behandelten Interpolationssätze waren konkret in dem Sinne, dass wir die dazwischenliegenden Räume kannten und nur die Operatornormen auf den dazwischenliegenden Räumen abgeschätzt haben. Abstrakte Interpolationsmethoden konstruieren die dazwischenliegenden Räume so, dass Abschätzungen für Operatoren gelten.

Es gibt im wesentlichen zwei verschiedene Zugänge. Dies ist zum Einen die komplexe Interpolation, welche auf den Beweisideen des Satzes von Riesz–Thorin beruht. Diese ist recht elegant, benötigt aber (schwach) holomorphe Funktionen mit Werten in Banachräumen. Andererseits gibt es die reellen Interpolationsmethoden. Diese nutzen Ideen aus dem Marcinkiewicz-Beweis. Wir werden beides kurz vorstellen.

Wir nutzen die Notation der Einleitung. Seien A0 und A1 Funktionenräume in F mit gemeinsamem dichten Teilraum S. Ein solches Paar soll im folgenden Interpolationspaar heissen. Seien weiter A0A1 und A0+A1 wie in der Einleitung definiert. Ein Raum zwischen A0 und A1 ist ein Funktionenraum X mit A1A2XA1+A2.

\xymatrix{ &&& {\mathcal F} \\ &&& {\mathbf A_0+\mathbf A_1} \ar[u] \\ {\mathbf A_0} \ar@/^/[uurrr] \ar[urrr] \ar@{..}[rr] && \mathbf X\ar[ur]\ar@{..}[rr] && \mathbf Y \ar[ul] \ar@{..}[rr] && {\mathbf A_1}\ar@/_/[uulll] \ar[ulll]\\ &&& {\mathbf A_0\cap\mathbf A_1}\ar[ul] \ar[ur] \ar[urrr]\ar[ulll] \\ &&& {\mathcal S} \ar[u] \ar@/^/[uulll] \ar@/_/[uurrr] }

Ein Raum zwischen A0 und A1 heißt Interpolationsraum bezüglich des Paares (A0,A1), wenn jede lineare Abbildung T:SA0A1F, welche stetige Fortsetzungen A0A0 und A1A1 besitzt, auch stetig XX fortgesetzt werden kann. Triviale Beispiele von Interpolationsräumen sind der Durchschnitt A0A1 und die Summe A0+A1 eines Interpolationspaares. Man zeige dies!

Ein Interpolationsverfahren konstruiert (meist in Abhängigkeit von einem Parameter θ) Interpolationsräume zwischen A0 und A1. Bezeichnet man diese mit Aθ, so erhält man eine Raumskale. Verschiedene Interpolationsverfahren führen auf verschiedene Raumskalen.

4.2.1 Komplexe Interpolation

Komplexe Interpolation nutzt holomorphe Funktionen mit Werten in Funktionenräumen. Sei dazu UC offen und A ein komplexer Banachraum. Eine Funktion f:UA, die jeder Zahl zU ein Element f(z)A zuordnet, heisst dann schwach holomorph , falls für alle ϕA die (nun C-wertige) Funktion zϕ,f(z) holomorph in U ist. Konvergiert eine Folge fn solcher Funktionen lokal gleichmäßig schwach, d.h., gilt für jedes Kompaktum KU, jedes ϕA und eine stetige Funktion f:UA supzKϕ,fn(z)f(z)0,n, so ist die entstehende Grenzfunktion wiederum (schwach) holomorph. Dies ergibt sich direkt als Konsequenz des Satzes von Morera angewandt auf die skalaren Funktionen und die gleichmäßige Konvergenz von ϕ,fn(z)ϕ,f(z) auf jeder nullhomotopen Kurve in K.

Sei im folgenden S={zC:0<z<1}. Sei weiterhin A0 und A1 ein Interpolationspaar. Dann bezeichne F(A0,A1) die Menge aller stetigen und beschränkten Funktionen h:SA0+A1, welche auf S schwach holomorph sind und f(j+it)Aj, j=0,1, stetig mit gleichmäßiger Normschranke erfüllen. Wir schreiben kurz F(A)=F(A,A).

