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2.1.1 Definition. Eine lokalkompakte Gruppe ist eine Gruppe (mit multiplikativ geschriebener Verknüpfung), die so mit einer Hausdorfftopologie versehen ist, daß
Wir nennen -kompakt, wenn eine abzählbare Vereinigung kompakter Teilmengen ist.
2.1.2 Beispiele. Beispiele sind alle endlichdimensionalen Liegruppen. Besonders erwähnen wollen wir den als additive Gruppe, die Tori sowie die Gitter . Der eindimensionale Torus kann ebenso als Rand der komplexen Einheitskreisscheibe mit Multiplikation aufgefaßt werden. Neben diesen kommutativen Beispielen interessieren uns später noch die Matrixgruppen der unitären -Matrizen, der reellen orthogonalen Matrizen mit Determinante .
2.1.3 Beispiel. Die Gruppe versehen mit der Produkttopologie ist eine kompakte abelsche Gruppe. Diese Gruppe wird mitunter als Cantorgruppe bezeichnet.
2.1.4. Sei topologische Gruppe und sei eine Funktion. Dann definiert man zu die Linkstranslation und die Rechtstranslation der Funktion als
(2.1) |
Dann gilt und . Bezeichne im folgenden die Menge aller beschränkten stetigen komplexwertigen Funktionen auf . Wir bezeichnen eine Funktion als links- (rechts-) gleichmäßig stetig, falls
(2.2) |
gilt. Es sind nicht alle beschränkten stetigen Funktionen gleichmäßig stetig, jedoch gilt dies für Funktionen aus
(2.3) |
Wir versehen mit der feinsten Topologie, für die alle Einbettungen stetig sind.
Beweis. Wir zeigen rechts-gleichmäßige Stetigkeit. Sei dazu und . Da stetig ist, existiert für jedes Umgebung von mit für alle . Wir wählen eine offene Menge so, daß , symmetrisch ist, also , und . Die Mengen überdecken den Träger von . Es existiert also eine endliche Teilüberdeckung indiziert durch mit . Sei nun . Dann gilt
da zu jedem ein mit und damit auch existiert. □
2.1.6. Im folgenden interessieren wir uns für spezielle Radonmaße auf , also stetige Linearformen auf dem Raum der stetigen Funktionen mit kompaktem Träger. Ein Maß heißt dabei linksinvariant, falls für jede Funktion und jedes
(2.5) |
gilt. Es heißt entsprechend rechtsinvariant, falls
(2.6) |
gilt. Ein positives linksinvariantes Radonmaß auf wird als Haarmaß bezeichnet. Wichtig ist der nachfolgende Satz von Haar zur Existenz invarianter Maße. Die Gruppe heißt unimodular, falls sie ein links- und rechtsinvariantes Haarmaß besitzt.
2.1.7 Satz (Haar1). Sei lokalkompakte Gruppe. Dann existiert ein positives linksinvariantes Radonmaß und dieses ist bis auf konstante Faktoren eindeutig bestimmt.
Beweis. Wir skizzieren einen auf H. Cartan2 zurückgehenden Beweis, verzichten allerdings auf einige Details. Der komplette Beweis ist im Buch von Folland zu finden. Da wir ein positives Funktional auf suchen, genügt es Integrale nichtnegativer Funktionen zu konstruieren. Jedes positive lineare Funktional auf ist automatisch auch stetig. Bezeichne .
Schritt 1: Für zwei Funktionen , , bezeichne
(2.7) |
das Infimum über alle ‘Obersummensummen’ mit Form . Das Infimum ist endlich, da der Träger von durch endlich viele Translate der offenen Menge überdeckt werden kann und beschränkt ist. Wir zeigen zuerst elementare Eigenschaften, es gilt
für , und . Weiterhin gilt , so daß für ein (von jetzt ab fest gewähltes) das Funktional
(2.13) |
linksinvariant, homogen und subadditiv ist sowie
(2.14) |
erfüllt. Die Beweisidee besteht nun darin, einen Grenzwert für zu bilden und zu zeigen, daß das Funktional gegen ein positives linksinvariantes Funktional konvergiert.
Schritt 2: Für und existiert eine Umgebung der Eins, so daß für alle
(2.15) |
gilt.
Sei mit auf und sei . Sei weiter und (und da wo gilt). Da gilt, existiert wegen Lemma 2.1.5 eine Umgebung der Eins mit für und . Gilt nun , so impliziert
(2.16) |
und damit wegen
(2.17) |
Also folgt nach Infimumsbildung über alle zulässigen
(2.18) |
Wählt man nun so klein, daß gilt, folgt die Behauptung.
Schritt 3: Für jedes sei und das Produkt aller . Da jedes ein kompaktes Intervall ist, impliziert der Satz von Tychonov, daß kompakt ist. Die Menge besteht also aus Funktionen von deren Werte in im Intervall liegen. Insbesondere gilt für alle . Sei weiter zu jeder Umgebung von die Menge definiert. Dann gilt für jede endliche Auswahl die endliche Durchschnittseigenschaft
(2.19) |
Also impliziert Kompaktheit von , daß
(2.20) |
Sei also . Dann impliziert Schritt 2 Linearität von und Schritt 1 die Linksinvarianz zusammen mit der Positivität. Also ist ein Haarmaß.
Schritt 4: Eindeutigkeit. Seien und zwei Haarmaße auf . Seien weiter . Sei weiter eine relativ kompakte Umgebung der Eins mit und sowie . Dann sind und relativ kompakt und für jedes ist in getragen sowie in .
Sei nun . Dann finden wir wegen Lemma 2.1.5 eine symmetrische Umgebung mit und für alle und . Sei nun mit und . Dann gilt
und wegen
und damit
und entsprechend für
Also folgt nach Division durch beziehungsweise und Addition
(2.25) |
und da , und beliebig waren sind und proportional. □
2.1.8 Beispiel. Das Lebesguemaß auf ebenso wie das Zählmaß auf sind Beispiele für Haarmaße. Auf der Gruppe der affin-linearen Abbildungen auf ist durch
(2.26) |
ein linkes Haarmaß und durch
(2.27) |
ein rechtes Haarmaß gegeben. Für weitere Beispiele wird auf die Übung verwiesen.
2.1.9. Ist ein linksinvariantes Haarmaß auf , so ist für jedes auch jede Rechtstranslation
(2.28) |
linksinvariant. Wegen der Eindeutigkeit des Haarmaßes bis auf Faktoren existiert somit für jedes eine nichtnegative Zahl mit
(2.29) |
für alle Funktionen . Die Funktion wird als modulare Funktion der Gruppe bezeichnet. Sie hängt nicht von der Wahl des Maßes ab. Im folgenden sei auf ein linksinvariantes Haarmaß gewählt, wir schreiben in Integralen statt einfach .
Beweis. [1.] Für jedes gilt
(2.32) |
und damit . Weiter ist als Verkettung stetiger Funktionen
(2.33) |
(für ein mit ) stetig. [2.] Da stetig ist, ist das Bild von unter für kompaktes auch kompakt. Allerdings ist die einzige kompakte Untergruppe von . Für abelsche Gruppen ist die Aussage trivial. [3.] Die erste Aussage ist nur die Definition der modularen Funktion . Es bleibt die zweite zu zeigen. Sei dazu und . Dann gilt unter Ausnutzung von (2.30)
und die rechte Seite in (2.31) bestimmt ein Haarmaß. Also existiert eine Konstante mit
(2.35) |
für alle Funktionen . Wählt man nun speziell eine Funktion mit , so folgt mit die Behauptung . □