Lemma 4.4. Versehen mit der Norm fF=max{suptf(it)|A0,suptf(1+it)|A1} ist F(A0,A1) ein Banachraum.

Proof. Wir zeigen dies in zwei Schritten und betrachten zuerst fF(A). Dann gilt für jedes ϕA mit Norm 1 |ϕ,f(z)|fF als direkte Konsequenz des Drei-Linien-Satzes. Insbesondere folgt nach Supremumsbildung über alle solchen ϕ f(z)|A=f(z)|AfF. Nach Konstruktion ist die Einbettung F(A0,A1)F(A0+A1) stetig. Sei nun fn eine Cauchy-Folge in F(A0,A1). Dann ist wegen obiger Abschätzung fn(z) gleichmäßig in z Cauchy-Folge in A0+A1 und somit in diesem Raum konvergent gegen ein f(z). Als gleichmäßiger Grenzwert ist f(z) stetig in zS und holomorph in S. Weiter ist f(j+it) Cauchy in Aj, j=0,1, und somit f(it)A0,f(1+it)A1 und das Lemma ist bewiesen. ◻

Der Raum F(A0,A1) enthält insbesondere alle konstanten Funktionen mit Werten in A0A1. Den Interpolationsraum A[θ], θ(0,1) definieren wir nun als A[θ]={f(θ):fF(A0,A1)}, versehen mit der Norm a|A[θ]=inf{fF:f(θ)=a}. Der so erhaltene Raum ist vollständig (als Quotientenraum eines Banachraumes) und, wie nachfolgendes Lemma insbesondere zeigt, A0A1 ist dicht in ihm.

Lemma 4.5 ( Approximationssatz von Calderon ). Sei aA[θ]. Dann existiert für jedes ϵ>0 ein fF(A0,A1) mit f(θ)=a der Form f(z)=keδkz2+λkzak,δk>0,λkR,akA0A1 mit fFa|A[θ]+ϵ.

Proof. Nach Definition von A[θ] existiert ein fF(A0,A1) mit f(θ)=a und fFa|A[θ]+ϵ/4. Betrachtet man nun zu δ>0 die analytischen Funktionen g(δ)(z)=eδ(zθ)2f(z), so folgt g(θ)=f(θ) sowie g(δ)(z)f(z) lokal gleichmäßig für δ0. Ebenso gilt g(δ)FfF. Damit finden wir also δ, so dass für das zugehörige g schon gFa|A[θ]+ϵ/2 gilt.

Zum Beweis des Lemmas nutzt man nun Fourierreihen. Dazu sei nN und gn(z)=kZg(z+2πikn) die Periodisierung von g mit Periode 2πin. Dann gilt gnF(A0,A1), da die Reihe lokal gleichmäßig auf S konvergiert. Betrachtet man nun n, so konvergiert gn(z) lokal gleichmäßig gegen g(z). Damit existieren n und η>0 so, dass eηz2gn(z)g(z)Fϵ/4. Für jedes ϕ(A0+A1) kann man nun die Funktion zϕ,gn(z) in eine Fourierreihe entwickeln. Es gilt auf S ϕ,gn(x+iy)=kZϕ,akn(x)e(x+iy)k/n mit Koeffizienten ϕ,ak,n(x)=12πnπnπnϕ,gn(x+iy)e(x+iy)k/ndy=12πnϕ,πnπngn(x+iy)e(x+iy)k/ndy. Da das (jetzt im Innern von , stehende) Integral aufgrund der Stetigkeit von gn als Riemannintegral existiert, bestimmt es den Koeffizienten ak,n(x)=12πnπnπngn(x+iy)e(x+iy)k/ndy in A0+A1. Die Koeffizienten sind von x unabhängig. Ersetzt man in [eq:4:akn=def] auf der rechten Seite n durch mn, so ändert sich das Integral nicht. Betrachtet man für zwei verschiedene x das zugehörige Rechteck (vervollständigt durch Strecken am oberen und unteren Ende) und wendet den Integralsatz von Cauchy an, so folgt mit m die Unabhängigkeit von ak,n(x) von x. Da die Formel ebenso für x=0 und x=1 gilt, folgt darüberhinaus ak,nA0A1.

Allerdings konvergiert die so konstruierte Fourierreihe nur schwach (punktweise für alle zS schwach in A0+A1). Deswegen betrachtet man die Cesaro-Mittel 55 σm[gn](z)=|k|m(1|k|m+1)ak,nekz/n=1m+1K=0mk=KKak,nekz/n=Cm,n(yy~)gn(x+iy~)dy~, darstellbar mit dem positiven Fejer-Kern 56 Cm,n(y)>0. Diese konvergieren für x=j{0,1} gleichmäßig in Aj gegen gn(j+iy), ebenso in A0+A1 gegen gn(z) für zS. Wegen ersterem existiert aber ein m, so dass eηz2(σm[gn](z)gn(z))Fϵ/4. Damit ist das Lemma bewiesen, eηz2σm[gn](z) ist von der gesuchten Form. ◻

Es gilt darüberhinaus, ganz analog zum Beweis des Satzes von Riesz–Thorin:

Satz 4.8 ( Komplexe Interpolationsmethode 57). Seien Aj, Bj, j=0,1, Interpolationspaare und Tj:AjBj, j=0,1 Operatoren die auf der dichten Teilmenge S übereinstimmen. Dann ist Tj|S stetig fortsetzbar zu einem eindeutig bestimmten Operator T[θ]:A[θ]B[θ] und dieser erfüllt die Normabschätzung T[θ]T01θT1θ.

Proof. Sei ϵ>0 und aA[θ] mit a=f(θ) für ein fF(A0,A1) für welches fFa|A[θ]+ϵ gilt und welches Werte in A0A1 annimmt. Dann ist g(z)=T0z1T1zTf(z) analytisch in S und es gilt gF(B0,B1). Also folgt wegen gFfF Ta|B[θ]T01θT1θgFT01θT1θ(a|A[θ]+ϵ) für jedes ϵ und damit die Behauptung. ◻

Zu zwei Funktionenräumen A und B, die ein Interpolationspaar bilden, bezeichnet man den so konstruierten Interpolationsraum oft mit (A,B)[θ]. Der folgende Satz fasst wesentlich Eigenschaften von Interpolationsräumen zusammen. Gleichheit heisst dabei in der Regel Äquivalenz der Normen, nicht Gleichheit der Normen.

Satz 4.9 ( Komplexe Interpolationsmethode 58). Seien A und B ein Interpolationspaar. Dann gilt für θ,θj[0,1]

  1. (A,B)[0]=A und (A,B)[1]=B.

  2. (A,A)[θ]=A;

  3. (A,B)[θ]=(B,A)[1θ];

  4. AB dicht in (A,B)[θ];

  5. AB impliziert (A,B)[θ0](A,B)[θ1] für θ0<θ1;

  6. (A,B)[θ]=(A,B)[θ] falls einer der Räume reflexiv ist;

  7. ( Reiterationssatz ) Sei θ=(1η)θ0+ηθ1 für ein η(0,1). Dann gilt ((A,B)[θ0],(A,B)[θ1])[η]=(A,B)[θ].

Das erste Beispiel ist der Interpolationssatz von Riesz–Thorin:

Satz 4.10 ( Riesz–Thorin 59). Sei 1p0<p1< und θ(0,1). Dann gilt (Lp0(Ω,dμ),Lp1(Ω,dμ))[θ]=Lp(Ω,dμ) mit 1p=1θp0+θp1.

Als zweites Beispiel seien Sobolevräume genannt. Es gilt für die durch Besselpotentiale auf dem Rn definierten Räume

Satz 4.11 ( Komplexe Interpolation von Sobolevräumen ). Seien 1<p0,p1< und s0,s1R. Dann gilt (bis auf Äquivalenz von Normen) (Ws0,p0(Rn),Ws1,p1(Rn))[θ]=Ws,p(Rn) mit 1p=1θp0+θp1,s=(1θ)s0+θs1.

Ein Beweis dieser Aussage findet sich im Buch von Bergh und Löfström, .

4.2.2 Das K-Funktional und reelle Interpolation

Für ein fA0+A1 sei für λ>0 κf(λ)=K(λ;f,A0,A1)=inff=f0+f1f0|A0+λf1|A1. Für jedes λ ist dies eine Norm auf A0+A1. Wir werden diese über λ wichten. Zu gegebenem 1q und θ(0,1) sei dazu f|Aθ,q=(0λqθκf(λ)qdλλ)1/q. Dann ist dies eine Normfunktion und definiert einen Funktionenraum Aθ,q zwischen A0 und A1. Der entstehende Raum ist sogar Interpolationsraum und es gilt darüberhinaus

Satz 4.12 ( Reelle Interpolationsmethode 60). Seien Aj, Bj, j=0,1, Interpolationspaare und Tj:AjBj, j=0,1 Operatoren die auf der dichten Teilmenge S übereinstimmen. Dann ist Tj|S stetig fortsetzbar zu einem eindeutig bestimmten Operator Tθ,q:Aθ,qBθ,q und dieser erfüllt die Normabschätzung Tθ,qT01θT1θ.

Speziell für A0=L1 und A1=L (genauer: A1 der Abschluss von L1L in der Supremumsnorm) steht das K-Funktional im Zusammenhang mit der Verteilungsfunktion. Dann ist für gegebenes λ die optimale Zerlegung f=f0+f1 durch f1(x)=f(x) für |f(x)|ρ und f1(x)=ρexp(iargf(x)) mit einem noch zu bestimmendem Parameter ρ gegeben (man muss alle kleinen Funktionswerte in der L-Norm messen, da sie von dieser gar nicht gesehen werden). Damit ist (für unbeschränktes f) f01+λf1=ρμf(σ)dσ+λρ schwach differenzierbar in ρ und das gesuchte Infimum ist ein Minimum und wird bei λ=μf(ρ) angenommen61. Sei f(λ) die Umkehrfunktion62 zu μf(σ). Dann gilt κf(λ)=f(λ)μf(σ)dσ+λf(λ)=0λtdf(t)+λf(λ)=0λf(t)dt mit den Regeln des Riemann–Stieltjes-Integrals. Damit kann man die Interpolationsräume explizit bestimmen. Es gilt da f monoton fällt 0λqθ1κf(λ)qdλ=0λqθ1(0λf(t)dt)qdλ0λqθ1(λf(λ))qdλ=0λq(1θ)1f(λ)qdλ und umgekehrt mittels Hölder und Fubini für q(1θ)<1 0λqθ1κf(λ)qdλ=0λqθ1(0λf(t)dt)qdλ0λqθ1(0λdt)q/q(0λf(t)qdt)dλ=0f(t)qtλqθ+q2dλdt=(q(1θ)1)10tq(1θ)1f(t)qdt unter Beachtung von q/q=q1.

Beide Aussagen gemeinsam ergeben nun aber, dass der oben definierte Interpolationsraum gerade der Lorentz-Raum Lp,q mit p=pθ=(1θ)1 ist. Die Einschränkung q(1θ)<1 im zweiten Teil kann durch ein komplizierteres Argument umgangen werden, das K-Funktional charakterisiert alle Lorentzräume. Speziell für q=pθ ergibt sich insbesondere der Lp.

Zu zwei Funktionenräumen A und B, die ein Interpolationspaar bilden, bezeichnet man den so konstruierten Interpolationsraum oft mit (A,B)θ,q. Der folgende Satz fasst wesentlich Eigenschaften von Interpolationsräumen zusammen. Gleichheit heisst dabei in der Regel Äquivalenz der Normen, nicht Gleichheit der Normen.

Satz 4.13 ( Reelle Interpolationsmethode 63). Seien A und B ein Interpolationspaar und θ,θj(0,1), 1q,r. Dann gilt

  1. (A,A)θ,q=A;

  2. (A,B)θ,q=(B,A)1θ,q;

  3. (A,B)θ,q(A,B)θ,r für qr;

  4. (A,B)θ0,(A,B)θ1,(A,B)θ,q für alle θ0<θ<θ1 und alle q;

  5. AB impliziert (A,B)θ0,q(A,B)θ1,q für θ0<θ1;

  6. für q< ist AB dicht in (A,B)θ,q;

  7. (A,B)θ,q=(A,B)θ,q für 1q< und qq=q+q.

  8. ( Reiterationssatz I) Sei θ0θ1 und θ=(1η)θ0+ηθ1 für ein η(0,1). Dann gilt ((A,B)θ0,q0,(A,B)θ1,q1)η,q=(A,B)θ,q für alle q0,q1.

  9. ( Reiterationssatz II) Weiter gilt für θ(0,1) und 1q0,q1 ((A,B)θ,q0,(A,B)θ,q1)η,q=(A,B)θ,q mit 1q=1ηq0+ηq1.

  10. Für AB gilt (A,B)θ,1(A,B)[θ](A,B)θ,.

Beispiele findet man wieder unter den Lp-Räumen. Im folgenden bezeichne Lp,q(Ω,dμ) den Lorentz-Raum , allerdings versehen mit der durch den Interpolationsprozess definierten Banachraumstruktur für 1<p< Lp,q(Ω,dμ)=(L1(Ω,dμ),L(Ω,dμ))θ,q,θ=11q. Wiederum gilt Lp,p(Ω,dμ)=Lp(Ω,dμ). Obige Rechnung zusammen mit dem Reiterationssatz impliziert

Satz 4.14. Sei 1p0<p1, θ(0,1) und 1q,q0,q1. Dann gilt (Lp0,q0(Ω,dμ),Lp1,q1(Ω,dμ))θ,q=Lp,q(Ω,dμ) mit 1p=1θp0+θp1.

Beim reellen Interpolieren der Sobolevräume ergeben sich in der Regel keine Sobolevräume. Ohne die entstehenden Besov-Räume hier definieren zu wollen, sei der Vollständigkeit halber folgender Satz angegeben. F"ur die durch Besselpotentiale definierten Sobolevräume gilt

Satz 4.15 ( Reelle Interpolation von Sobolevräumen ). Seien 1<p0,p1< und s0,s1R, s0s1. Dann gilt (Ws0,p0(Rn),Ws1,p1(Rn))θ,q=Bp,qs(Rn) mit 1p=1θp0+θp1,s=(1θ)s0+θs1.

Für gleiche s und das richtige q (nämlich p) ergibt sich dagegen der dazwischenliegende Sobolevraum.

Satz 4.16 ( Reelle Interpolation von Sobolevräumen ). Seien 1<p0,p1< und sR. Dann gilt (Ws,p0(Rn),Ws,p1(Rn))θ,p=Ws,p(Rn) mit 1p=1θp0+θp1.

Beide Aussagen sind im Buch von Bergh und Löfström bewiesen, .

Die Interpolationseigenschaften der Sobolevräume kann man nun nutzen, um den letzten noch fehlenden scharfen Grenzfall des Sobolevschen Einbettungssatzes zu zeigen. Bisher wissen wir nur Ws,p(Rn)Lp,(Rn) mit p=npnsp für sp<n. Interpoliert man das (für festes s und variierendes p) reell und wendet obiges Theorem an, so folgt daraus64 Ws,p=(Ws,p0,Ws,p1)θ,p(Lp0,,Lp1,)θ,p=Lp,p für 1p=1θp0+θp1,1p=1θp0+θp1=1θp0+θp1sn und somit Ws,pLp,pLp,Lp, d.h.,

Satz 4.17 ( Sobolevscher Einbettungssatz ). Sei sp<n und p=npnsp. Dann ist die Einbettung Ws,p(Rn)Lp(Rn) stetig.

99 Robert A. Adams und John J.F. Fournier.

Jöran Bergh und Jörgen Löfström. Springer-Verlag, 1976.

Manfred Dobrowolski. Springer-Verlag, 2006.

Vladimir Maz’ya.

William McLean. Cambridge University Press, 2000.

Walter Rudin. Oldenbourg, 2009.

Elias M. Stein. Princeton University Press, 1970.

Elias M. Stein und Guido Weiss. Princeton University Press, 1971.

Elias M. Stein. Princeton University Press, 1993.

Tatiana Suslina. Vorlesungsskript, Stuttgart 2004.

Hans Triebel. North-Holland, 1978.

Jens Wirth. Vorlesungsskript, Freiberg 2006.

Antoni Zygmund. Cambridge University Press, 1959.


  1. nach Hermann Minkowski (1864–1909)↩︎

  2. nach Otto Ludwig Hölder (1859–1937)↩︎

  3. nach Marcel Riesz (1886–1969)↩︎

  4. nach Godfrey Harold Hardy (1877–1947)↩︎

  5. nach Stefan Bergman (1895–1977)↩︎

  6. nach Laurent Schwartz (1915–2002)↩︎

  7. nach Michel Plancherel (1885–1967)↩︎

  8. nach Kurt Otto Friedrichs (1901–1982)↩︎

  9. nach Sergej L’vovič Sobolev (1908–1989)↩︎

  10. nach Norman George Meyers (1930–) und James B Serrin (1926–2012)↩︎

  11. nach Lars Valter Hörmander (1931–2012) und Solomon Grigor’evich Mikhlin (1908–1990)↩︎

  12. nach David Hilbert (1862–1943)↩︎

  13. nach Friedrich Wilhelm Bessel (1784–1846)↩︎

  14. nach Alberto Pedro Calderón (1920–1998)↩︎

  15. nach William Henry Young (1863–1942)↩︎

  16. nach George Lorentz (1910–2006)↩︎

  17. Hier sind die Zylinder wichtig, da man Funktionen ein Stück schieben können muss!↩︎

  18. nach Elias M. Stein (1931–)↩︎

  19. nach Frigyes Riesz (1880–1956)↩︎

  20. nach Jaak Peetre (1935–)↩︎

  21. nach L N Slobodeckij↩︎

  22. V.S. Rychkov, On restrictions and extensions of the Besov and Triebel–Lizorkin spaces with respect to Lipschitz domains, J. London Math. Soc. (2) 60 (1999) 237–257↩︎

  23. nach Franz Rellich (1906–1955)↩︎

  24. Zu jedem gegebenen monoton wachsenden h findet man ein langsamer wachsendes submultiplikatives h; wächst hC2(R+) langsam genug h(r)1+r und ist z.B. monoton wachsend und konkav, so folgt supξ,ηh(|ξ+η|)h(|ξ|)h(|η|)supr,sh(r+s)h(r)h(s)supr,s(1h(s)+rh(r)h(s)h(s))< und h ist damit submultiplikativ. Für h(ξ)=ξs, s>0, entspricht Submultiplikativität gerade der Peetre-Ungleichung.↩︎

  25. nach Maurice René Fréchet (1878–1973), Andrej Nikolaevič Kolmogorov (1903–1987) und Marcel Riesz↩︎

  26. nach Franz Rellich und Vladimir Iosifovich Kondrashov (1909–1971)↩︎

  27. nach Johann Peter Gustav Lejeune Dirichlet (1805–1859)↩︎

  28. nach Kurt Otto Friedrichs↩︎

  29. nach Karl Neumann (1832–1925)↩︎

  30. nach Henri Poincaré (1854–1912)↩︎

  31. nach Marc-Antoine Parseval des Chênes (1755–1863)↩︎

  32. nach Godfrey Harold Hardy↩︎

  33. nach Siméon Denis Poisson (1781–1840)↩︎

  34. nach Johan Ludwig William Valdemar Jensen (1859–1925)↩︎

  35. nach Rolf Herman Nevanlinna (1895–1980)↩︎

  36. nach Wilhelm Johann Eugen Blaschke (1885–1962)↩︎

  37. nach Marcel Riesz↩︎

  38. nach Arne Carl-August Beurling (1905–1986)↩︎

  39. Sie heißen reell, weil sie auf R definierte Funktionen enthalten. Die Funktionen in H~p sind natürlich komplexwertig.↩︎

  40. Für duale p und p ist die Beschränktheit äquivalent. Für fLp und gLp impliziert |f,Hg|=|Hf,g|cfpgp beide Normschranken.↩︎

  41. Charles Louis Fefferman (1949–)↩︎

  42. cn ist sogewählt, dass Pt(x)dx=1 gilt.↩︎

  43. Das ist elementar nachzurechnen, für Details siehe Stein, Singular Integrals, Kap. VII.3. Gilt auf R+n+1 für eine reellwertige Funktion u:R+n+1R Δu=v0 zusammen mit limt0u(x,t)=lim(x,t)u(x,t)=0 (lokal gleichmäßig), so folgt u(x,t)0 auf R+n+1. Man zeige dies!↩︎

  44. siehe Stein, Harmonic Analysis, Kap. I. Für hLq(Rn), 1<q< gilt supt>0|RnPt(xy)h(y)dy|supt>0RnPt(xy)|h(y)|dy=h(x)Lq(Rn). Für q=1 ist diese Aussage falsch und charakterisiert die Hardy-Funktionen H~1(Rn).↩︎

  45. Marcel Riesz und Olof Thorin (1912–2004)↩︎

  46. nach Jacques Salomon Hadamard (1865–1963)↩︎

  47. nach Felix Hausdorff (1868–1942) und William Henry Young↩︎

  48. Elias M. Stein und Guido Weiss (1928–))↩︎

  49. Wenn keine Zweifel am Maß bestehen, lassen wir das Maß μ als zweites Argument weg.↩︎

  50. nach Josef Marcinkiewicz (1910–1940)↩︎

  51. Das ist eine Gleichung die p und q in Beziehung setzt! Schreibt man p auf eine und q auf die andere Seite, so ergibt sich daraus 1p01p1p1p1=pp0p0p1p1p=qq0q0q1q1q=1q1q01q11q und damit impliziert p=pθ schon q=qθ.↩︎

  52. nach Godfrey Harold Hardy und John Edensor Littlewood (1885–1977)↩︎

  53. nach Giuseppe Vitali (1875–1932)↩︎

  54. nach Alberto Calderon und Antoni Zygmund (1900–1992)↩︎

  55. nach Ernesto Cesàro (1859–1906)↩︎

  56. nach Lipót Féjer (1880–1959)↩︎

  57. nach Alberto Calderon und Jacques Louis Lions (1928–2001)↩︎

  58. nach Alberto Calderon und Jacques Louis Lions↩︎

  59. Die Aussage gilt entsprechend für p1=, aber dann ist der Schnitt der Räume nicht in beiden dicht und in unserem Sinne liegt somit kein Interpolationspaar vor.↩︎

  60. nach Jacques Louis Lions und Jaak Peetre↩︎

  61. Falls μf(ρ) unstetig ist, wählt man das ρ mit μf(ρ+)λμf(ρ).↩︎

  62. Genauer, f(λ)=inf{σ:μf(σ)λ}, so dass 0μf(σ)dσ=0f(λ)dλ.↩︎

  63. nach Jacques Louis Lions und Jaak Peetre↩︎

  64. Es bleibt zu zeigen, dass die Interpolation der Einbettungen wirklich die Einbettung liefert!↩︎